Bilder, Bilder, Bilder – wie Medien mit den Identitären umgehen sollten

Erstveröffentlicht: 
22.05.2017

Am 20. Mai war es mal wieder soweit. Die Identitären schritten unter den Augen interessierter Medien zur Tat, und hoben zum „Sturm“ auf das Bundesjustizministerium an. Vor Ort jedoch sah man deren Aktivisten sich auf dem Boden lümmeln und Parolen skandieren. Bundesjustizminister Heiko Maas, nahm es gelassen und verteilte Wasserflaschen an die Gegendemonstranten. 

 

Ein Gastbeitrag von David Begrich, Miteinander e.V.

 

War die Aktion für die Identitären ein politisches PR-Desaster? Verglichen mit der Reichweite, die ihre Kletteraktion am Brandenburger Tor, – „Besetzung“ genannt – hatte, bestimmt. Damals berichteten die Sonntagszeitungen in Berlin in großer Aufmachung von der Aktion auf der ersten Seite. Es ist offenkundig, dass die Identitären für ihre Aktionen die erregte Berichterstattung der Medien in dem Sinne eingepreist haben, als dass sie sich von diesen einen Muliplikationseffekt ihrer politischen Kommunikationsstrategie auch und gerade auf der Ebene der Bilder erwarten. Im Falle der Aktion am Brandenburger Tor ist dieses Kalkül perfekt aufgegangen.

 

So seltsam es klingen mag. Den Identitären geht es in erster Linie um die Bilder ihrer Aktionen, erst in zweiter um die Aktion selbst. Sie suchen und brauchen die große Bühne, die symbolische Kulisse des Brandenburger Tores oder der Dresdner Frauenkirche. Sie benutzen deren Bekanntheit, um sich selbst mit Pathos der Verteidiger des Abendlandes zu inszenieren. Der selbsternannten „patriotischen Jugendbewegung“ geht es darum, Bilder zu schaffen, die als politische Ikonen funktionieren, also eine Wirkung entfalten, die an politisch interessierte „digital Natives“ adressiert ist.

 

Aktionistische Bildikonen sollen aus Sicht der Identitären erst schaffen, was diese für sich in Anspruch nehmen zu sein: eine breite, nationalistische Jugendbewegung, die – anders als die jugendkulturellen Spielarten des Neonazismus – kulturell in verschiedenste Richtungen anschlussfähig ist. Die Identitären haben begriffen, wie sie die Ökonomie der Aufmerksamkeit von Medien und Politik bedienen können: nicht mit langatmigen Erklärungen, sondern mit Bildern, deren Interpretation sie sogleich übernehmen.

 

Die Aktionen der Identitären funktionieren wie das Aktionstheater auf der Straße: alle Beteiligten sollen, so das Ziel, als Mitspieler eingebunden werden und in der Inszenierung funktionieren: auch und gerade Gegendemonstraten und die Polizei, die mit einem ruppigen Einsatz den Identitären ihre Gefährlichkeit und ihr Rebellentum bestätigt hätte.

 

Dies bedeutet nicht, dass es keinen Ausweg aus der unfreiwilligen Mitwirkung des neurechten Theaterspiels gibt. Wenn es stimmt, dass es die Identitären um heroische Selbstbilder geht, so war die Reaktion von Minister Maas genau richtig: im Bild ist zu sehen, wie er zwischen den IBD Mitgliedern umhergeht, als seien sie nicht politische Aktivisten, sondern eine Schulklasse, die sich zu einer Führung im Justizministerium angemeldet hat. Maas dekonstruiert hier, bewusst oder unbewusst, die heroische Bildsprache der IBD. Die politische Bildsprache der Identitären wäre aufgegangen, wenn Maas sich ängstlich hinter einen Polizeikordon zurückgezogen hätte.

 

Für die Berichterstattung heißt dies, alles zu vermeiden, was eine bloße Wiedergabe der beabsichtigten Inszenierung der von den Identitären geschaffenen Bilder angeht. Die Berichterstattung sollte die geplante, wiewohl indirekte, unbeabsichtigte Mitwirkung an der strategischen Bildkommunikation der Identitären verweigern. Sie muss entweder auf Bilder verzichten oder solche Bilder suchen, die die heroische Inszenierung der Identitären dekonstruiert. Es geht also um beides: die Identitären als rechtsextreme Kadergruppe zu entlarven und ihren Bildern die ikonische Wiedergabe zu verweigern.