Arnsdorf bleibt zerrissen

Erstveröffentlicht: 
16.05.2017

Nach dem eingestellten Verfahren gegen vier Arnsdorfer bleibt die Frage: Hat das zur Beruhigung der Lage beigetragen? Von Nadine Steinmann

 

Arnsdorf. Vielleicht könne dieser Tag den Frieden in Arnsdorf wiederherstellen. Mit diesem Satz stellte Richter Eckhard Laschewski vor drei Wochen das Verfahren am Kamenzer Amtsgericht gegen die vier Männer aus Arnsdorf ein, die im Mai 2016 einen jungen Iraker aus einem Einkaufsmarkt zerrten und ihn mit Kabelbindern an einen Baum fesselten. Der Fall hatte deutschlandweit eine Debatte darüber entfacht, ob es sich um Selbstjustiz oder Zivilcourage handelte. Die Staatsanwaltschaft Görlitz tendierte offenbar zur Selbstjustiz und klagte die vier Männer deshalb wegen Freiheitsberaubung an. Der verhandelnde Richter teilte diese Meinung nicht, das Ergebnis ist bekannt. 

 

Der Riss wird größer


Doch was ist aus dem angesprochenen Dorffrieden in der Gemeinde geworden? Schon die Sitzung des Arnsdorfer Gemeinderates noch am selben Abend nach der Einstellung des Verfahrens lässt da einige Zweifel aufkommen. Frieden ist hier definitiv nicht zu spüren gewesen. Stattdessen scheint der Spalt, der sich in den vergangenen Monaten durch die Gemeinde gezogen hat, nur noch vergrößert zu haben. Denn an diesem Abend sitzen auch einige Mitglieder des lokalen Motorradclubs Road Eagles, zu denen auch der Angeklagte Bernd Götz gehört, in den Zuschauerreihen des Gemeinderates. Dass sich die Biker nicht für die Themen interessieren, die auf der Tagesordnung der ehrenamtlichen Politiker stehen, wird schnell deutlich. Sie sind offenbar da, um einen Sieg zu feiern. Denn die Einstellung des Verfahrens beweist in ihren Augen, dass die vier Männer richtig gehandelt haben. Dass sie Zivilcourage bewiesen haben. Dabei gab es nie einen Freispruch, denn zu einem Prozess ist es nach der überraschenden Einstellung des Verfahrens am Amtsgericht in Kamenz ja nicht gekommen. 

 

Rücktritt der Bürgermeisterin gefordert


 

Die Männer aus dem Motorradclub sitzen nun freudig im Gemeinderat und fordern Arnsdorfs Bürgermeisterin Martina Angermann lautstark auf, sich zu entschuldigen. Und zwar bei allen vier Angeklagten. Zusätzlich fordern Sebastian Rätke sowie Felix Leutloff, die zu den Angeklagten zählten, das Gemeindeoberhaupt auf, von ihrem Posten als Bürgermeisterin zurückzutreten. Auch die beiden Zwillingsbrüder, Sven und Kay Scheidemantel, die im Gemeinderat für die Fraktion Buntes Arnsdorf sitzen, werden verbal angegriffen und zum Rücktritt aufgefordert.

 

Die beiden positionierten sich bekanntlich bis zum Schluss eindeutig gegen das rabiate Vorgehen der vier Arnsdorfer gegen den jungen Iraker. „Für mich herrschte an diesem Abend im Gemeinderat ganz klar eine Bedrohungslage“, schilderte Sven Scheidemantel die Situation später noch einmal gegenüber der SZ. Er sei ehrenamtlicher Kommunalpolitiker. Dass er um Leib und Leben fürchten muss, sei nicht in Ordnung. Denn Sätze wie „wir wissen, wo ihr seid“ lassen nicht viel Interpretationsspielraum, findet er. „So macht die Arbeit jedenfalls keinen Spaß mehr“, bringt Sven Scheidemantel seine Sicht auf den Punkt. Sowohl er als auch sein Bruder und auch Bürgermeisterin Martina Angermann haben das Recht, ihre Meinung frei zu äußern, stellt er unmissverständlich klar: „Auch, wenn sie nicht in die Ansichten der Road Eagles passt.“ 

 

Fall ist noch nicht abgeschlossen


Und auch heute, drei Wochen später, scheint der von Richter Laschewski angesprochene Dorffrieden in Arnsdorf noch nicht eingezogen zu sein. Wie auch? Ständig tauchen neue Meldungen auf. Über Bedrohungen gegen Zeugen oder den Staatsanwalt. Zuletzt wurde die Wohnung eines Tatverdächtigen durch die Polizei durchsucht. Der Fall Arnsdorf ist also noch längst nicht abgeschlossen. Und solange wird wohl auch der Spalt in der Gemeinde nicht verheilen und zuwachsen.

 

Sven Scheidemantel vermeidet im Moment Spaziergänge durch das Dorf, geht hier auch nicht mehr einkaufen, sagt er. „Ich meide ein Stück weit meine Heimat.“ Von Frieden in der Gemeinde kann da wohl kaum die Rede sein.