Pannen bei Ermittlungen zu rechtem Angriff in der Neustadt: Namen verwechselt und ein falscher Täter angeklagt. Von Alexander Schneider
Dresden. Der Prozess um einen Angriff von bis zu acht Rechtsradikalen auf eine Gruppe junger Leute in der Neustadt ist mit massiver Kritik an den polizeilichen Ermittlungen zu Ende gegangen. Markus Vogel, Jugendrichter am Amtsgericht Dresden, sprach von „schlampiger Arbeit“.
Wegen Namensverwechslungen hatte die Staatsanwaltschaft nicht den Rädelsführer angeklagt, sondern einen anderen Beteiligten. Zeugen waren keine Fotos von Verdächtigen gezeigt worden. Wechselnde Ermittler im Revier Nord trugen ihr Übriges zu dieser Panne bei. Es war nicht die einzige. Manche Zeugen wurden erst ein halbes Jahr nach der Tat vernommen. Auch der Polizeieinsatz wurde von Geschädigten kritisiert, denn die Beamten sollen das rechtsextreme Motiv der Angreifer schlicht ignoriert haben. Doch der Reihe nach.
Am 3. September 2015 wurde eine Gruppe junger Leute von Rechtsradikalen provoziert und angegriffen. Sie flüchteten ins „Hebedas“ in der Rothenburger Straße und riefen die Polizei. Die Beamten stellten gegen 2 Uhr vor der Kneipe die Personalien einiger Störer fest und zogen wieder ab. Als die Studenten um 3 Uhr das „Hebedas“ verließen, wurden sie von den Rechten attackiert. Flaschen flogen. Eine 21-Jährige wurde von einer Frau niedergeschlagen, an den Haaren auf die andere Straßenseite gezerrt, ehe sie dort den Kopf der Frau mehrfach auf den Boden schlug. Als ein Freund der Studentin zur Hilfe kam, wurde er von einem anderen Täter niedergeschlagen.
Im April – 20 Monate nach der Tat – begann der Prozess gegen die 19-jährige Schlägerin und einen Beteiligten (30). Zeugen hatten einen anderen beschrieben: groß, blond, am Hals tätowiert. Der Angeklagte war eher klein, ohne Tattoos und nur im weitesten Sinne blond. Da Fotos von Tätern weder bei der Polizei noch bei der Staatsanwaltschaft abgeglichen worden waren, landete der Falsche vor Gericht.
Schon zum Prozessauftakt war Richter Vogel irritiert, weil zwei Streifenbeamte sich trotz Vorbereitung nicht mehr an den Einsatz erinnerten – obwohl beide in jener Nacht zweimal vor das „Hebedas“ gerufen worden waren.
Tatmotiv wurde ignoriert
Bemerkenswert detailliert dagegen war die Aussage der 21-Jährigen. Sie berichtete klar, wie es zu der Konfrontation gekommen war, dass sie von den Rechten immer wieder angegangen worden seien, dass sie Nazi-Parolen grölten, Syrer als Schmarotzer darstellten und dergleichen. Von der Polizei hätte sie sich mehr Hilfe erwartet, Platzverweise vielleicht – doch die Beamten hätten es sich nicht ausreden lassen, dass sie es dort mit einer üblichen Aggression von Betrunkenen zu tun hatten. Und so sahen dann auch die Ermittlungen aus.
Betrunken waren die Täter wohl, das sagte auch die Angeklagte, die nur „einige Schläge“ zugab. „Beschönigend“, nannte Richter Vogel ihre Aussage. Möglicherweise habe sie sich selbst die Sache als nicht so schlimm eingeredet. Aber: „Das war schlimm!“, so Vogel. Die Angeklagte sei völlig ausgerastet. „Das war ein Überfall.“ Es könne nicht sein, mit Gewalt auf andere Meinungen zu reagieren: „Das werden wir nicht dulden.“ Vogel betonte, es sei eben keine „normale Körperverletzung“ gewesen, sondern ein ganz übler Fall. Die Angeklagte könne froh sein, dass jemand eingeschritten sei. Wer weiß, was passiert wäre, wenn nicht. Allerdings sprach der Richter auch von einem „einmaligen Versagen“ der Angeklagten. Er verurteilte sie nach Jugendstrafrecht, 400 Euro Schmerzensgeld an das Opfer zu zahlen. Ein mildes Urteil. Das Verfahren gegen den Mitangeklagten wurde gegen die Auflage, 40 Sozialstunden zu leisten, eingestellt. Er hatte zugegeben, einem eine Ohrfeige gegeben zu haben.
Der Vater der Studentin sagte, er könne mit diesem Urteil gut leben. Zwischenzeitlich habe er jedoch den Glauben daran verloren, dass es einen Prozess geben würde. Für seine Tochter sei am Schlimmsten gewesen, dass sie in jener Nacht Schutz gesucht – aber nicht bekommen habe.