Meißener Stadtrat wettert gegen Freistaat-»Bashing« / Lokalpolitiker wollen Vorstellung des Buches »Unter Sachsen« bei Literaturfest verhindern
»Demokratie ist die Macht der Mehrheit und wir werden es euch zeigen,« mit diesen Worten mobilisiert der CDU-Stadtrat Jörg Schlechte gegen die Vorstellung eines Buches. Man werde »alles unternehmen, um diese Buchlesung zu unterbinden«, schreibt auch Thomas Tallacker von AfD.
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— Matthias Meisner (@MatthiasMeisner) May 22, 2017
Der Grund der Aufregung: Anfang Juni will »Tagesspiegel«-Redakteur Matthias Meisner seinen Sammelband »Unter Sachsen: Zwischen Wut und Willkommen« beim Literaturfest in Meißen vorstellen. Im Ratssaal der Stadt soll es anschließend eine Podiumsdiskussion geben. Im Buch, dessem Beiträge Meisner zusammen mit der Journalistin Heike Kleffner zusammengestellt hat, gehen 30 Autoren der Frage »Warum immer wieder Sachsen« nach und beleuchten das Rechtsextremismus-Problem des Freistaats kritisch. Zu kritisch für manchen.
Der Meißener CDU-Stadtrat Schlechte sieht in dem Buch nur »Sachsen-Bashing« und spricht von »Hetze«. Er findet, die Lesung dürfe nicht im Ratssaal von Meißen stattfinden. Seit Tagen tobt die Debatte auf dem Facebookprofil des CDU-Rechtsaußen. Das Buch sei »Dreck« und werde »mit Sicherheit nicht in unserem Rathaus Meißen gelesen«, empört sich Schlechte. »Ich liebe Bücher«, schrieb der CDU-Politiker noch Montagnacht auf Facebook: als Kommentar zu einem Bild. Das zeigt offenbar einen Gedichtband aus dem Jahr 1941 und fordert den Leser auf, stolz auf Meißens Geschichte zu sein, »in Kampf und Sieg«.
Nun wollen die Gegner der Buchvorstellung ihre Ablehnung dem Ältestenrat der Stadt vortragen und offenbar auch in den Stadtrat tragen. Am Montag veröffentlichte auch die Meißner LINKE auf Facebook eine Stellungnahme. Die von Stadtrat Schlechte angekündigte »Störung« der Buchlesung sei ein »Tiefpunkt« in der politischen Kultur der Stadt. Die Linkspartei fordert den parteilosen Oberbürgermeister der Stadt Olaf Raschke auf, »eindeutig Position beziehen«. Der war Dienstag Nachmittag nicht zu erreichen.
Beim herausgebenden Verlag gibt man sich gelassen. »Wir lassen das auf uns zukommen« sagt Patricia Bohnstedt vom Christoph Links Verlag gegenüber »nd«. Drohungen habe es bei Büchern gegen Rechtsextremismus »schon öfters« gegeben, doch meistens sei es dabei geblieben. Die Polizei sei trotzdem informiert.
Die Lesung von »Unter Sachsen« in Meißen ist Teil des Meißener Literaturfest vom 8. bis 11. Juni.
Dessen Mitorganisator Walter Hannot, selbst CDU-Mitglied und
Vorsitzender des Kulturvereins Meißen, stellte sich in der »Sächsischen
Zeitung« aber gegen seinen Parteikollegen Schlechte. »Der Ratssaal ist
eingeschränkt für die Aktivitäten politischer Parteien und nichts
sonst«, sagt er. Die Diskussion mit den Autoren sei für ihn die einzig
legitime Form der Auseinandersetzung.