Sechs Schiffe haben sich südlich von Zypern gesammelt und sind mit 10.000 Tonnen Fracht aus dringend benötigten Hilfsgütern wie Baumaterial, medizinischem Bedarf, Systeme zur Wasserreinigung und Schulmaterialien unterwegs, um die völkerrechtswidrige israelische Blockade Gazas zu durchbrechen. Mit an Bord sind Hunderte von MenschenrechtsaktivistInnen aus 50 Ländern, darunter Parlamentsabgeordnete aus verschiedenen Ländern und mehrere Fernsehcrews. Seit 2007 wird der Gazastreifen von Israel abgeriegelt, nach dem Krieg 2008/2009 verhinderte Israel auch die Lieferung notwendiger Baumaterialien.
Thomas Sommer-Houdeville, Koordinator der internationalen Bürgerrechtskampagne (CCIPPP) in Frankreich, verbrachte drei Monate
in Griechenland, um sich an der Vorbereitung der Flotille zu beteiligen.
Letzter Abschnitt.
Früher oder später wird vielleicht die vollständige Geschichte dieses Abenteuers geschrieben werden. Es wird viel zu lachen geben, einiges Geschrei und einige Tränen. Aber was ich jetzt sagen kann, ist das wir uns nie vorgestellt hätten, dass Israel dermaßen ausflippt wie es jetzt tut. Höchstens vielleicht in unseren schönsten Träumen. Als erstes errichteten sie einen Krisenstab, bestehend aus dem israelischen Außenministerium, Marine und Kommando und Gefängnisbehörden, um mit der existentiellen Bedrohung umzugehen, die wir und unsere Schiffen voller Hilfsgüter darstellen. Dann nahm sich Ehud Barak mit seiner umfangreichen Agenda selbst die Zeit, uns durch die israelischen Medien zu warnen. Nun verkünden sie, uns in Israels schlimmstes Gefängnis zu bringen, in die Wüste bei Beer-Sheva.
Diese Ankündigung soll uns Angst machen. Und wir haben irgendwie auch Angst. Wir haben Angst vor ihren Kriegsschiffen, Angst vor ihren Apachen und ihrer schwarz vermummten Kommandotruppe. Wer hätte das nicht? Wir haben Angst davor, dass sie unsere Fracht und alle medizinischen Hilfsgüter, Fertighäuser und Schulmaterialien beschlagnahmen und zerstören. All die Solidarität, die über ein Jahr lang geduldig in so vielen Ländern gesammelt wurde. All diese Bemühungen und diese Welle der Liebe und Hoffnung, die normale Menschen, einfache Leute aus Griechenland, Schweden, der Türkei, Irland, Frankreich, Italien, Algerien und Malaysien geschickt haben. Das all dies als Trophäe dienen könnte für einen Staat, der sich wie eine vulgäre Pirateninsel verhält. Wer würde nicht ein Gefühl von Verantwortung verspüren und fürchten, dass wir unser Unternehmen nicht durchführen können und dem gefangengehaltenen Volk von Gaza nicht unsere Fracht bringen können?
Doch wir wissen, dass es auch auf der anderen Seite Angst gibt. Denn von Beginn unserer Koalition an tut der israelische Staat alles, was in seiner Macht steht, um die Konfrontation mit uns zu vermeiden. Von Anfang an versuchten sie uns daran zu hindern, Segel zu setzen, versuchten sie zu vereiteln, dass wir unsere Kräfte sammeln und alle zusammen nach Gaza segeln. Sie versuchten, uns zu trennen. Ihr ideales Szenario war, uns aufzuteilen, die Iren auf der einen Seite, die Griechen und Schweden auf einer anderen, die Amerikaner auf einer anderen und die Türken alleine. Natürlich wussten sie, dass sie die Türkei nicht unter Druck setzen konnten, auch dass sie dort nicht direkt agieren konnten. Also konzentrierten sie ihren ersten Angriff auf die irische und griechische Seite unserer Koalition. Phase eins begann vor zwei Wochen, als sie die Schiffsladung der Iren sabotierten und sie zwangen, mit fast einer Woche Verspätung in See zu stechen. Doch die Iren führten die Reparaturen so schnell wie sie konnten durch und sind jetzt einen oder zwei Tage hinter uns. Dann setzten sie die durch die Wirtschaftskrise geschwächte griechische Regierung unter gewaltigen Druck, um sie dazu zu zwingen, das griechische Frachtschiff und das griechisch-schwedische Passagierschiff nicht ablegen zu lassen. Wegen dieses Drucks mussten wir unsere Fahrt zweimal verschieben und die Türken, ihre seeklaren 500 Passagiere und die amerikanischen Freunde bitten, auf uns zu warten. Was sie zum Glück taten! Bis zur letzten Minute vor ihrem Start von Griechenland waren wir nicht sicher, ob die beiden Boote die Erlaubnis der griechischen Regierung bekommen würden, doch schließlich entschloss sich die griechische Regierung, seine Verantwortung zu übernehmen, als souveräner Staat zu handeln und das Frachtschiff und das Passagierschiff vom Hafen von Piräus in Athen ablegen zu lassen.
Phase zwei erfolgte gestern im griechischen Teil Zyperns, wo wir mit der dortigen Regierung vereinbart hatten, eine prominente Delegation europäischer und nationaler Parlamentsabgeordneter aus Schweden, England, Griechenland und Zypern an Bord zu nehmen. Als die beiden Schiffe aus Griechenland, das von Kreta kommende amerikanische Schiff und die vier türkischen Schiffe bereits alle am Treffpunkt waren und auf die Ankunft und das Einschiffen der Delegation an Bord unserer Schiffe warteten, erhielten wir die Nachricht, dass unsere Delegation von zyprischer Polizei belagert war, die es ihr verbot, sich von der Stelle zu bewegen. Zypern, ein europäisches Land, untersagte es europäischen Parlamentsabgeordneten, sich frei auf seinem Boden zu bewegen unter vollkommenem Bruch jeglichen Rechts und europäischer Bestimmungen! Als wir Verhandlungen mit der zyprischen Regierung begannen, begriffen wir, dass diese plötzliche Änderung der Haltung uns gegenüber direkt von Israel diktiert war. Von sieben Uhr morgens bis zur Dämmerung belog uns die zyprische Regierung und erklärte, sie habe missverstanden, dass die Prominenten die Erlaubnis hatten, sich in alle gewünschten Richtungen einschiffen zu können und dass es nur eine bürokratische Frage war, die gelöst werden müsse. Aber nichts geschah und unsere Parlamentsabgeordneten waren gefangen. Die zyprische Regierung agierte als verlängerter Arm Israels und ließ uns wertvolle Zeit verlieren. Heute morgen entschied die Delegation, dass uns als einzige Möglichkeit blieb, zum Hafen von Formogossa im Norden Zyperns unter türkischer Aufsicht zu kommen und von dort aus mit einem Schnellboot zu unserem Treffpunkt zu gelangen. Natürlich ist das unter türkischer Besatzung stehende Nordzypern eine sehr große politische Frage für unsere Koalition, die aus Türken, Griechen und Zyprioten besteht. Und unsere Delegation auszuschicken, um ein Boot am Hafen von Formogossa zu nehmen, das immer noch unter UN-Embargo steht, ist sogar eine äußert heikle politische Frage. Dies hätte dem griechischen und zypriotischen Teil unserer Koalition den Rücken brechen können. Beinahe tat es das auch. Jedoch das Gegenteil trat ein. Unsere Koalition hielt. Dies ist die leitende regierende Partei Zyperns, die zu spalten versucht, und die sieben griechischen und zypriotischen Parlamentsabgeordneten, die zur Koalition gehörten und nicht in den Norden Zypern gehen konnten, sind wütend auf die zyprische Regierung. Eine riesige Debatte wird momentan in Griechenland und Zypern über die Vorgänge und über unsere Flotille nach Gaza geführt. In ein oder zwei Stunden wird 80% unserer Delegation aus Parlamentsabgeordneten auf unsere Schiffe kommen und wir werden wie geplant nach Gaza segeln. Wir können also sagen, dass Israel in beiden Punkten seines Plans, den es durchzuführen versucht hat, verloren hat.
In wenigen Stunden wird der letzte und ausschlaggebende Abschnitt beginnen, nämlich wenn wir die Gewässer Gazas erreichen. Natürlich wäre es materiell ein leichtes für Israel, uns anzuhalten und festzunehmen, jedoch die politischen Kosten für Israel bei dieser Rechnung wären immens. So immens, weil alle Tricks und Fallen, die sie uns in den Weg zu legen versuchten, genau eines schaffen, nämlich mehr und mehr die Aufmerksamkeit der Menschen auf der ganzen Welt auf unsere Flotille und auf die Situation in Gaza zu richten. Und von all dem können wir etwas lernen, nämlich dass die Angst nicht auf unserer, sondern auf Israels Seite ist. Sie fürchten uns, weil wir den Zorn der Menschen auf der ganzen Erde repräsentieren. Menschen, die empört sind über das, was der kriminelle Staat Israel den Palästinensern antut und allen Friedliebenden, die es wagen, sich auf die Seite der Unterdrückten zu stellen. Sie fürchten uns, weil sie wissen, dass in naher Zukunft noch mehr Schiffe nach Gaza kommen werden, weil sich jeden Tag mehr und mehr Menschen dem Boykott Israels anschließen.
Thomas Sommer-Houdeville, CCIPPP
aktuelle Infos mit Livestream-video von Bord des türkischen Schiffes Mavi Marmara
http://gazafreedommarch.org/cms/en/news/View/10-05-30/Video_Gaza-bound_a...