General Spindler nach dem Rauswurf mit großem Appell verabschiedet

Erstveröffentlicht: 
31.05.2017

Leipzigs ranghöchster Soldat, der Zwei-Sterne-General Walter Spindler räumte am Mittwoch vorzeitig den Chefposten des Ausbildungskommandos des Heeres. Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte ihn wegen des Vorwurfs schleppender Ermittlungen des Postens enthoben. Er übergab das Kommando an Brigadegeneral Norbert Wagner.

 

Leipzig.  General-Olbricht-Kaserne in Leipzig, Mittwoch 13.45 Uhr: Die Soldaten sind auf dem riesigen Appellplatz in Reih und Glied angetreten. Abordnungen aus allen Standorten des Ausbildungskommandos des deutschen Heeres mit ihren Kommandeuren. Das Heeresmusikkorps Koblenz schmettert den Präsentiermarsch. Die Gästeliste gleicht einem Who is Who der Bundeswehr und der Leipziger Gesellschaft. Die Ehrentribüne ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Zahlreiche aktive und ehemalige Generäle der Bundeswehr, wie Hans-Peter von Kirchbach, Reinhard Kammerer und Hans-Otto Budde sowie Politiker, Vertreter der Wirtschaft und der Gesellschaft wollen Generalmajor Walter Spindler (63) ihren Respekt erweisen.

 

Der strafft die Dienstjacke mit den zwei goldenen Generalssternen, schaut selbstbewusst in die Runde, lächelt zur Tribüne, ruft mit fester Stimme Kommandos über den weiten Appellplatz. Zum letzten Mal. Eigentlich war die Kommandoübergabe in Leipzig an Brigadegeneral Norbert Wagner (55) erst für Ende August geplant. Dann sollte Spindler planmäßig in den Ruhestand gehen. Doch Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat ihn vorzeitig von seiner Funktion entbunden. Grund für den Rauswurf sollen schleppende Ermittlungen nach Vorfällen in seinem Verantwortungsbereich gewesen sein. Es ging um Verfehlungen bei den Kampfsanitätern in Pfullendorf (Baden-Württemberg) und bei den Unteroffiziersanwärtern in Sondershausen (Thüringen). Die vorgeblich zögerliche Aufklärung bezog sich auf sexuelle Belästigung bei den Kampfsanitätern sowie verbale Entgleisungen und unnötige Härte von Vorgesetzten bei einem Unteroffizierslehrgang in Thüringen.

 

Spindler, der Chef des Ausbildungskommandos des deutschen Heeres, erfuhr von seiner Absetzung zuerst aus den Medien. Minuten bevor er offiziell angerufen wurde, war alles bei Spiegel online zu lesen. Inzwischen teilte die zuständige Staatsanwaltschaft Hechingen mit, dass die Vorfälle in Pfullendorf, bei denen Sanitätssoldatinnen sexuell herabgewürdigt worden sein sollen, keinerlei Hinweise auf einen Anfangsverdacht ergeben.

 

Der Rausschmiss Spindlers sorgte parteiübergreifend für Empörung, bei Politikern, Bundeswehrangehörigen und Bürgern. Das war auch am Mittwoch noch zu spüren. So sagte der ehemalige Landrat Nordsachsens, Michael Czupalla (CDU), dass er den Weggang Spindlers bedauere und es das Mindeste sei, dass er einen würdigen Abschied bekäme und das nicht im stillen Kämmerlein stattfände. Das unterstrich auch der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr Hans-Peter von Kirchbach, der gegenüber LVZ.de sagte: „Ich halte die Entscheidung für unverständlich, für falsch.“ Spindler sei ein untadeliger Offizier. Das habe er in 44 Dienstjahren bewiesen. Auch der ehemalige Leipziger Divisionskommandeur Reinhard Kammerer schüttelte den Kopf: „Es ist unglaublich, was hier abläuft, wie ein verdienter Soldat abserviert wurde.“ Zur feierlichen Übergabe kam am Mittwoch ein Drei-Sterne-General, Generalleutnant Frank Leidenberger (58), der Kommandeur Deutsche Anteile Multinationale Korps vom Kommando Heer in Strausberg. Leidenberger würdigte Spindler, der das neu geschaffene Ausbildungskommando am 1. Juli 2013 übernahm. Er habe hohe Maßstäbe an sich selbst und die Ausbildung angelegt. „Was in Leipzig gedacht und entwickelt wird, ist richtungsweisend für das deutsche Heer“, unterstrich er. Und: „Spiegel online führt nicht das deutsche Heer.“

 

Spindler hielt eine stolze und leidenschaftliche Ansprache. Leider habe das Bild der Bundeswehr durch das Fehlverhalten Einzelner Schrammen bekommen. Zu seinem Rauswurf sagte er nur: „Die Wahrheit liegt in der Tiefe einer bodenlosen Grube.“ Und er bekräftigte: „In der Bundeswehr ist kein Platz für Intoleranz und extremes Denken aller Art.“ Die Menschenführung bei den Streitkräften sei untrennbar mit der Vermittlung von Werten verbunden.

 

Beim anschließenden Empfang, der auf Spindlers Wunsch mit „My Way“ begann und mit dem Triumphmarsch aus Aida endete, fand vor allem Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD), der sich extra vom Städtetag in Nürnberg losgeeist hatte, deutliche Worte zum Rauswurf Spindlers. „Es ist ein beispielloser, unglaublicher Vorgang, einen General, der 44 Jahre im Dienst ist, per Twitter wegzuschnipsen. So geht man nicht mit Menschen um.“ Unter großem Beifall legte er nach, man könne nicht jemanden vors Loch schieben, wenn man selbst in einer brenzligen Situation ist. Sachsens Justizminister Sebastian Gemkow (CDU), sagte, die Verabschiedung sei würdig gewesen, aber im Vorfeld hätte er sich einen kulturvolleren Umgang gewünscht. Unter den Gästen waren auch Leipzigs Polizeipräsident Bernd Merbitz, Sparkassenchef Harald Langenfeld und die Leipziger Schriftstellerin Sabine Ebert, die alle Termine absagte, um „General Spindler Respekt zu zollen“.

 

Spindler, dessen Frau Yvonne bei der Verabschiedung dabei war, bedankte sich für den „Zuspruch“ und sagte: „Hier in Leipzig habe ich mich rundum wohlgefühlt. Das war meine schönste Verwendung“. Der Vater von vier Kindern geht am 31. August offiziell in den Ruhestand.

 

Sein Nachfolger Brigadegeneral Norbert Wagner, ebenfalls verheirateter Vater von vier Kindern und bisher Kommandeur des Ausbildungszentrums in Munster, unterstrich, dass er sich auf seine neue Aufgabe freue und gern mit der Familie nach Leipzig ziehe. Dem Ausbildungskommando in Leipzig sind alle zwölf Schulen und Ausbildungseinrichtungen des Heeres mit 25 Standorten in ganz Deutschland unterstellt, darunter die Offiziershochschule in Dresden und die Unteroffiziersschule in Delitzsch. Der Kommandeur trägt damit die Verantwortung für rund 10 000 Soldaten und 2000 zivile Angestellte.

 

Von Anita Kecke