„Identitäre“ mobilisieren zum 17. Juni nach Berlin

Erstveröffentlicht: 
11.05.2017

Die extrem rechte „Identitäre Bewegung“ (IB) will am 17. Juni erneut in Berlin aufmarschieren. Seit Mitte April bewirbt die Gruppe ihre Veranstaltung auch außerhalb Deutschlands, zu der hunderte Anhänger der vom Verfassungsschutz beobachteten Organisation erwartet werden. Nach derzeitiger Planung soll die Route u.a. über den Potsdamer Platz und die Leipziger Straße bis zum Gendarmenmarkt führen.

 

Bereits im vergangenen Jahr waren zu dem Datum anlässlich des Aufstands in der DDR am 17. Juni 1953 rund 100 „Identitäre“, darunter auch mehrere Berliner AfD-Politiker, durch Berlin-Mitte gezogen. Hunderte Gegendemonstranten sorgten dafür, das der Aufzug vorzeitig abgebrochen werden musste. Zum damaligen Demo-Flop, neben der Blockade kam auch gerade einmal ein Viertel der erwarteten Teilnehmer, war eigens der Anführer der deutschsprachigen „Identitären“ Martin Sellner aus Österreich angereist.

 

Die „Identitäre Bewegung“ ist ein vergleichsweise junges Phänomen der Neuen Rechten mit Ursprung in Frankreich. Sie gibt sich in ihrer Außendarstellung gerne größer, als sie real ist. In Wirklichkeit handelt sich um ein kleines Grüppchen aus Aktivisten, zum Teil mit extrem rechter Vergangenheit, die quer durchs Land reist, um sich als aufsteigende Jugendbewegung zu inszenieren. Nach Recherchen von ZEIT ONLINE besteht die „Bewegung“ bundesweit lediglich aus knapp hundert Protagonisten.

 

Wichtiger als die realen Mitgliederanzahl ist den „Identitären“, die sich hauptsächlich aus (ex-)Neonazis und Burschenschaftlern rekrutiert, die Selbstdarstellung im virtuellen Raum. Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) aus Berlin beschreibt die Strategie der „Identitären“ wie folgt: „Zentral ist bei der Gruppierung die Selbstinszenierung durch unangekündigte Aktionen und öffentlichkeitswirksame Provokationen. Die virtuelle Nachbereitung durch Videos und Fotos auf ihren Internetseiten und in sozialen Netzwerken ist dabei mindestens genauso wichtig, wie die Aktion selbst.“

 

Anmelder für den 17. Juni ist der Berliner „Identitären“-Chef Robert Timm. Der Cottbusser Architekturstudent wird seit Monaten als regionales Aushängeschild aufgebaut, war beteiligt an der Besetzung des Brandenburger Tores und der als #ibsterblockade zur Lachnummer verkommenen „Blockade“ der CDU-Zentrale im Dezember letzten Jahres. Zuletzt fiel Timm Anfang Mai bei einem Fußballspiel in Potsdam auf: Zusammen mit dem Brandenburger AfD-Nachwuchsfunktionär Jean Pascal Hohm stand er in einer Gruppe rechter Fußballfans des „FC Energie Cottbus“, aus dem heraus mehrfach der Hitlergruß gezeigt und Parolen wie „Arbeit macht frei, Babelsberg 03“ oder „Zecken, Zigeuner und Juden“ gerufen wurden.

 

Es ist nicht die einzige Verbindung zwischen „Identitärer Bewegung“ und der AfD, die sich zwar immer wieder von der Gruppierung distanziert, aber ungeachtet dessen regelmäßig mit der IB zusammen agiert, wie z.B. in Berlin. Erst Anfang des Monats veranstaltete die Berliner „Junge Alternative“ (JA), die Jugendorganisation der AfD ein sogenanntes „Angrillen“ auf dem Gelände der extrem rechten „Berliner Burschenschaft Gothia“ in Steglitz-Zehlendorf. Auf einem (mittlerweile gelöschten) Gruppenfoto der rund 30 Teilnehmer posieren neben mehreren Berliner Abgeordnetenhausmitgliedern der AfD wie Hans-Joachim Berg , Thorsten Weiss, Marc Vallendar und Herbert Mohr auch mehrere Aktive der „Identitären“.

 

Identitätre Bewegung und AfD-Abgeordnete in Trauter Eintracht. Von wegen Abgrenzungsbeschluss pic.twitter.com/h6oN0x5gyV

— Seb Schlüsselburg (@schluesselburg) May 10, 2017

 

 

Dabei sind nicht nur Berliner Mitglieder um ihren Chef Robert Timm (roter Kreis) zu sehen, sondern auch Auswärtige wie Jenny S. und Oliver S. von der „Identitären Bewegung Harz“. Oliver S. war in der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ organisiert und noch 2015 bei Neonazi-Aufmärschen unterwegs. Die ebenfalls anwesenden JA-Vorstandsmitglieder Joel Bußmann und The-Hao Ha beteiligten sich auch schon im letzten Jahr am Aufmarsch der „Identitären“.

 

Insofern dürfte für den Aufmarsch Mitte Juni erneut nicht nur mit Anhängern der IB, sondern auch mit ihren Bündnispartnern aus der AfD gerechnet werden. Ebenso mit den Gegenprotesten, die laut „Berlin gegen Nazis“ bereits in Planung sind.