Neonazis treffen auf kriminelle Rocker-Gang – ein ziemlich explosives Gemisch. Wie nahe sich die radikalen Gruppen zum Teil stehen, war jetzt in Wahlstedt (Kreis Segeberg) zu sehen: Die Bandidos als Gastgeber für ein Rechtsrock-Konzert – die Rocker verbünden sich mit Nazis!
Vergangener Sonnabend, gegen 18 Uhr im 9000-Einwohner-Städtchen Wahlstedt bei Buchholz: Rund 80 Personen, überwiegend Männer in dunkler Kleidung, versammeln sich am Vereinsheim der „Bandidos MC Wahlstedt“. Die meisten der Männer sind kahlgeschoren, Tattoos prangen an ihren Armen. Hier kein ungewohntes Bild. Ihr politischer Hintergrund allerdings schon: Viele der Männer sind in der rechten Szene überregional bekannt. Einige von ihnen stehen „Combat 18“ nahe. Der Name steht für „Kampftruppe Adolf Hitler“ – es ist eine europaweit aktive terroristische Organisation. Andere gehörten dem Netzwerk „Blood & Honour“ an, das im Jahr 2000 verboten wurde.
Doch was haben bekennende Nazis mit den Bandidos zu tun – einem Motorradclub, der von amerikanischen Kriegsveteranen zu Ehren mexikanischer Banditen gegründet wurde? „Nazis bei Rocker-Gruppen – diese Entwicklung ist schon seit einigen Jahren zu beobachten“, sagt Andre Aden von „Recherche-Nord“, einer Gruppe von freien Journalisten, die sich seit mehr als 15 Jahren mit der Szene beschäftigen. „Durch Gerichtsverfahren wurden zuletzt viele rechte Gruppierungen zerschlagen“, erklärt Aden. „Viele Nazis wurden quasi heimatlos, suchten nach neuen klaren Strukturen.“ Die fanden sie bei den Rockern. Wichtige Nazi-Funktionäre schlossen sich zunächst den „Hells Angels“ an, die eher ihrer kruden arischen Vorstellung entsprachen.
Auch Geld spielte bei dem Seitenwechsel eine Rolle: In ihren untereinander wenig vernetzten und häufig verbotenen rechten Zellen ließen sich mit Glück ein paar bedruckte T-Shirts verkaufen – bei den Rockern fließt mächtig Kohle durch Verbindungen ins Rotlichtmilieu, Drogen- und Waffenhandel. Und die Rocker profitieren auch: „Die Gruppen brauchen Rekruten für einen heißen Rocker-Krieg“, so Aden. Noch sei es ruhig, es gebe nur selten Aufruhr. Aber das muss nicht so bleiben ...
„Der Ort des Konzertes ist keine Überraschung“, sagt Aden. Der Grund: Die Bandidos aus der beschaulichen Gemeinde pflegen Kontakte in die Nazi-Szene. Wie intensiv – das wurde am Sonnabend deutlich. Der NPD-Ratsherr Mark Proch, Neonazi-Größe Rene Callesen und zahlreiche Mitglieder anderer Gruppen feierten bei dem Konzert. „Solche Konzerte finden häufig statt. Die Crème de la Crème der Hardliner kommt zusammen, um sich weiter zu vernetzen, Pläne zu schmieden“, sagt Aden – vermutlich keine für den entspannten Sommerurlaub. Trotzdem sah die Polizei, angerückt mit 50 Beamten, keinen Grund für ein Verbot der Veranstaltung. „Wir haben das geprüft“, erklärt Pressesprecher Nico Möller. Ausreichende Gründe habe es aber nicht gegeben. 25 Personen wurden überprüft, darunter seien rechte Szene-Größen gewesen. Ein Messer und ein Baseball-Schläger wurden gefunden. „Das waren aber nur Einzelpersonen“, so Möller.