Rätselhaftes Rechtsrockkonzert im linksalternativen Projekt Trebbe 12
Am Haus Nummer 12 ist die Trebbiner Straße in Luckenwalde besonders schmal, da sie durch ein Baugerüst verengt wird. Es stehen aber keine Arbeiter auf dem Gerüst, um einen der zahlreichen Schäden am Gebäude auszubessern. Vielmehr scheint es darum zu gehen, lockere Steine oder Dachziegel daran zu hindern, auf die Fahrbahn zu poltern und einen Unfall auszulösen.
Am Hauseingang befindet sich kein klassisches Klingelschild. Stattdessen ist ein Zettel angenagelt, auf dem zwölf Namen stehen, wobei ein weiblicher Name durchgestrichen und durch einen männlichen Namen ersetzt ist. Links vom Eingang steht eine kleine Seitentür einen Spalt breit offen. Der Blick fällt in einen dunklen, fast kahlen Raum. Es könnte gut sein, dass dort die Konzerte stattfinden, die im Internet angekündigt sind.
Der Altbau Trebbiner Straße 12, szenetypisch kurz Trebbe 12 genannt, soll seit dem Jahr 2000 besetzt sein. Es findet sich der Hinweis, dass die Bewohner bis heute keinen Mietvertrag haben. Es gibt auch eine alte Ankündigung, wonach am 23. Mai 2009 ein NPD-Aufmarsch an dem Haus vorbeiziehen wollte. Dies sei »nicht nur eine Provokation, sondern eine direkte Kampfansage von rechts«, hieß es. In den letzten Wochen habe es in Luckenwalde vermehrt Übergriffe auf Linke, Punks und Hausbewohner gegeben, in den vergangenen Jahren immer wieder auch Angriffe auf die Trebbe 12. Kreativer Widerstand sei gefragt, um den NPD-Aufmarsch nicht durchzulassen. Wenn genug Gegendemonstranten am Bahnhof erscheinen, »werden die ›Kameraden‹ gar nicht erst aussteigen«, hoffte die Hausbesetzerszene, die zu einer solchen Gegendemonstration mobilisierte.
Diese Ankündigung ist nur ein Beleg dafür, dass sich die Trebbe als linksalternatives Hausprojekt verstanden hat. Linke, die in Luckenwalde leben oder arbeiten, sind bislang der Meinung, die politische Ausrichtung habe sich nicht geändert.
Doch dann tauchten Plakate zu einem Konzert am 11. März 2017 auf. »Rien ne va plus« aus Magdeburg, »LOi!chtfeuer« aus Bremerhaven und »4. Division Ostfront« aus Wismar sollten am besagten Abend auftreten, Skinheadbands der Musikrichtung »Oi«, die sich selbst als unpolitisch einstufen. Doch die Texte, der Hintergrund und die Kontakte dieser drei Bands sind keineswegs völlig unpolitisch, so dass Kritiker von einer »Grauzone« sprechen. Die Zuordnung ist aber tatsächlich nicht immer einfach, selbst wenn beispielsweise die Musik von »Rien ne va plus« im einschlägig als neonazistisch bekannten Versandhandel angeboten wird – unter Rubriken wie RAC (»Rock against communism«, Rock gegen Kommunismus).
Im Prinzip orientiert sich die Oi-Skinszene tatsächlich weder links noch rechts. In den Songs geht es um Kraft, Alkohol und Männerfreundschaften. »Rien ne va plus« singt zwar einerseits vom deutschen Adler, der hinauffliegen soll, bis die Wolkendecke bricht, verhöhnt andererseits organisierte Neonazis mit Zeilen wie »Neulich vor der Antifa habt ihr euch eingeschissen und gestern auf dem Skinkonzert den Arm weit hochgerissen« und »Ich gehe lieber meine eigenen Wege, als dass ich einer von euch bin«.
Bei »LOi!chtfeuer« ist eine etwaige Verbindung nach rechts etwas klarer
zu erkennen. Sänger Michael Schäfer war NPD-Funktionär in Bremerhaven.
Er behauptet zwar von sich, aus der rechten Szene ausgestiegen zu sein,
hatte aber einen solchen Ausstieg schon einmal Mitte der 2000er Jahre
hingelegt und war damals am Ende doch auf dem Posten eines
stellvertretenden NPD-Landesvorsitzenden gelandet.
Bei der »4. Division Ostfront« klingt nicht nur der Name zweifelhaft. Die gegrölten Worte sind bei dieser Band zwar kaum zu verstehen. Der Text des Songs »Antifa« (2010) beschimpft aber Linke und gipfelt in der Zeile »ein Baum, ein Strick, ein Antifagenick«. Hier fragen sich die Angesprochenen, ob der Übergang von der Grauzone zur Braunzone nicht bereits eindeutig vollzogen sei. Beworben wurde das Konzert am 11. März denn auch vom ungarischen Ableger des rechtsextremen »Blood-&-Honour«-Netzwerks.
Fragt sich nur noch, wie zu einem solchen, übrigens ausverkauften Konzert ausgerechnet in ein Haus wie die Trebbe 12 eingeladen werden konnte. Die Bemühungen der Grauzone, gerade solche Orte auszuwählen und dabei die Besucher vor möglicher politischer Unkorrektheit zu warnen, ist bekannt. Aber hat der Veranstalter gewusst, worauf er sich da einlässt? Ist im schlimmsten anzunehmenden Fall ein linkes Haus inzwischen in die Hände von Neonazis gefallen? Das lässt sich gegenwärtig nicht aufklären. Jegliche Kontaktversuche zu den Bewohnern waren erfolglos. Anfragen per E-Mail blieben unbeantwortet. Selbst auf einen letzten Versuch, einen mit der Post versendeten Brief hin, gab es keine Reaktion.
Die Szene linker Hausprojekte ist eigentlich gut vernetzt. Ein linkes Jugendwohnprojekt wie das Neuruppiner JWP Mittendrin kann trotzdem nichts zur Aufklärung beitragen. Zur Trebbe 12 unterhalte man keine Verbindungen, so die Auskunft.
Der letzte Eintrag auf der Internetseite trebbe12.de stammt vom September 2012. Damals wirkte alles noch stilecht linksalternativ. Der Facebookaccout ist aktueller. Er teilte Inhalte von rechten Facebookseiten. Doch nach einem ersten journalistischen Beitrag über das Grauzonen-Konzert, der einen Tag vor der Veranstaltung im Internet publiziert wurde, sind all diese Dinge gelöscht worden. Zu finden war dann nur noch ein kommentarloser Link zu genau diesem Beitrag. Bis heute ist das so.
Das Konzert soll nach Erkenntnissen des Innenministeriums von 200 Menschen besucht worden sein. Auf Anfrage stellt Ministeriumssprecher Wolfgang Brandt allerdings klar, dass von allen drei Bands kein einziger Titel auf dem Index stehe und dass diese Bands auch nicht vom Verfassungsschutz beobachtet werden.