Drohungen im Fall «Arnsdorf» sorgen weiter für Wirbel

Erstveröffentlicht: 
27.04.2017

Die Einstellung des Verfahrens gegen vier Arnsdorfer, die einen Flüchtling an einen Baum gefesselt hatten, kam für viele überraschend. Dass der Staatsanwalt vorher von mutmaßlichen Unterstützern der Angeklagten bedroht wurde, bleibt ein Thema. Der Fall «Arnsdorf» soll ein parlamentarisches Nachspiel haben.

 

Dresden. Der Fall «Arnsdorf» soll ein parlamentarisches Nachspiel haben. Die Linke werde im Rechtsausschuss des Landtages eine detaillierte und vollständige Auskunft der Staatsregierung über die Abläufe im Vor- und Umfeld des Prozesses gegen vier Arnsdorfer fordern, die im Mai 2016 einen psychisch kranken Flüchtling an einen Baum gefesselt hatten, sagte der Rechtsexperte der Fraktion, Klaus Bartl, am Donnerstag in Dresden. Das Verfahren vor dem Amtsgericht Kamenz war am Montag eingestellt worden. Später wurde bekannt, dass der Staatsanwalt vor der Verhandlung massiv bedroht worden war. 

 

Kapituliert der Rechtsstaat vor dem Wutbürgertum?


«Wir dürfen es nicht zulassen, dass Vertreter des Rechtsstaates eingeschüchtert werden und die Strafverfolgung dadurch beeinträchtigt wird», sagte Bartl, der auch Vorsitzender des Rechtsausschusses ist. Er fordere Aufklärung darüber, aus welchen sachlichen und rechtlichen Erwägungen die Staatsanwalt einer Einstellung des Verfahrens zugestimmt habe. Die Bedrohung des Staatsanwalts, ohne dessen Zustimmung ein Ende des Prozesses gesetzlich unmöglich gewesen wäre, nähre den Eindruck, «dass der Rechtsstaat vor dem Wutbürgertum kapituliert hat».

 

Die Anklagebehörde wies dies zurück. «Die Zustimmung der Staatsanwaltschaft Görlitz zur Einstellung des Verfahrens vor dem Amtsgericht Kamenz erfolgte allein aus sachlichen Erwägungen», teilte sie mit. Nach Angaben des Operativen Abwehrzentrums (OAZ) gingen mehrere schriftliche Drohungen bei der Staatsanwaltschaft ein. Sie seien zwar nicht namentlich gegen den zuständigen Staatsanwalt gerichtet gewesen. Dennoch habe man die Drohungen so ernst genommen, dass besondere Schutzmaßnahmen getroffen worden seien, hieß es im Innenministerium. 

 

Gemkow: "Wir erleben konkrete Bedrohungen oder gar tätliche Gewalt"


«Seit Jahren beobachten wir eine weitere Verrohung der gesellschaftlichen Debatte, die ich mit zunehmender Besorgnis betrachte», sagte Justizminister Sebastian Gemkow (CDU). «Das fing mit verbalen Entgleisungen an, jetzt erleben wir konkrete Bedrohungen oder gar tätliche Gewalt.» Das dürfe auf keinen Fall hingenommen werden, «sonst dreht sich die Spirale der Gewalt weiter».

 

Die Ermittlungen gegen den oder die Urheber der Drohschreiben richteten sich noch gegen unbekannt, sagte die OAZ-Sprecherin. Unzutreffend seien Presseberichte, dass der Staatsanwalt wenige Tage vor dem Prozess abends auf dem Heimweg von mehreren Männern verfolgt, beleidigt und bedroht wurde.

 

In rechten Kreisen war der Prozess heftig kritisiert worden. Rund 100 Unterstützer der Angeklagten waren am Montag zum Prozessauftakt vor dem Amtsgericht erschienen. Die Einstellung des Verfahrens wurde anschließend auch bei einer Kundgebung des fremdenfeindlichen Pegida-Bündnisses in Dresden als ein Sieg der «Zivilcourage» gefeiert.