Rund 40 rechtsextreme Musikveranstaltungen gab es bereits seit Jahresanfang bundesweit. Damit steigt ihre Zahl weiter. Das ist auch wegen der hohen Geldsummen, die dort gesammelt werden, ein Problem.
Aus ganz Deutschland kamen sie: rund 500 Neonazis, Holocaust-Leugner und NPD-Anhänger. Zum siebten „Eichsfeldtag“ am 6. Mai, einem seit 2011 in der thüringischen Kleinstadt Eichsfeld stattfindenden rechtsextremen Festival mit Kinderhüpfburg und Bratwurststand. Es gab Redebeiträge, nicht nur von NPD-Kadern, sondern auch von Vertretern der Europäischen Aktion (EA), einem Netzwerk von Holocaust-Leugnern. Anschließend traten mehrere Rechtsrockbands auf: Nahkampf, Randgruppe Deutsch, Amok, Die Lunikoff Verschwörung.
Rechte Musikveranstaltungen wie der „Eichsfeldtag“ erleben in Deutschland eine Renaissance. Bereits in den Jahren 2015 und 2016 zählten Sicherheitsbehörden so viele braune Konzerte, Liederabende und Parteiveranstaltungen mit Musikeinlagen wie seit Jahren nicht mehr. DIE WELT hatte mehrfach über den Anstieg derartiger Events berichtet.
Im Jahr 2017 scheint sich der Trend nun fortzusetzen. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke (Linke) hervor, die der WELT exklusiv vorliegt. Demnach fanden im ersten Quartal 2017 bereits bundesweit mindestens 39 rechtsextreme Musikveranstaltungen statt. Die Sicherheitsbehörden zählten 15 Konzerte und 24 Balladen- und Liederabende.
Außerdem gab es wohl mindestens 18 weitere Veranstaltungen mit rechtsextremen Musikbeiträgen – eine Kategorie, die von der Linke-Bundestagsfraktion nun erstmals abgefragt wurde. Registriert wurden dabei Parteiveranstaltungen, Demonstrationen und Kundgebungen mit Auftritten von rechten Bands oder Liedermachern.
Die Zahlen sind vorläufig und können sich durch Nachmeldungen noch erhöhen. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum 2016 ist bereits jetzt ein leichter Anstieg zu verzeichnen. Damals hatten die Behörden 15 Konzerte und 20 Liederabende erfasst.
„Die Zahl der Nazi-Konzerte bleibt auf hohem Niveau, womit die Einstiegsdroge in die rechte Szene nach wie vor ein zentrales Problem ist“, sagt Linke-Politikerin Jelpke. Regelmäßig komme es bei rechten Musikveranstaltungen zu Volksverhetzung, Rassismus und Aufrufen zur Gewalt. Die Musikszene der Nazis sei einer der organisatorischen Kerne der Szene, so Jelpke. „Schon das NSU-Kerntrio wurde vor allem von hier unterstützt.“
Viel Geld für rechtsextreme Projekte
Im vergangenen Jahr fanden nach Angaben der Bundesregierung mindestens 205 rechtsextreme Musikveranstaltungen in Deutschland statt, darunter 78 Konzerte, 110 Liederabende und 17 Parteiveranstaltungen. Hinzu könnten noch einige Nachmeldungen von Konzerten kommen, die erst im Nachhinein bekannt wurden. Es ist der höchste Stand seit zehn Jahren.
Schwerpunktregionen der rechten Musik in Deutschland sind nach Zahlenauswertung der WELT wohl die Bundesländer Thüringen und Sachsen, wobei rechte Liedermacher und Balladensänger auch immer häufiger in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen auftreten.
Verfassungsschutzbehörden gehen davon aus, dass durch die rechtsextremen Musikevents nicht nur der Zusammenhalt innerhalb der Szene gestärkt werden soll. Durch die Konzerte, die oftmals als Solidaritätsveranstaltungen gekennzeichnet werden, kommen wohl regelmäßig auch hohe Geldbeträge zusammen, die wiederum in die Szene fließen.
Im Oktober 2016 organisierten deutsche Neonazis im schweizerischen Unterwasser eines der größten Rechtsrockkonzerte der vergangenen Jahre mit rund 5000 Besuchern aus mehreren europäischen Ländern.