Der millionenschwere Wahlkampf-Unterstützerverein der AfD scheint nicht so unabhängig von der Partei, wie stets beteuert. Verstößt die Partei gegen das Parteiengesetz?
Von Christian Fuchs, Paul Middelhoff und Fritz Zimmermann
Eigentlich ist Josef Konrad ein einfaches Mitglied der AfD in Bayern. Er hat keine Funktion, kein Mandat, er wurde auf keinem Parteitag gewählt. Doch im Hintergrund ist Josef Konrad zu einer der wichtigsten Figuren im AfD-Kosmos geworden, die Wahlerfolge im vergangenen Jahr hat er überhaupt erst möglich gemacht.
Von Beruf ist Konrad Werbetexter. Mit seiner Agentur Polifakt Medien produzierte er für diverse AfD-Landesverbände interne Zeitschriften und Fraktions-Materialien. Er engagierte sich in der parteiinternen Kampagne zur Abwahl von AfD-Gründer Bernd Lucke und in Bayern entwickelte er Anzeigen für die Partei. In einer Pressemitteilung taucht er daraufhin als Team-Mitglied der Kampagnentruppe AfD inhouse auf. Bis heute wird er als Webmaster bei der AfD in Bayern geführt, inklusive AfD-Emailadresse.
Unter meine-alternative.de verkauft Josef Konrad für Fans der AfD Merchandise-Artikel wie Tassen, Anstecknadeln und Luftballons mit dem Parteilogo. Mitglieder können hier auch direkt Kandidaten-Videos, Infostände im AfD-Design und Wahlplakate ordern. Konrad ist für die Außenwirkung der Partei von zentraler Bedeutung. Im Verborgenen hat er außerdem dafür gesorgt, dass die AfD im Wahlkampf mit Millionen-Spenden unterstützt wird.
Verdeckte Wahlwerbung?
Denn neben all den Jobs, die Konrad für die Partei erledigte, entwickelte Konrad im vergangenen Jahr in seiner Freizeit die Idee eines AfD-Unterstützerkollektivs: die Vereinigung zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten. Ziel der Aktion war damals, mithilfe von Spendengeldern Werbung für die Partei zu machen. Ohne dass potenzielle Gönner ihr Engagement öffentlich machen müssten. Kritiker wie der Verein LobbyControl werfen der Vereinigung darum "verdeckte Wahlwerbung" vor.
Einige Monate war Konrad offizieller Ansprechpartner der Unterstützer-Vereinigung, er registrierte die zugehörige Webseite und stand im Impressum. Die Idee hatte Erfolg: Mit den eingenommenen Spenden ließ die Organisation in den letzten sieben Landtagswahlkämpfen Großplakate drucken, produzierte die Wahlkampf-Postille Extrablatt und inserierte in Zeitungen. Bei Google schaltete der Verein Anzeigen und programmierte darüber hinaus das Online-Spiel Wahlometer. Allein die Druck- und Vertriebskosten des Werbematerials belaufen sich bislang auf eine zweistellige Millionensumme. Ein riesiges Geschenk für die AfD. Doch ist eine solche Art der Wahlkampfhilfe überhaupt legal?
Noch von Parteienrecht gedeckt?
Den Stuttgarter Nachrichten sagte Konrad im März 2016, seine Aktivitäten seien "in keinster Weise mit der AfD abgesprochen". Auch die Partei beteuerte immer wieder, weder den Verein noch dessen Personal zu kennen. Nur diese offizielle Abgrenzung macht die Arbeit des Vereins überhaupt möglich. Denn bestünden detaillierte Absprachen, würden die Plakate und Flyer gemäß des Parteiengesetzes als verdeckte Spende gelten. Entsprechend könnte die AfD zu hohen Strafzahlungen verurteilt werden.
Der ZEIT und ZEIT ONLINE liegen nun jedoch interne Dokumente der AfD vor, die Zweifel an der Unabhängigkeit des Unterstützervereins aufkommen lassen. Unter anderem aus E-Mails geht hervor, dass Josef Konrad Anfang 2016 als Wahlkämpfer für die AfD in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz aktiv war, gleichzeitig aber die millionenschwere Unterstützerinitiative gründete. Handelt es sich dabei um eben jene enge Kooperation zwischen Gönnerverein und Empfängerpartei, die das Parteienrecht doch eigentlich verbietet?
Nicht verboten, aber doch sehr verdächtig
Am 8. Februar 2016 schickte der Sprecher der AfD in Mecklenburg-Vorpommern eine Mail an die "lieben Mitglieder und Förderer". Darin berichtet er, dass Josef Konrad bei einer Sitzung des AfD-Landesvorstands zu Gast gewesen sei und sich bereit erklärt hätte, im Auftrag der Partei ein Grafikkonzept für den anstehenden Wahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern zu entwerfen. Bei dem Besuch, so der Sprecher, habe Konrad auch über seine Erfahrungen in den aktuellen Wahlkämpfen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz berichten können, "in denen er bereits tätig ist".
Zu diesem Zeitpunkt war Konrads AfD-Unterstützervereinigung jedoch öffentlich noch gar nicht in Erscheinung getreten. Erst etwa einen Monat später ließ Recht und Freiheit zum ersten Mal Hunderte Großplakate in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz aufhängen, mehr als 3,5 Millionen Exemplare des Extrablatts landeten in den Briefkästen der Wähler. Die Presse berichtete Anfang März erstmals über die geheimnisvolle Initiative. Von wem, wenn nicht von Konrad selbst, sollen die Verantwortlichen in Mecklenburg-Vorpommern über sein Engagement im Wahlkampf erfahren haben?
AfD distanziert sich von Wahlkämpfer Konrad
Die Mail aus Mecklenburg-Vorpommern ist vor allem für den zweiten AfD-Landessprecher und heutigen Fraktionsvorsitzenden im Schweriner Landtag, Leif-Erik Holm, peinlich. Denn auch während des Landtagswahlkampfes in Mecklenburg-Vorpommern wenige Monate später trat die Unterstützervereinigung auf, verteilte knapp 800.000 Exemplare des Extrablatts und klebte AfD-Poster. Darauf angesprochen sagte Holm der FAS damals, dass die Plakate ihn überrascht hätten und es vorher natürlich keinerlei Absprachen mit ihm darüber gegeben hätte. Im Gespräch mit ZEIT ONLINE sagt Holm, er habe nicht gewusst, ob Konrad den Verein leite. Doch scheint es schwer vorstellbar, dass die beiden bei ihrem Treffen kein einziges Mal über die Aktionen der "unabhängigen" Wahlkampf-Vereinigung gesprochen haben, standen sie doch unmittelbar bevor.
Sowohl die AfD in Stuttgart als auch in Mainz verneinen Konrads Einsatz als offizieller Wahlkämpfer auf Anfrage. Auch Josef Konrad sagt, angesprochen auf ein Engagement für die AfD: "Ich war in die Wahlkampf-Planung nicht eingebunden."
Konrad erhält E-Mails einer kleinen, hochrangig besetzten AfD-Gruppe
In weiteren Mails aus dem Oktober und November 2015 taucht Josef Konrad als Empfänger in einem kleinen Verteiler von elf Personen auf. Die interne AfD-Gruppe nennt sich Kampagnenteam für eine sogenannte Herbstoffensive. AfD-Stände in ganz Deutschland sind genauso geplant wie eine große Abschlusskundgebung in Berlin. Alle Empfänger bekommen die E-Mail an ihre AfD-Adresse geschickt – alle außer Konrad. Zu den eingeweihten Strategen gehört neben dem Pressesprecher der AfD und der Sprecherin des Europaparlamentariers Markus Pretzell: die Parteivorsitzende Frauke Petry. In den Mails, in denen unter anderem eine Telefonkonferenz des Kampagnenteams vorbereitet wird, zeigt sich eine erstaunliche Nähe des vermeintlich unabhängigen Werbers Konrad und der AfD-Parteispitze. Und das, obwohl Konrad und die Partei in dieser Zeit immer wieder bestreiten, eng miteinander zu kooperieren.
Doch ist diese Art der Zusammenarbeit illegal?
Offenbar nicht, meint Sophie Schönberger, Professorin für Staatsrecht an der Uni Konstanz: "Eine verdeckte Parteispende läge nur dann vor, wenn die AfD in irgendeiner Weise in die Aktivitäten des Vereins im Wahlkampf eingebunden gewesen wäre", sagt Sophie Schönberger. Dafür liefern jedoch auch die internen Mails keinen zwingenden Beweis. Verdächtig ist jedoch der Verweis des AfD-Manns Holm, dass Konrad im Kreis der Partei "aus seinen aktuellen Erfahrungen in den Wahlkämpfen" berichtet habe. Aus dieser Formulierung lässt sich möglicherweise der Verdacht einer illegalen Kooperation ableiten.
Gesetz lässt Arbeit des Vereins zu
Die Arbeit des Vereins zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten wird möglich, weil das Gesetz sie zulässt. Dass die AfD darauf beharrt, nichts mit dem Verein zu tun zu haben, ist der Versuch, diese rechtliche Grauzone auszunutzen. Die Bundestagsverwaltung, die den Vorgang bereits geprüft hat, sieht darin kein Problem: "Die AfD ist wiederholt angeschrieben worden und bestreitet konsequent jegliche Beteiligung (…) an der (…) Unterstützungskampagne des Vereins." Für eine echte Ermittlung fehle der Aufsichtsbehörde die rechtliche Befugnis.
Die internen AfD-Unterlagen belegen jedoch eine offensichtliche Kooperation zwischen Konrad und der AfD. Doch Konrad, Petry und den anderen gelingt es bislang, die vorgegebenen Richtlinien zwar zu dehnen, jedoch nicht zu brechen. Aus Sicht von Ulrich Müller von LobbyControl geben die neuen Informationen dem Fall aber eine neue Dimension. Die Bundestagsverwaltung müsse nun klären, was die Landesverbände der AfD und der Bundesvorstand wirklich über die Wahlwerbung wussten und wie sie eingebunden waren.
In den vergangenen Wochen hat die AfD den Einzug in die Landtage von Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein geschafft: mit 5,9 und 7,4 Prozent – Ergebnisse knapp oberhalb der Fünfprozenthürde. Die Partei erhält fortan Steuergeld, mit dem sie ihre Strukturen weiter festigen kann. Fraglich, ob sie das ohne die millionenschwere Anschubfinanzierung des Vereines Recht und Freiheit erreicht hätte.