Im Ballstädt-Prozess hat das Landgericht Erfurt für einen großen Teil der Angeklagten überraschend hohe Haftstrafen ausgesprochen. Zwei wurden wegen ihrer Beteiligung an dem Überfall auf eine Kirmesgesellschaft in dem Ort im Landkreis Gotha im Februar 2014 zu je dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Acht Angeklagte erhielten Haftstrafen von jeweils etwa mehr als zwei Jahren, ein Angeklagter eine Bewährungsstrafe. Es gab zudem vier Freisprüche. Der Vorsitzende Richter Holger Pröbstel, sprach von einem „brutalen Angriff auf Unschuldige“ und einer „schrecklichen Tat“.
Gericht wollte keine "fatalen Signale" aussenden
Damit verhängte die Kammer für die meisten der Angeklagten Haftstrafen, die über den Forderungen der Staatsanwaltschaft liegen. Niedrige Strafen habe das Gericht nicht verhängen können, weil das ein fatales Signal gewesen wäre, sagte Pröbstel. Die Staatsanwaltschaft hatte für mehrere der Angeklagten Bewährungsstrafen gefordert. Bei dem Überfall waren zehn Menschen schwer verletzt worden.
Gesinnung habe keine Rolle für Urteil gespeilt
Die rechtsextreme Gesinnung der Angeklagten spiele für die Tat und das Urteil keine Rolle, stellte Pröbstel klar - wofür er unter anderem von Vertretern der Nebenklage scharf kritisiert wurde. „Der Vorsitzende entpolitisiert den Vorfall. Das heißt, die Kammer verschließt die Augen vor organisierten rechten Strukturen“, sagte die Nebenklage-Anwältin Kristin Pietrzyk. Die Angeklagten hätten mit dem Überfall nicht nur ihr Haus in Ballstädt verteidigen, sondern „ihre Herrschaft“ über den Ort demonstrieren wollen.
Angriff auf Kirmesgesellschaft erfolgte mitten in der Nacht
Die Kammer sah es als erwiesen an, dass die Verurteilten die Kirmesgesellschaft mitten in der Nacht überfallen hätten. Sie seien davon ausgegangen, einer der Feiernden habe einen Stein auf ein Haus geworfen, das damals mehrere der Angeklagten im Ort nutzten. Die Angeklagten hätten sich der schweren Körperverletzung in mehreren Fällen schuldig gemacht, hieß es. Weil sie die Tat gemeinsam begangen hätten, spiele es keine Rolle, dass den meisten von ihnen nicht genau nachzuweisen sei, ob und wen sie geschlagen oder getreten hätten.
Vier Freisprüche im Prozess
Gleichzeitig sprach die Kammer vier der Angeklagten von den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft Erfurt frei. Es gebe keine ausreichenden Beweise für ihre Beteiligung an der Tat, sagte Pröbstel. Die Strafverfolgungsbehörde hatte 14 Männer und eine Frau wegen des Angriffs angeklagt, die der rechten Szene zuzuordnen sind. Selbst vor Gericht machten die meisten der Angeklagten aus ihren politischen Überzeugungen keinen Hehl und trugen etwa szenetypische Kleidung.
Kritik an der Urteilsbegründung kam auch von der Landtagsabgeordneten Katharina König-Preuss (Linke). Damit werde die Bedeutung der rechtsextremen Hintergründe des Angriffs verkannt, erklärte sie.
In dem Prozess war seit Dezember 2015 verhandelt worden. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Alle Beteiligten haben eine Woche Zeit, Revision gegen die Entscheidung einzulegen.