Der Fall Franco A. - Chronologie einer Verharmlosung

Erstveröffentlicht: 
03.05.2017

Trotz einer explizit als rechtsextrem erkannten Masterarbeit konnte Franco A. als Soldat in der Bundeswehr aufsteigen.

 

Der Oberleutnant, der am Standort der deutsch-französischen Brigade in Illkirch bei Straßburg Dienst leistete, war am vergangenen Freitag festgenommen worden, weil er offenbar einen Anschlag plante. Schon 2014 scheinen es Vorgesetzte versäumt zu haben, den Militärischen Abschirmdienst (MAD) davon zu unterrichten, dass Franco A. in seiner Masterarbeit die Angst vor einer Zerstörung der westlichen Gesellschaften durch Subversion zu schüren versuchte. Das Weltbild, das er in dieser Arbeit zum Ausdruck gebracht hat, erinnert offenbar an Veröffentlichungen der Identitären Bewegung, die vor einem „Bevölkerungsaustausch“ durch Einwanderung warnt. 

 

Seit wann gab es Hinweise auf die Gesinnung von Franco A.?


Der Bundeswehr lagen schon seit 2014 Hinweise auf eine rechtsextreme Gesinnung des Offiziers vor, ohne dass Konsequenzen folgten. Berichten zufolge gibt es inzwischen auch den Verdacht auf ein rechtes Netzwerk in der Truppe. In dem Skandal, der seit dem Bekanntwerden des Falls, immer größere Kreise zieht, geht es zudem um Munitionsdiebstahl in Illkirch und in ein Sturmgewehr eingeritzte Hakenkreuze. 

 

Rassistisches Gedankengut


Schon 2014 fiel Franco A. durch rassistische Thesen in seiner Masterarbeit mit dem Titel „Politischer Wandel und Subversionsstrategien“ auf, die er im Zuge seines Studiums in Fontainebleau angefertigt hatte. Bereits in der Einleitung legt die Arbeit in der vermeintlich wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit zentralen Begriffen wie „Volk“, „Demokratie“, „Subversion“ oder auch „Einwanderung“ die Grundlagen für ihre rassistischen Betrachtungen. So wird etwa Immigration als Tabuthema bezeichnet. Im Text ist später mit Blick auf Hochkulturen wie Ägypten oder das alte Griechenland von einem durch den Einfluss „ausländischer Elemente“ herbeigeführten Untergang die Rede. Dasselbe Schicksal drohe dem „Westen“. Parteien wie CDU und SPD werden zum Teil willkürlich in Anführungszeichen gesetzt. Die Auseinandersetzung mit dem Begriff Subversion nimmt breiten Raum ein. 

 

Das Gutachten


Ein beauftragter Gutachter, ein renommierter deutscher Historiker, kam 2014 nach einer Prüfung der Arbeit zu dem Schluss, dass es sich bei dem Manuskript nicht um eine „geschichts- und politikwissenschaftliche Abhandlung zum politischen Wandel“ handele, sondern um „einen Aufruf dazu, einen politischen Wandel herbeizuführen, der die gegebenen Verhältnisse an das vermeintliche Naturgesetz rassischer Reinheit anpasst“.

 

„In manchen Teilen liest sich der Text wie eine Gebrauchsanweisung für rassistische Propaganda“, urteilte der Gutachter weiter. Weiterhin schreibt der Historiker: „Der relativ nichtssagende Titel (...) lässt sich im Nachhinein etwa übersetzen als ,Grundlagen und Mittel des geheimen Rassenkampfes gegen die westliche Welt’.“ A. wird „gezielte Verschleierung“ vorgehalten, die Zeugnis „von einem kühl kalkulierten Vorgehen“ ablege. Im Fazit des Gutachtens heißt es, diese „Rhetorik ist über das Milieu hinaus anschlussfähig, weil es sich mit der Verunsicherung durch die Globalisierung verbindet“. „Diese Anschlussfähigkeit macht seine Gefährlichkeit aus.“ Die französische Leitung der Militärhochschule St. Cyr wertete die Arbeit als nicht bestanden. 

 

Die Ermittlungen


A. wurde Anfang 2014 in der Sache vernommen und dann noch einmal auf eigenen Wunsch angehört. Im Zuge dessen wurde ihm in einem Aktenvermerk des Wehrdisziplinaranwalts des Streitkräfteamtes (WDA/SKA) mitgeteilt, dass sich die „Zweifel an seiner Grundgesetztreue“ nach dem Soldatengesetz (§ 8) zerstreut hätten. Die Arbeit wurde bei den Vorermittlungen als „wissenschaftliche Schlechtleistung“ eingestuft.

 

A. wurde darin weiterhin attestiert, dass er „angesichts der ihm unzweifelhaft zugeschriebenen hohen Intellektualität ein Opfer seiner eigenen intellektuellen Fähigkeit in der Darstellung geworden ist“. An früherer Stelle ist lediglich von einem pflichtwidrigen Handeln die Rede, weil A. durch „eine vermeidbare Sorgfaltlosigkeit den bösen Anschein einer inneren Haltung vermittelt“ (sogenanntes Anscheinsdienstvergehen) habe.

 

Das disziplinarische Vorermittlungsverfahren wurde anschließend eingestellt, es erfolgte entsprechend auch kein Eintrag in die Personalakte. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) erhielt so keine Kenntnis von dem Vorgang. A. schloss sein Studium mit einer neuen Arbeit noch im selben Jahr ab und wurde später Berufssoldat. (Daniel-Karl Jahn/AFP)