Seit über 20 Jahren fordert sie eine würdige Gedenkstätte für ihren von der SS ermordeten Vater. Jetzt wurde Christine Pazderka wegen Sachbeschädigung einvernommen.
Am 7. April 1945 wurden in Hadersdorf am Kamp 61 politische Gefangene brutal ermordet. Die Widerstandskämpfer waren zuvor wegen Lebensmittelknappheit aus dem damaligen Zuchthaus Stein entlassen worden und befanden sich unter anderem auf dem Weg nach Wien, als sie in Hadersdorf von der SS festgehalten und erschossen wurden. Zuvor wurden die Männer gezwungen, ihr eigenes Massengrab auszuheben.
Einer von ihnen war Christine Pazderkas Vater. 1995, 50 Jahre nach dem Massaker von Hadersdorf, besucht sie erstmals den Friedhof, auf dem er sein Leben verlor. Eine Gedenktafel, die an die Toten erinnert, sucht sie vergeblich. Noch im selben Jahr richtet sie sich in einem Schreiben an den damaligen Bürgermeister von Hadersdorf, mit dem Ersuchen, eine solche Gedenkstätte zu errichten.
Zwei Jahre später lässt die Gemeinde ohne Vorankündigung eine überschaubare Tafel an der Friedhofswand montieren. Auf ihr steht wenig aussagekräftig geschrieben: "Zum Gedenken an die Opfer des Massakers vom 7. April 1945 – Mögen Sie in Frieden ruhen!" Eine vom Pfarrer angesetzte Gedenkveranstaltung muss damaligen Aussagen zufolge aufgrund "massiver Widerstände" abgesagt werden – Hadersdorf wird zum medialen Paradebeispiel für österreichische Vergessenskultur. Die Presse spricht vom "Mantel des Schweigens über Hadersdorf".
Es sollte ganze weitere 12 Jahre dauern, bis 2009 schließlich eine Gedenktafel am Friedhof errichtet wird – und noch während der Einsegnung für einen Eklat sorgt. Nicht nur der abgelegene Standort am Friedhof stößt auf Unzufriedenheit, auch der auf der Tafel zu lesende Text, der von Christine Pazderkas Sohn stammt, wurde ungefragt verändert – statt von "politischen Gefangenen" ist nun lediglich von "Gefangenen" die Rede. Pazderka beanstandet die Änderung noch vor Ort, wird jedoch vom damaligen Bürgermeister abgewürgt.
Als Protestreaktion schreiben die TeilnehmerInnen der jährlich stattfindenden Gedenkfeiern regelmäßig den Zusatz "politische", ebenso wie die Worte "Nie wieder Faschismus" auf die Tafel – heuer führte dies zu einer Anzeige wegen Sachbeschädigung.
Ausgerechnet am 8. Mai, dem Tag der Feier und Befreiung, wurde die inzwischen 76-Jährige von der Polizei vernommen. Im Protokoll, das VICE vorliegt, gibt sie an: "Mich ärgert es bis heute, dass die Gemeinde diese Gedenktafel nicht verändert und zu keinem persönlichen Gespräch bereit ist. (...) Für mich handelt es sich um keine Sachbeschädigung, sondern um eine langjährige Forderung, die Gedenktafel zu verändern."
Pazderka ist auch nach über 20 Jahren immer noch nicht müde geworden, für eine Gedenkstätte zu kämpfen, die ihrem Vater und den weiteren Widerstandskämpfern würdig ist. Und wenn die Gemeinde Hadersdorf dafür nicht sorgen würde, müsste es eben auf Eigeninitiative hin passieren: So konnte der Verein "Gedenkstätte – Hadersdorf am Kamp" gemeinsam mit den KZ-Verbänden Wien und Niederösterreich genügend Spenden für neue Gedenktafeln sammeln, die neben den geforderten Zusätzen auch die Namen aller 61 ermordeten politischen Gefangenen anführen.
"Wir versuchen seit vier Jahren, mit der Gemeinde zu verhandeln, dass diese Tafeln montiert werden dürfen", so Christine Pazderka gegenüber VICE. Die Gemeinde würde jedoch jegliche Versuche, in Kontakt zu treten, ignorieren. Ginge es nach Pazderka, so hätte man die neuen, eigens angefertigten Tafeln dieses Jahr einfach angebracht – als jedoch abermals keine Reaktion von Seiten der Gemeinde kam, entschloss man sich sicherheitshalber doch dagegen.
Man mag sich zunächst wundern, ob so ein objektiv gesehen kleiner Zusatz auf einer Gedenktafel tatsächlich einen jahrzehntelangen Kampf wert ist – doch ohne das Wort "politische" klinge es laut Pazderka, als wären es gewöhnliche Verbrecher gewesen, die "vielleicht etwas gestohlen" hätten, und anschließend erschossen wurden.
Unverständlich ist für Pazderka vor allem das fehlende Entgegenkommen von Seiten der Gemeinde – schließlich würden größere, nicht weit entfernte Orte wie etwa Krems auch von sich aus für würdige Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus sorgen. Eine Erklärung dafür hat sie nicht.
"Für mich wäre es wichtig, dass die Gemeinde selbst was macht", so Pazderka. Auf Anfrage von VICE bei der Gemeinde Hadersdorf war vorerst keine zuständige Person für eine Stellungnahme verfügbar.