Google will in Berlin-Kreuzberg einen eigenen Campus errichten. In der Nachbarschaft fürchtet man deshalb Mietsteigerungen. Nun sieht es so aus, als ob die Bezirksverwaltung den Internetkonzern ausbremsen könnte.
»Keine Baugenehmigung für Google-Campus: Friedrichshain-Kreuzberg verweigert Zustimmung« – die Meldung, die das Neue Deutschland Ende April brachte, hatte es in sich. Mittlerweile berichten Medien aus dem In- und Ausland, dass der Bauantrag des Internetkonzerns für den Umbau eines ehemaligen Umspannwerks in der vorliegenden Form abgelehnt wurde. Es gebe Unstimmigkeiten »beim Immissionsschutz und der geplanten baulichen Dichte«, so das ND. Konkret befürchtet das zuständige Bezirksamt eine zu große Lärmbelästigung der Nachbarschaft durch Veranstaltungen. Durch das geplante Einziehen einer zusätzlichen Etage in den historischen Bau werde zudem die für die Gegend festgelegte Geschossflächenzahl überschritten. Auch werde der Denkmalschutz nicht genügend beachtet.
Von einer generellen Ablehnung der Baumaßnahmen möchte der neue Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Florian Schmidt (Grüne), nicht sprechen. Der Jungle World sagte er: »Es gab eine ablehnende Stellungnahme aus einem Fachbereich. Nun wurden neue Unterlagen eingereicht, die geprüft werden müssen.« Auch Google versuchte in ersten Statements, die Angelegenheit herunterzuspielen. Doch wenn es nur um einen eigentlich harmlosen Verwaltungsvorgang geht, warum dann die Aufregung?
Mit der Errichtung einer Zweigstelle des zweitwertvollsten Konzerns der Welt in einem Wohngebiet, in dem es zuletzt die höchsten Mietsteigerungen in Berlin gab, bekommt die Angst vor Gentrifizierung einen Namen. Dass diese Angst berechtigt ist, zeigt ein Blick ins kalifornische Silicon Valley und ins nahegelegene San Francisco. Dort haben nach Angaben des Guardian sogar hochbezahlte Spezialisten mit einem Jahresgehalt zwischen 100 000 und 700 000 Dollar Probleme, eine Wohnung zu finden. Viele müssen die Hälfte ihres Einkommens oder noch mehr für Miete ausgeben.
Nun versucht Google mit einem Interview in der Taz zu beruhigen. Google-Sprecher Ralf Bremer verweist darauf, dass lediglich maximal zehn Google-Mitarbeiter direkt in Kreuzberg arbeiten würden. »Die Sorge, dass es in Kreuzberg zu einem größeren Zuzug kommt«, sei also völlig unbegründet. Vielmehr gehe es um die »Förderung des lokalen Start-up-Ökosystems«. Dass aber genau dieses »Ökosystem« im Kiez bereits dafür gesorgt hat, dass der kleine Schlüsselladen an der Ecke und der Schreibwarenladen verschwunden sind, ist mehr als ein kleiner Schönheitsfehler dieser Argumentation.
Die Befürchtung von Anwohnern, dass mit dem Zuzug von Google der Kiez um die Reichenberger Straße noch teurer würde, teilt auch Baustadtrat Schmidt. »Ich gehe davon aus, dass der Einzug von sehr zahlungskräftigen globalen Konzernen den Aufwertungsprozess und damit die Gentrifizierung verstärkt.« Es würden höhere Gewerbemieten gezahlt, was auch den Druck auf die Mieten umliegender Gewerberäume verstärke. Ein weiterer Grund sei, dass »mehr Gastronomie und Shopping nachgefragt wird, womit Nahversorger verdrängt werden«. Schmidt will sich für einen Dialog zwischen Google und kritischen Initiativen einsetzen.
Die heftigsten Kritiker des Google-Einzugs sitzen im selben Häuserblock wie das ehemalige Umspannwerk. An jedem zweiten Sonntag findet im »Kalabalik« das »Anti-Google-Café« statt. Das »Kalabalik« ist eine anarchistische Begegnungsstätte. Hier bekennt man sich zum aufständischen Anarchismus, der jede Form von Autorität und allem, was nach Staat riecht, ablehnt. Nun verlangsamt aber gerade dieser in Gestalt des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg den von Google forcierten Umbau des alten Umspannwerks. Dass es auf Berliner Baustellen, erst recht, wenn Berliner Behörden dort mitmischen, länger dauern kann, weiß jeder, der die drei Buchstaben BER schon mal gelesen hat.