Christoph Leonhardt ist 17 Jahre alt, Vorsitzender der Schüler Union Leipzig und hat sich auf Facebook für die Abschiebung eines Mitschülers eingesetzt. Seitdem wird er beschimpft und bedroht. Was treibt ihn an? Ein Interview. von Sebastian Eder
Herr Leonhardt, Sie haben sich auf Facebook dafür eingesetzt, dass einer Ihrer Mitschüler am Leipziger Max-Klinger-Gymnasium abgeschoben wird. Jetzt werden Sie in dem Netzwerk aufs Übelste beschimpft, ein Nutzer schreibt: „Ich hoffe, dass dir jemand die Nase bricht.“ Wie kam es zu Ihrem Post?
Es ging damit los, dass mein Mitschüler Luan Zejneli einen Brief bekommen hat, in dem stand, dass er bis zum 23. Februar, also bis diesen Donnerstag, Deutschland verlassen muss. Seine Eltern sind vor zwei Jahren aus dem Kosovo gekommen, jetzt wurde ihr Asylantrag abgelehnt. Luan geht in die neunte Klasse, ich bin der Zwölften, ich kenne ihn vom Sehen. Einer seiner Mitschüler hat Mitte Februar eine Online-Petition mit dem Ziel gestartet, dass Luan in Deutschland bleiben kann. Diese Petition hat viel Zustimmung erfahren, wurde von Til Schweiger auf Facebook geteilt, Medien haben darüber berichtet. Außerdem haben die Jusos und die Linksjugend das Thema aufgegriffen und meiner Meinung nach Luan dafür instrumentalisiert, ein dauerhaftes Bleiberecht für alle zu fordern. Weil ich Vorsitzender der Schüler Union Leipzig bin, haben mich Mitschüler dann gebeten, dazu auch etwas zu sagen. Das habe ich gemacht.
Auf Facebook hat die Schüler Union zu der Pressemitteilung ein Foto von Ihnen veröffentlicht. Auf dem sitzen Sie lächelnd im Anzug da, über Ihnen steht das Zitat: „Der Asylantrag wurde rechtsstaatlich geprüft und abgelehnt. Luans Eltern halten sich illegal in Deutschland auf.“
Das Einzige, bei dem ich sagen muss, das ist etwas unglücklich, ist das Foto. Ich wurde ja schon mit dem fiktiven Facebook-Charakter „BWL-Justus“ verglichen. Aber das Bild ist nicht in dem Zusammenhang entstanden, sondern ist ein allgemeines Pressefoto. In dem Kontext ist das nicht passend.
Sie sind erst 17 Jahre alt. Es gibt den Spruch: Wer mit 20 Jahren kein Kommunist ist, hat kein Herz. Wer mit 30 Jahren noch Kommunist ist, hat keinen Verstand. Hatten Sie nie eine Phase, in der Sie Gesetze und Regeln hinterfragt haben?
Ich bin sehr konservativ erzogen worden, trotzdem kann ich natürlich nicht komplett nüchtern auf so einen Fall blicken. Luan kann einem ja nur Leid tun, Kinder sind immer die Leidtragenden. Ihre Eltern stellen aussichtslose Asylanträge und weigern sich dann bei Ablehnung, das Land wieder zu verlassen. Auch wenn es schwer ist, müssen er und seine Mitschüler den rechtskräftigen Beschluss jetzt akzeptieren.
Das ist nachvollziehbar und völlig korrekt. Aber doch ungewöhnlich, dass man das mit 17 schon so rational sehen und hart formulieren kann. Hatten Sie nie eine Phase, in der Sie dachten: Es ist doch Mist, dass es den Menschen auf der Welt so unterschiedlich gut geht, bevor Sie akzeptiert haben, dass das eben die Realität ist, mit der man umgehen muss?
Ich war schon immer sehr rational. Natürlich hatte ich auch mal eine Phase, in der ich das alles sehr ungerecht fand, vielleicht mit 14, das hat jeder mal. Aber inzwischen versuche ich, solche Fälle rational abzuwägen.
Was machen Sie denn so in Ihrer Freizeit, abgesehen von Politik?
Ich gehe gerne schwimmen, manchmal außerdem Jump-Tanzen. Aber die Politik nimmt schon einen großen Raum in meiner Freizeit ein, ich sitze im Leipziger Jugendparlament, bin Mitglied in der Schüler Union, der Jungen Union und der CDU.
Wissen Sie, ob Luan das Land mittlerweile verlassen hat?
Nein, ich werde es spätestens am Montag erfahren, dann geht die Schule weiter.
Wird der Streit um die Abschiebung dann noch ein Thema sein?
Bestimmt. Wer mit mir sachlich diskutieren will, kann das sehr gerne machen.
Und wie gehen Sie mit heftigen Beleidigungen um? Man möchte gar nicht alles zitieren, was auf Facebook steht.
Bis zu einem gewissen Maße kann ich das akzeptieren. Aber ich werde mich mit einem befreundeten Anwalt zusammensetzen und mir das noch mal ganz genau anschauen. Ich habe noch gar nicht alles gelesen. Und am Ende werde ich vor Strafanzeigen nicht zurückschrecken.