Paukenschlag: Gabelmann, Witte und FDP gründen neue Fraktion

Erstveröffentlicht: 
03.05.2017

Paukenschlag im Leipziger Stadtrat: Die bisher fraktionslosen FDP-Politiker René Hobusch und Sven Morlok schließen sich mit sofortiger Wirkung mit Ute Elisabeth Gabelmann (Piraten) und Naomi-Pia Witte (bisher Linke) zu einer neuen Fraktion zusammen.

 

Leipzig. Paukenschlag im Leipziger Stadtrat: Die bisher fraktionslosen FDP-Politiker René Hobusch und Sven Morlok schließen sich mit sofortiger Wirkung mit Ute Elisabeth Gabelmann (Piraten) und Naomi-Pia Witte (parteilos, zuvor Linke) zu einer neuen Fraktion zusammen. Gabelmann war bisher Mitglied der SPD-Fraktion, Witte saß seit 2009 in der Linken-Fraktion.

 

Der neue Zusammenschluss soll künftig als „ Fraktion Freibeuter“ in der Ratsversammlung auftreten, sagte Hobusch am Mittwochmorgen gegenüber LVZ.de. Der FDP-Politiker agiert selbst als Fraktionsvorsitzender, Ute Elisabeth Gabelmann soll Stellvertreterin werden. 

 

Kernthemen: Transparenz, Bürgerbeteiligung und Minderheitenschutz


Aus parteipolitischer Sicht ist die neue Fraktion ungewöhnlich, gänzlich einzigartig aber nicht. Hobusch wies darauf hin, dass es in anderen bundesdeutschen Parlamenten bereits viele "bunte" Konstellationen gibt. "Es kommt nicht immer nur auf das Parteiprogramm an, sondern es gibt auch viele Fragen, auf die die Bürger Antworten erwarten", so der FDP-Politiker weiter. In den vergangenen Tagen haben sich die "Freibeuter" auf Gemeinsamkeiten verständigt und dabei die Themen Transparenz, Bürgerbeteiligung und Minderheitenschutz als Kern ihrer künftigen gemeinsamen Arbeit herausgefiltert.

 

Wie Piratin Gabelmann sagte, sei die Entscheidung für die neue Fraktion keine gegen ihre alte. Die SPD habe sie nach der letzten Kommunalwahl freundlich aufgenommen, allerdings sei sie dort nur eins von 14 Mitgliedern gewesen. In einer schlankeren Struktur sei nun vieles andere auch möglich. In Anspielung an die Farbe ihrer Partei sagte Gabelmann: "Ich hoffe, das Orange wird nun mehr sichtbar".

 

Für die langjährige Linkspolitikerin Naomi-Pia Witte habe sich der Bruch mit den alten Parteikollegen abgezeichnet. "Es ist wie bei einer Ehe, in der man sich auseinanderlebt und auch gegenseitig Wunden zufügt", so Witte. In den vergangenen Monaten habe sie im Stadtrat häufig eine andere Position als die der Linkspartei vertreten. Nach der beschlossenen Scheidung habe Witte "dann eben geschaut, was der Markt noch so hergibt" und sei deshalb nun bei den "Freibeutern" gelandet.

 

Nicht zuletzt wies Sven Morlok als Begründung für den Zusammenschluss darauf hin, dass beide FDP-Politiker bisher ohne Fraktionsstatus wenig Einflussmöglichkeiten im Stadtrat hatten, häufig ihnen nicht einmal ein Rederecht zugestanden habe. Das soll sich nun als Fraktionsmitglied ändern. Als Fraktion steht den Politikern jetzt außerdem ein Budget für ihre politische Arbeit sowie eine Geschäftsstelle im Neuen Rathaus zu. 

 

Offene Fragen für Ausschüsse und Ältestenrat


Für die Fraktionen Sozialdemokraten und die Linksfraktion dürften jetzt erstmal zahlreiche Fragen offen sein. So sind Sitze in den Fachausschüssen und weiteren Beratungsgremien neu zu besetzen. Die Fachausschüsse haben bisher elf Mitglieder: eins aus jeder der bisherigen Fraktionen, die weiteren Sitze werden im Verhältnis zur Fraktionsgröße vergeben. Dadurch sind die großen Fraktionen in einigen Gremien mit zwei oder drei Mitgliedern vertreten. "Entweder, die Ausschüsse bekommen ein Mitglied mehr", so Hobsuch, oder die anderen Fraktionen müssten Sitze an die neue kleine Schwester abgeben. "Dann wird auch noch zu klären sein, wo wir in der Ratsversammlung sitzen", so Gabelmann. "Da wird man wohl Stühle rücken müssen", sagte sie.

 

Die von den Austritten betroffenen Fraktionen haben weitere Fragen: "Auch wie es sich mit der Zahl der Sitze der Linksfraktion nun verhält, müssen wir mit dem Oberbürgermeister klären", so Riekewald in einem ersten Statement. Noch am Mittwoch soll der Ältestenrat mit den Fraktionsvorsitzenden tagen. Geplant war offenbar eine Beratung in der bisherigen Zusammensetzung. Der neue Freibeuter-Fraktionschef Hobusch will allerdings keine Zeit ungenutzt verstreichen lassen: "Ich werde anfragen, ob ich an der Sitzung bereits teilnehmen kann." 

 

SPD und Linke von Entscheidung überrascht


Die Linksfraktion zeigt sich unterdessen überrascht über den Austritt von Witte. "Wir haben gestern Abend davon erfahren", sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Franziska Riekewald gegenüber LVZ.de. Obwohl Witte bereits vor einigen Wochen aus der Linkspartei ausgetreten sei, habe die Fraktion nicht mit diesen Konsequenzen gerechnet. "Bei uns gibt es mehrere parteilose Fraktionsmitglieder, das ist kein Problem", so Riekewald.

 

Ein Gespräch mit der Fraktionsspitze habe Witte nicht gesucht. "Wir sind vor vollendete Tatsachen gestellt worden", sagte die Vizechefin weiter. Die Fraktion bedauere Wittes Entscheidung. "Frau Witte war ein wertvolles Mitglied, das sich besonders um den Bereich Sozialpolitik gekümmert hat." Der Bereich müsse nun neu vergeben werden.

 

Linken-Fraktionschef Sören Pellmann und der Chef des Stadtverbandes Adam Bednarsky wunderten sich, wie Witte künftig ihre sozialpolitische Arbeit vorsetzen will. „Für uns bleibt völlig unverständlich, wie sie dieses Engagement in einer Fraktion mit FDP-Stadträten künftig glaubwürdig fortsetzen will. Wer denkt, dass ein soziales und nachhaltiges Leipzig mit einer neoliberalen FDP erreicht wird, unterliegt einem gravierendem Irrtum und begibt sich auf politische Geisterfahrt“, erklärten Pellmann und Bednarsky in einem gemeinsamen Statement.

 

Auch die SPD-Fraktion war vom Abgang aus ihren Reihen überrascht. Aus ihrer Sicht habe es "keine Anzeichen für inhaltliche oder persönliche Differenzen" gegeben, so SPD-Fraktionsvize Heiko Oßwald. In der Nacht sei die Fraktion ohne Angabe von Gründen von der Piratin per Mail über den Fraktionsaustritt informiert worden. Von der Fraktionsgründung habe man aus den Medien erfahren. Obwohl die Sozialdemokraten den politischen Stil des Austritts kritisieren, gibt es auch versöhnliche Töne: "Wir wünschen ihr alles Gute in der neuen Fraktion".

 

Matthias Puppe / Evelyn ter Vehn