Die Flucht von Horst Mahler nach Ungarn endet in der Abschiebehaft. Sein Asylgesuch zeugt von der Popularität des Landes bei Europas Neonazis.
Von Thomas Roser, SZ-Korrespondent in Belgrad
Zumindest der Aufenthalt in Ungarns berüchtigten Container-Camps ist dem verhinderten Asylbewerber erspart geblieben. Vergeblich hatte der notorische Holocaust-Leugner Horst Mahler an Ministerpräsident Viktor Orban als „den Führer der ungarischen Nation“ appelliert, ihm als „politisch Verfolgtem“ Asyl zu gewähren. Statt in einem der geschlossenen Internierungslager für Asylbewerber endete die Flucht des 81-Jährigen in die erhoffte Freiheit nach seiner Verhaftung in Sopron zu Wochenbeginn in ungarischer Abschiebehaft. Doch sein vergebliches Asylgesuch zeugt von der wachsenden Popularität des Puszta-Staats bei Europas Neonazis: Sie preisen das Land als Hort der Zivilisation und sicheren Hafen für Gefolgsleute.
Ob bei gemeinsamen Aufmärschen in SS- und Wehrmachtsuniformen, Gedenkveranstaltungen oder Wehrsportübungen: Vor allem Neonazi-Gruppierungen aus dem süd- und ostdeutschen Raum pflegen zu ungarischen Rechtsextremisten im weiteren Dunstkreis der Jobbik-Partei enge Freundschaftsbande. Ungarn gehöre „längst zum beliebtesten Reiseziel bayrischer Neonazis“, konstatierte unlängst ein Bericht des Bayrischen Rundfunks.
Doch es ist nicht nur Ungarns blühende Neonazi-Szene, sondern auch das nationalistische Klima in dem seit sieben Jahren von der rechtspopulistischen Fidesz-Partei regierten Land, das völkisch beseelte Rechtsextremisten aus ganz Europa sich auch dauerhaft im Donaustaat ansiedeln lässt. Es gebe in Budapest eine kleine, aber sehr rasch wachsende Gemeinschaft von westeuropäischen Nationalisten, berichtete kürzlich der britische Rechtsextremist Nick Griffin, der selbst seinen baldigen Umzug an die Donau plant. Ungarn werde für Menschen, „die keinen zivilisatorischen Selbstmord“ begehen wollten, zur „Attraktion“: Nicht nur Ungarns „politische Szene“, sondern auch die relativ geringen Lebenskosten und gute strategische Lange Budapests ziehe Nationalisten aus ganz Europa an.
Außer britischen Rechtsextremisten wie dem „Britain First“-Mitbegründer Jim Dawson sind es auch bekannte Größen der schwedischen Neonazi-Szene, die vermehrt von Ungarn aus operieren. Laut Recherchen des britischen Searchlight-Magazins, das sich schon seit über 40 Jahren mit der europäischen Nazi-Szene beschäftigt, hat der rechtsextreme Verlag Arktos Media schon 2015 seinen Sitz von Stockholm nach Budapest verlagert. Wie dessen Mitbegründer Daniel Friberg habe sich auch der rechtsextreme Millionär Patrik Brinkmann in Ungarn niedergelassen: Mit seiner „Kontinent-Europa-Stiftung“ unterhalte er enge Kontakte zur deutschen NPD, aber auch zu spanischen und italienischen Neo-Faschisten.
Hilfe für „wahre“ Flüchtlinge
An den neuen Nazi-Nachbarn scheint sich Ungarns sonst so auf Abgrenzung gegenüber den Zuwanderern bedachte Regierung kaum zu stören, im Gegenteil. „Die wahren Flüchtlinge werden wir natürlich aufnehmen“, hatte Regierungschef Orban im Februar in seiner Rede zur „Lage der Nation“ versichert. Er meinte offenbar Politiker und Journalisten aus Deutschland, Frankreich oder Italien, die gezwungen seien, ihre Heimat zu verlassen und „ihr zu Hause verlorenes Europa bei uns finden wollen“. Orbans großzügige Einladung hatte Mahler offenbar zu ernst genommen: Nach der erwarteten Abschiebung hat er in Deutschland seine restliche Haftstrafe wegen Volksverhetzung und Holocaust-Leugnung zu verbüßen.