Linksextreme Krawalle im Januar 2015: Erster Prozess gestartet

Erstveröffentlicht: 
17.05.2017

Fast zweieinhalb Jahre nachdem mehrere hundert Linksextremisten randalierend durch Leipzig gezogen waren, begann am Mittwochmorgen am Amtsgericht der erste Prozess gegen einen mutmaßlichen Steinewerfer.

 

Leipzig. Sie griffen Gerichtsgebäude, Banken und Geschäfte an, nahmen Polizeifahrzeuge mit faustgroßen Steinen unter Beschuss: Fast zweieinhalb Jahre nachdem mehrere hundert Linksextremisten am 15. Januar 2015 randalierend durch Leipzig gezogen sind, begann am Mittwochmorgen am Amtsgericht der erste Prozess gegen einen mutmaßlichen Steinewerfer. Die Staatsanwaltschaft wirft Johann G. (24) schweren Landfriedensbruch und versuchte gefährliche Körperverletzung vor. Der Student soll bei Angriffen auf zumindest zwei Objekte nachweislich beteiligt gewesen sein: Am Amtsgericht in der Bernhard-Göring-Straße, wo an jenem Abend 40 Scheiben zu Bruch gingen, sowie an einem Friseursalon am Dittrichring, der von einem AfD-Funktionär betrieben wird. Hier wurden alle vier Schaufenster eingeworfen. An beiden Tatorten seien Steine gesichert worden, an denen sich DNA des Angeklagten befunden habe, so die Staatsanwaltschaft. Das DNA-Muster lag aufgrund einer vorhergehenden Straftat in der Datei des Bundeskriminalamtes vor.

 

Johann G. ließ über seinen Verteidiger Christian Avenarius erklären: „Ich weise die Vorwürfe zurück, ich habe die Taten nicht begangen.“ An dem fraglichen Abend habe er gegen 20 Uhr die Uni verlassen und draußen eine größere Ansammlung von Leuten gesehen. Einige hätten Pflastersteine ausgegraben und in Beuteln verstaut. Er selbst sei aber nicht zu der Demo, sondern nach Hause gegangen. Wie seine DNA an die Pflastersteine gelangt ist, so der Angeklagte, „kann ich mir nicht erklären“.

 

Der gebürtige Hallenser – er sitzt derzeit eine Haftstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung ab – ist einer von gerade mal zwei konkreten Beschuldigten, gegen die im Zusammenhang mit den Krawallen Anklage erhoben wurde. Lediglich ein weiterer mutmaßlicher Steinewerfer (26) wurde des schweren Landfriedensbruchs überführt Die übrigen Ermittlungsverfahren wurden nach Angaben der Staatsanwaltschaft alle eingestellt. Unmittelbar nach den Ausschreitungen hatten Einsatzkräfte noch rund 200 Beteiligte der unangemeldeten Demo festgesetzt. Ihnen konnte jedoch keine strafrechtlich relevante Teilnahme an den Ausschreitungen nachgewiesen werden, sondern bloßes „Mitlaufen“. „Offensichtlich war vielen Gewalttätern der Krawalle vor dem Eingreifen der Polizei noch die Flucht gelungen“, so die Anklagebehörde auf Anfrage.

 

Es sei davon auszugehen, dass die Angriffe zuvor geplant wurden, heißt es in der Anklageschrift. Anlass der unangemeldeten Demo war der gewaltsame Tod des 20-jährigen Asylbewerbers Khaled I. in Dresden. Linksextremisten hatten daraufhin im Internet angedroht: „Rache für Khaled!“ und „Rassisten und Staat angreifen!“ Wie sich später herausstellte, war der Eritreer von seinem Landsmann Hassan S. (27) im Zuge eines Streits erstochen worden. Gleichwohl nahmen Linksextreme den Fall als Vorwand, um sich eine Woche nach dem massiven Angriff auf den Connewitzer Polizeiposten erneut mit der Staatsmacht anzulegen und Schaden in Höhe von rund 46 500 Euro anzurichten.

 

„Die vermummten Steinewerfer sind immer wieder in dem Aufzug von rund 800 Personen untergetaucht, fanden dort Deckung“, sagte Polizeihauptkommissar Andreas P. (41) vor Gericht. Der Beamte hatte an dem Abend die Einsatzführung inne, sein Dienstfahrzeug wurde zweimal mit einem Hagel von Schottersteinen eingedeckt. Auch Revierpolizistin Ulrike W. (36) geriet unter Beschuss. Sie hatte fast schon Feierabend und wurde dann beauftragt, eine Kreuzung zu sperren, um aufgrund der Demo den Straßenverkehr zu stoppen. „Einige Teilnehmer des Aufzugs nahmen Steine aus dem Gleisbett der Straßenbahn und warfen sie auf unser Fahrzeug“, so die Polizistin.

 

„Es gab mehrerer Treffer gegen Karosserie und Scheiben. Ich war übersät mit Glassplittern.“ Ein ähnliches Horrorszenario erlebten die Angestellten des Friseursalons am Dittrichring. „Der letzte Kunde war gerade gegangen, als Leute mit Sturmmasken angerannt kamen und Pflastersteine durch die Fenster warfen“ erinnerte sich Mitarbeiterin Tanja L. (26). „Ein Kollege, der vorn an der Tür war, hielt sich die Hände schützend über den Kopf und kam nach hinten gerannt. Es war sehr angsteinflößend.“

 

Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt.

 

Von Frank Döring