Die Fraktionsvorsitzenden im Stadtrat sind sich uneinig, wie mit rechten Demonstranten künftig umgegangen werden sollte.
Von Christian Beck
Sinsheim. Ignorieren oder protestieren: Zwischen diesen beiden Möglichkeiten fühlen sich offenbar einige Sinsheimer hin und hergerissen, wenn es darum geht, wie mit rechten Demonstranten umgegangen werden sollte, die immer wieder in die Stadt kommen. So auch im Nachgang der Demo am Samstag: SPD-Stadtverbandsvorsitzender Harald Blum zeigte sich unzufrieden, gestern schickte er einen Brief an OB Albrecht, der auch der RNZ vorliegt. Dessen Kernpunkte: Die Zahl der rechten Demonstranten habe zugenommen, man müsse etwas dagegen unternehmen. Doch was? Und gibt es dafür eine gemeinsame Basis? Die RNZ fragte nach.
"Wir sollten diese Demonstranten völlig ignorieren", ist Harald Gmelin von den Freien Wählern überzeugt. Friedhelm Zoller von der CDU ist gleicher Meinung: "Wir werten sie sonst nur auf." Und auch Alexander Hertel (Aktiv für Sinsheim) sieht dies ähnlich.
Doch mit dieser Einstellung können sich nicht alle anfreunden: "Mit Passivität wird es nicht besser", findet Michael Czink (SPD). Man müsse etwas tun - "da müssen aber alle mitmachen", fügt Czink hinzu. Dies sieht Jens Töniges ganz ähnlich: Der Grünen-Fraktionsvorsitzende hat am Samstag selbst gegen die NPD demonstriert, dass er einer von wenigen war, findet er "sehr schade".
Eine gemeinsame Linie im wichtigsten Gremium der Stadt scheint es momentan nicht zu geben. Dabei gab es in der Vergangenheit bereits gemeinschaftliche Aktionen. Doch es gab auch Zwischenfälle, OB Albrecht nennt sie "Negativerlebnisse", ausgelöst von Demonstranten aus dem politisch linken Spektrum. So berichtet auch Friedhelm Zoller: "Das Verhalten der Linksautonomen hat mich abgestoßen - eigentlich müsste man auch dagegen demonstrieren."
Mehrere politische Vertreter kritisieren zudem, dass der Gegenprotest mit Fahnen von politischen Parteien und Gewerkschaften instrumentalisiert werde. Statt dessen müsse es eine Gemeinschaft über Parteigrenzen hinweg geben. Und auch über die Art des Protestes gibt es unterschiedliche Ansichten: "Nur mit der Trillerpfeife Krach zu machen, ist nicht besonders konstruktiv", wirft Alexander Hertel ein.
Doch was wäre es dann? Jens Töniges möchte in Zukunft über eine Pro-Europa-Bewegung die Menschen gewinnen, diese Gruppe könne dann bei einem erneuten rechten Aufmarsch demonstrieren. Denn Töniges ist überzeugt: "Uns bleibt nur die Straße." Er will deshalb mit den Stadträten das Gespräch in dieser Sache suchen, Michael Czink ebenso. Beide sind der Ansicht, dass möglichst viele Sinsheimer für einen Gegenprotest gewonnen werden sollten.
Dies könnte allerdings schwierig werden - hierin sind sich alle Fraktionsvorsitzenden einig. "Wenn es um Interessen in Sinsheim ginge, wäre die Betroffenheit eine andere", versucht sich Alexander Hetel an einem Erklärungsansatz für die geringe Zahl an Gegendemonstranten.
Die Themen der rechten Demonstranten würden die Bürger der Stadt aber überhaupt nichts angehen - eine Meinung, die auch Friedhelm Zoller vertritt. Er vermutet zudem: "Die Leute wollen sich wegen ein paar Spinnern nicht den Samstag verderben."
Es sieht also aus, als bliebe alles beim Alten: Ein gewisser Teil der Bürger wird wohl weiter gegen rechte Demonstranten protestieren, die Mehrheit will ihnen aller Voraussicht nach keine Beachtung schenken. Zumindest, so lange deren Zahl nicht deutlich zunehme, erklärt Harald Gmelin. Und danach sieht es laut OB Albrecht momentan nicht aus: "Für mich ist da kein Trend zu erkennen, dass es deutlich mehr werden."