Die Bundesanwaltschaft hat Anklage gegen zwei Neonazis erhoben, die eine terroristische Vereinigung gegründet haben sollen. Die 41 und 29 Jahre alten Rechtsextremisten sollen führende Mitglieder der Neonazi-Terrorgruppe "Oldschool Society" gewesen sein und einen Sprengstoffanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft geplant haben. Einer der Beschuldigten ist nach Informationen von Panorama 3 ein ehemaliger NPD-Aktivist aus Mecklenburg-Vorpommern.
Mit Brand- und Nagelbomben wollte die 2014 von gewaltbereiten Rechtsextremisten gegründete "Oldschool Society" (OSS) Attentate auf Flüchtlinge und Salafisten begehen, so die Bundesanwaltschaft. Konkret sollen die mutmaßlichen Terroristen einen Bombenanschlag auf ein bewohntes Asylbewerberheim in Borna bei Leipzig geplant haben. Über einen geheimen Chat hatten sich die Mitglieder der Gruppe über mögliche Attacken ausgetauscht. Kurz vor dem Terrorakt im Mai 2015 sprengten Ermittler des Bundeskriminalamts die Neonazi-Zelle.
Mehrjährige Haftstrafen
Die Rädelsführer der OSS waren im März vom Oberlandesgericht München zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Vier führende Mitglieder der OSS müssen für drei bis fünf Jahre hinter Gittern. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die beiden jetzt angeklagten mutmaßlichen Rechtsterroristen sollen laut Bundesanwaltschaft "führende Positionen in der Führungsebene der Gruppierung" übernommen haben. Der 29-jährige Marcel L. aus Wilhelmsburg in Vorpommern soll "Ansprechpartner" für die Mitglieder gewesen sein und als "Vertrauensperson für die Streitschlichtung innerhalb der Vereinigung" fungiert haben. Fotos zeigen ihn auf einem Treffen der Gruppe in Sachsen.
Der jetzt ebenfalls angeklagte 41-jährige Daniel A. soll in der Gruppe als "Vollstrecker" tätig gewesen sein und "sorgte sowohl für die Umsetzung gruppeninterner Sanktionen als auch die Eintreibung ausstehender Mitgliederbeiträge", wie der Generalbundesanwalt mitteilte. Die Anklage wurde vor dem Oberlandesgericht Dresden erhoben.
Angeklagter war offenbar ehemaliges NPD-Mitglied
Der selbstständige Dachdecker L. stammt aus Vorpommern, lebte jedoch bis Anfang 2015 in Sachsen. L. war nach Recherchen von Panorama 3 Mitglied der rechtsextremen NPD in Sachsen. Laut internen Unterlagen der Partei, die Panorama 3 vorliegen, war der heute 29-Jährige im Jahr 2012 Kassenprüfer des Kreisverbands Zwickau/Westsachsen. Im sächsischen Meerane trat L. 2014 für die NPD zur Kommunalwahl an.
L. nahm auch an NPD-Veranstaltungen teil, etwa an einem Aufmarsch zum 1. Mai 2010 in Zwickau und am NPD-Fest "Rock für Deutschland" im Juli 2014 in Gera in Thüringen. Bei der NPD-Kundgebung in Gera, bei der auch eine Rechtsrock-Band aus Vorpommern auftrat, trug L. ein T-Shirt mit der Aufschrift "no fight, no glory" ("kein Kampf, keine Ehre"). Wegen säumiger Mitgliedsbeiträge flog L. im Dezember 2014 aus der NPD. Kurz zuvor soll er sich der OSS angeschlossen haben.
Ermittlungen wegen Volksverhetzung
Ins Visier der Justiz war L. bereits zuvor geraten: Die Staatsanwaltschaft Zwickau leitete 2014 ein Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung gegen ihn ein. Auf Facebook sollte der Rechtsextremist ein Bild verbreitet haben, auf dem das Konzentrationslager Auschwitz abgebildet war, darauf stand: "Spezialedition Familien im Brennpunkt 1939-1945". In Auschwitz hatten die Nazis von 1940 bis 1945 über eine Millionen Menschen ermordet, größtenteils Juden. Weil das Bild zwischenzeitlich gelöscht wurde, konnten die Ermittler nicht mehr feststellen, ob L. tatsächlich der Urheber der volksverhetzenden Darstellung war. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren deshalb ein.
Beschuldigter will sich nicht äußern
Im Mai 2015 hatte die Bundesanwaltschaft bundesweit Wohnungen von mutmaßlichen OSS-Mitgliedern durchsuchen lassen. Auch bei L. in Wilhelmsburg (Kreis Vorpommern-Greifswald) schlug die Polizei zu. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft stellten die Beamten dabei neben Beweismitteln auch ein Butterfly-Messer sicher, für das L. nicht über die erforderliche Erlaubnis verfügte. Deswegen wird L. auch ein Verstoß gegen das Waffengesetz vorgeworfen.
Zu den Terrorvorwürfen wollte sich L. gegenüber Panorama 3 nicht äußern, mehrere Anfragen ließ er unbeantwortet. Im November 2016 war L. bereits als Zeuge im Münchener OSS-Prozess geladen. Vor Gericht verweigerte er die Aussage, weil gegen ihn selbst ermittelt wurde. Wann sich L. nun selbst in Dresden vor Gericht verantworten muss, ist noch nicht klar.