Im wiedervereinigten Deutschland hielt der Ex-DDR-Minister Reden und schrieb Bücher. Er rechtfertigte den Bau der Mauer und hielt kritiklos an seiner sozialistischen Überzeugung fest. Nun ist Heinz Keßler gestorben.
Berlin - . Der Bau des antifaschistischen Schutzwalls sei richtig gewesen, hatte der einstige Armeegeneral noch Jahre nach dem Fall der Mauer getönt. Nun ist der frühere DDR-Minister für Nationale Verteidigung, Heinz Keßler, im Alter von 97 Jahren in Berlin gestorben. Von 1985 bis zu seinem Rücktritt stand er an der Spitze des Verteidigungsministeriums und gehörte auch zum SED-Politbüro, dem höchsten Machtgremium der SED-Staatspartei. Nach dem Mauerfall im Herbst 1989 musste Keßler wie die anderen Spitzen-Genossen dann zurücktreten.
Im November 1992 musste sich Keßler in einem als historisch eingestuften Prozess wegen der Todesschüsse auf DDR-Flüchtlinge vor dem Berliner Landgericht verantworten. Er saß zusammen mit dem einstigen SED-Partei- und Staatschef Erich Honecker und weiteren Ex-Spitzenfunktionären auf der Anklagebank.
Während Honecker, Ex-Stasichef Erich Mielke und DDR-Ministerpräsident Willi Stoph wegen gesundheitlicher Probleme bald ausschieden, wurde Keßler 1994 rechtskräftig wegen Anstiftung zum Totschlag von DDR-Flüchtlingen zu einer Haftstrafe von siebeneinhalb Jahren verurteilt, von der er aber wegen seiner angeschlagenen Gesundheit nur einen Teil absitzen musste. Es war die höchste Strafe im Prozess gegen frühere SED-Politbüro-Mitglieder.
Geboren am 20. Januar 1920 im niederschlesischen Lauban (Polen) lief der gelernte Maschinenschlosser während des Zweiten Weltkrieges von der Wehrmacht zur Roten Armee über. Nach seiner Rückkehr 1945 machte Keßler in der DDR schnell Karriere. In den 50er Jahren absolvierte er die sowjetische Luftkriegsakademie und stieg dann in der Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR immer weiter auf.
Keßler hatte vehement jegliche Schuld am Tod von Flüchtlingen von sich gewiesen und bis zum Schluss den Sozialismus verteidigt. Vor Gericht betonte er, die Außengrenzen des souveränen Staates DDR hätten gegen Angriffe aus dem Westen gesichert werden müssen. Der Funktionär bestritt, dass mit dem Mauerbau die wachsende Flüchtlingswelle eingedämmt werden sollte.
Zusammen mit seinem früheren Stellvertreter Fritz Streletz verewigte er seine Überzeugungen in dem Buch „Ohne die Mauer hätte es Krieg gegeben“, das 2011 herauskam. „Die Arbeiter und alle Werktätigen der Deutschen Demokratischen Republik atmeten nach dem 13. August 1961 erleichtert auf, weil dem Treiben der Bonner Menschenhändler und Revanchepolitiker ein schnelles Ende bereitet wurde. Jetzt ist die Atmosphäre gereinigt und die Perspektive klar“, schrieben Keßler und Streletz über den Mauerbau. Bei der öffentlichen Präsentation des Buches machten einstige Mitstreiter keinen Hehl aus ihrer Haltung und beschimpften Journalisten als „Hampelmänner von der Westpresse“.
Im selben Jahr sorgte ein Treffen von Ex-Offizieren der NVA im Berliner Tierpark für Empörung. Rund 100 frühere Offiziere feierten in der Cafeteria ohne Wissen der Tierpark-Leitung den 55. Jahrestag der NVA-Gründung. Manche der Ex-Militärs hatten ihre alten Uniformen angezogen. Und ihr einstiger Chef Keßler hielt eine Rede.
Von Jutta Schütz