Ein Gespräch mit Andreas Loepki, leitender Pressesprecher der PD Leipzig – Das lange Polizei-Interview (Teil 2): Humor im Polizeidienst?

Erstveröffentlicht: 
22.05.2017

In den letzten drei Monaten gabs für und von der Polizei in Leipzig ziemlich ordentlich „um die Ohren“. Da waren verbale Scharmützel mit dem Conne Island rings um eine Polizeimaßnahme im Connewitzer Szene-Club. Hinzu kamen die Debatten rings um den 18. März 2017 vor allem im Vorfeld des Demonstrationsversuches seitens der Partei „Die Rechte“, aber auch generelle Fragen rings um die Wahrnehmung von Kriminalität in Leipzig durch die Bürger. Immer mittendrin Andreas Loepki, Sprecher der PD Leipzig. Es gab also einiges zu besprechen im langen Interview, auch, wie eigentlich eine Öffentlichkeitsfahndung gehandhabt wird.

 

Die Leipziger Polizei pflegt in ihren Medieninformationen häufig einen eher locker-humoristischen Stil. Warum ist das so und welche Vorteile bietet das?


Als ich 2007 in die Pressestelle gekommen bin, hat es diesen Stil schon gegeben. Dafür gibt es mannigfaltige Gründe. Zum einen haben wir Behördendeutsch abgestellt: Bei uns ist eine Lichtzeichenanlage eine Ampel, ein Kraftfahrzeug ein Auto und eine männliche Person ein Mann. Wir versuchen also einfaches, verständliches und umgangssprachliches Deutsch zu verwenden.

 

Zum anderen erhalten Pressevertreter jeden Tag zig Meldungen – da geht es auch darum, sich abzuheben und aufzufallen. Denn wenn ich etwas schreibe, will ich auch gelesen werden und nicht unbeachtet im Papierkorb landen. Wir müssen uns aber auch den Vorwurf gefallen lassen, gelegentlich über das Ziel hinauszuschießen und den Stil zu oft oder an der falschen Stelle zu verwenden.

 

Als Sie vor einigen Wochen eine Pressemitteilung über das Conne Island verfasst haben, sind Sie da auch übers Ziel hinausgeschossen?


Ein Kollege, der in den Einsatz involviert war, hat mich darüber informiert und war sichtlich schockiert. Er hat dort eine völlig normale polizeiliche Handlung ohne jeden Provokationscharakter getätigt und wurde dabei in einer nicht zu akzeptierenden Art und Weise empfangen. Trotz vorheriger Absprachen mit den Verantwortlichen wurden die Kollegen beim Betreten bepöbelt.

 

Die Polizei vertrat dort die Interessen eines – in anderer Sache tatverdächtigen – Ausländers in einem linken Objekt und wird dafür aber angegangen. Das war schon eine sehr suspekte Situation. Ich stand daraufhin vor der Entscheidung, wie ich den Text formuliere. Ein Vorwurf lautete anschließend, ich würde das Opfer lächerlich machen. Das sehe ich nicht so, da ich die grundlegende Straftat und die Ausgangssituation sachlich geschildert und mit einem Zeugenaufruf verbunden habe.

 

Zudem habe ich die zusätzlichen Formulierungen aus meiner Sicht mit erkennbarer Ironie getroffen. Daraus herzuleiten, ich würde den Leuten tatsächlich Rassismus vorwerfen, halte ich für gewagt.

 

Nun ist es ja eine ernste Sache mit der Ironie und dem Humor. Das Conne Island hat seinerseits mit einer Pressemitteilung geantwortet, man fühlte sich falsch dargestellt.


Ich hatte dann die Wahl, ob ich darauf noch mal reagiere. Ich wollte aber keinen in der Presse geführten Kleinkrieg mit dem Conne Island über Gesagtes und Gemeintes austragen. Zudem wusste ich zu dem Zeitpunkt bereits, dass eine Landtagsabgeordnete (Anm. d. Red.: Julian Nagel, Die Linke) zu dem Thema eine Kleine Anfrage gestellt hat. Damit war bereits klar, dass es sowieso auf anderer Ebene noch mal beantwortet wird.

 

Heftig umstritten war auch Ihr Videostatement im Vorfeld des 18. März, in welchem Sie teils sehr deutlich auf die Gefahr eines gewaltsamen Verlaufs der Demonstrationen rings um den Aufmarsch der Partei „Die Rechte“ hingewiesen haben. Aus welchen Gründen haben Sie sich zu diesem Schritt entschlossen?


Es gab einen gewissen Leidensdruck, dieses Statement zu bringen. In der Woche zuvor haben uns erste Presseanfragen erreicht. In den sehr zeitaufwendigen Antworten und Interviews habe ich bereits Aussagen getroffen, die im Kern den Aussagen aus dem Statement gleichen.

 

Sind diese veröffentlicht worden? Nein. Stattdessen wurden beispielsweise im MDR-Hörfunk mehrere Connewitzer zitiert, die sich mit Linksextremisten solidarisieren wollten. Ich habe keine Ahnung, ob diese gezielt ausgesucht wurden. Aber das war uns mit Blick auf die Gefahrenprognose für 2017 eindeutig zu wenig.

 

Wir waren also in der Situation, dass wir Botschaften hatten, die uns enorm wichtig waren, welche es aber nicht in die Öffentlichkeit schafften.

 

War es rückblickend die richtige Entscheidung, mit dieser Art Statement an die Öffentlichkeit zu gehen?


Es gibt bis zum heutigen Tag aus polizeiinterner Sicht keinerlei Anlass, das in irgendeiner Form zu bereuen oder davon Abstand zu nehmen – ganz im Gegenteil. Die einzigen Kritikpunkte sind aus unserer Sicht die Aufmachung und die Länge. Zudem könnte man darüber reden, ob wir bestimmte Inhalte noch genauer formulieren können.

 

Ich dachte eigentlich, dass meine Worte sehr eindeutig sind. Aber offensichtlich gab es einen großen Interpretationsspielraum, den ich mit einem Folgeinterview gegenüber der L-IZ eindämmen konnte. Im Übrigen ist es nicht besonders angenehm, sehenden Auges in das Sperrfeuer der Kritiker zu laufen, zumal sich einige Menschen beispielsweise über Twitter in einer Art ihr Maul zerfetzen, die ins Persönliche geht.

 

Wenn man solches also vorhersieht und es trotzdem tut, zeigt es die Bedeutung der Botschaft. Und davon weiche ich auch nicht ab.

 

Ich könnte Ihnen übrigens auch viele lobende E-Mails und Brief zeigen, die ich von der Stadt, der Staatsanwaltschaft, aus der Polizei und aus der Bevölkerung erhalten habe. Selbst am 18. März und vor Ort erhielt ich aus den Reihen des Gegenprotests nicht nur schiefe Blicke, Kritik und Beschimpfungen. Viele waren zu konstruktiven Gesprächen bereit und einige äußerten sogar Anerkennung.

 

Was hat dieses Statement Ihrer Meinung nach bewirkt?


Dieses Statement im Vorfeld – ergänzt durch die Kommunikationsstrategie im Einsatz – hatte eine sehr positive Wirkung. Am Ende der Woche hatten wir ein sehr breites gesellschaftliches Spektrum, das sich sehr offen und sehr wahrnehmbar gegen jedwede Form der Gewalt ausgesprochen hat. In den vergangenen Jahren hat es das so nicht gegeben, zumindest nicht in der öffentlichen Wahrnehmung.

 

Ein weiterer Streitpunkt – zumindest aus Sicht einiger Medien – waren zuletzt die Öffentlichkeitsfahndungen der Polizeidirektion Leipzig. Darin wurde die Presse darauf hingewiesen, dass sie bei bestimmten Online-Veröffentlichungen, die gegen den Willen der Polizei geschehen, selbst mit in Haftung genommen werden kann. Ist dies immer noch der aktuelle Stand?


Nein. Das Thema ist zum ersten Mal vor zehn Jahren hochgekocht. Damals wurden Öffentlichkeitsfahndungen als ganz normale Pressemitteilungen verschickt und sogar auf der Homepage der Polizei eingestellt. Das LKA hat dann berechtigterweise darauf hingewiesen, dass dies gegen die Verhältnismäßigkeit verstößt.

Seitdem sind die Fahndungen nicht mehr für die Allgemeinheit über das Presseportal abrufbar. Irgendwann wurde vom sächsischen Innenministerium und Datenschutzbeauftragten dann festgelegt, dass ein Passus enthalten sein muss, der sinngemäß besagt, dass sich die Fahndungen zunächst an Printmedien im regionalen Raum richten.

 

Was ist dann passiert?


Dann gab es einen Bruch. Die BILD-Zeitung hat angefangen, diese Fahndungen ganz bewusst bei sich hochzuladen und dabei sogar den Passus zu zitieren. Das ging trotz entsprechender Hinweise auf Verhältnismäßigkeit und Unschuldsvermutung munter so weiter. Andere Medien haben dann nachgezogen. Das wiederum hat irgendwann den Datenschutzbeauftragten auf den Plan gerufen, weshalb die Medien temporär darauf hingewiesen wurden, dass sie sogar mit einem Ordnungsgeld nach dem sächsischen Datenschutzgesetz bestraft werden können.

 

Was ja letztlich nicht korrekt ist. Bestraft werden können nur Staatsbedienstete, also zum Beispiel Polizeibeamte, wenn sie unberechtigt Daten weitergeben. Journalisten sind davon nicht erfasst, die können maximal von den dann gefundenen Tatverdächtigen verklagt werden.


Am Ende habe ich den Datenschutzbeauftragten Sachsens in einem internen Schreiben darum gebeten, den Presserat einzuschalten, falls er mit bestimmten Medien ein Problem hat. Ob das erfolgt ist und ob das erfolgreich sein könnte, weiß ich nicht. Rechtlich ist und bleibt es eine Grauzone, wenn sich Medien nicht an die einschränkende Vorgabe halten.

 

Das Interview wurde erstmals in der LEIPZGER ZEITUNG-Ausgabe Nr. 42 im April 2017 veröffentlicht.