Grabschändung: Jetzt ermittelt der Staatsschutz

Erstveröffentlicht: 
03.03.2017

Rechtsradikal oder religiös? Die Polizei vermutet eine Ideologie dahinter

 

Aalen-Wasseralfingen. sz. Die Hakenkreuzschmierereien, die sich in Wasseralfingen seit einigen Wochen häufen, haben eine neue Dimension erreicht. In der Nacht auf Mittwoch sind auf dem Wasseralfinger Friedhof vier muslimische Gräber verwüstet und die Grabsteine mit Hakenkreuzen beschmiert worden. Da die Polizei von einer politisch oder religiös motivierten Tat ausgeht, hat der Staatsschutz der Kriminalpolizei Waiblingen die Ermittlungen übernommen, sagt Rudolf Biehlmaier, ein Pressesprecher des Polizeipräsidiums Aalen, auf Nachfrage der „Aalener Nachrichten“.

 

Mit einem Dummejungenstreich habe die Tat bei weitem nichts zu tun. „Vielmehr steckt eine bestimmte Ideologie dahinter“, sagt Biehlmaier. Doch ob diese rechtsradikaler Natur ist oder einen religiösen Hintergrund hat, sei noch unklar. Die Ermittlungen vor Ort seien abgeschlossen. Doch die Spurensicherung auf dem Wasseralfinger Friedhof habe keine neuen Erkenntnisse erbracht. Unklar ist nach wie vor, ob es sich um einen oder mehrere Täter gehandelt hat. 

 

Polizei ist keine rechtsradikale Szene bekannt


Gegenstand der Ermittlungen, die der Staatsschutz der Kriminalpolizei Waiblingen gemeinsam mit der örtlichen Polizei und der Ellwanger Staatsanwaltschaft übernommen hat, sei es auch aufzuklären, ob die vorhergehenden Taten in Wasseralfingen mit den Grabschändungen in Verbindung stehen. Vor geraumer Zeit wurden an der Schillerlinde Schilder und ein Gedenkstein mit Hakenkreuzen besprüht. Auch das Besucherbergwerk Tiefer Stollen, eine Toilette im Bürgerhaus und die Hauswände der Braunenbergschule wurden mit dem verbotenen Symbol des Nationalsozialismus’ beschmiert. Aufgrund der räumlichen Nähe sei allerdings davon auszugehen, dass alle diese Taten auf das Konto von ein und demselben Täter oder ein und derselben Täter gehen. Mit der Schändung muslimischer Gräber haben diese allerdings ihren Höhepunkt erreicht.

 

Dass dahinter eine politische Gesinnung stehen könnte, sei nicht auszuschließen, sagt Biehlmaier. Allerdings gebe es weder in Wasseralfingen noch in Aalen oder im gesamten Ost-albkreis eine rechtsradikale Szene. Eine solche brauche es auch nicht. „Es reicht, wenn eine kleine Gruppe eine bestimmte Ideologie vertritt, die sie zu so einer Straftat treibt“, erklärt Biehlmaier. Wobei der Polizei solch einschlägige Personen mit rechtsradikalem Hintergrund nicht bekannt seien. Das Motiv für die Tat könne allerdings auch religiös motiviert sein, sagt der Polizei-Pressesprecher und denkt an Muslime, die es nicht gerne sehen würden, wenn ihre Gleichgläubigen in Deutschland beerdigt oder auf ihren Gräbern christliche Symbole wie etwa Engel aufgestellt werden.

 

Die verwüsteten Gräber seien am Mittwoch von einer älteren Bürgerin entdeckt worden. Allerdings wurde die Polizei erst gegen 15.30 Uhr durch Familienangehörige der Frau alarmiert. Noch am Mittwoch vor Ort waren auch der Bürgermeister der Stadt Aalen, Karl-Heinz Ehrmann, und Wasseralfinges Ortsvorsteherin, Andrea Hatam. Das Bild, das sich ihr bei den muslimischen Gräbern geboten hat, werde sie so schnell nicht vergessen. „Der Grabschmuck und die Grablichter waren zerstört, Blumenschalen umgeworfen und Pflanzen herausgerissen.“ Das Schlimmste seien allerdings die 50 auf 50 Zentimeter großen Hakenkreuze auf den weißen Marmorgrabsteinen gewesen. „Ich bin einfach geschockt und mit mir viele Bürger, mit denen ich bereits gesprochen habe“, sagt Hatam. 

 

Bürger sollen wachsam sein und Beobachtungen melden


Geschockt war auch Felizitas Bajramova. Einen Tag nach den Verwüstungen auf dem Friedhof wollte sie zusammen mit ihrer Mutter eigentlich nur das Grab ihrer Schwester besuchen. Für das, was sie hier gesehen hat, findet die junge Frau keine Worte. „Moralisch ist diese Tat gar nicht erklärbar“, sagt sie. Es sei die politische Lage, die sie und ihre Familie nun zu spüren bekämen. „Unsere Familie war immer vorurteilsfrei. Religion, Hautfarbe oder Herkunft sind für uns nicht wichtig.“ Der Schmerz sitze noch immer tief. Bajramova fordert nun, dass die Stadt Aalen für die Reinigung des Grabes aufkommt.

 

Schmierereien an sich seien schon schlimm, aber Gräber zu schänden, übersteige alles, betont Hatam, die die Tat auch in der Ortschaftsratssitzung am Dienstag zum Thema machen will. An einen Dummejungenstreich glaubt auch sie nicht und „die Vorfälle in der vergangenen Zeit bereiten mir große Sorgen“, sagt sie und hofft inständig, dass der oder die Täter gefasst werden. Ob es eine rechtsradikale Gruppierung in Wasseralfingen gibt, sei ihr nicht bekannt. Sicherlich gebe es hier Bürger die rechts wählen – aber auch nicht mehr als in anderen Aalener Stadtbezirken.

 

Ihr Appell an die Wasseralfinger ist ganz klar. Nicht die Augen verschließen und sich bei Beobachtungen sofort an die Polizei wenden. Sie selbst werde jetzt noch wachsamer sein als sonst. Seit den Vorfällen an der Braunenbergschule sei sie dort täglich abends unterwegs. Und auch sonst sehe die Ortsvorsteherin, die die Initiative der Nachtwanderer in Wasseralfingen gegründet hat, nach dem Rechten. Eine verstärkte Präsenz kündigt auch Biehlmaier in Form von Polizeistreifen an.

 

Die Polizei bittet zur Aufklärung der Tat auf dem Wasseralfinger Friedhof um Zeugenhinweise.