Ein Platz für Gott in der Verfassung

Erstveröffentlicht: 
16.02.2017

Soll ein Gottesbezug in die modernisierte, hessische Landesverfassung aufgenommen werden? Ein entsprechender CDU-Vorschlag stößt im Landtag auf Ablehnung.

 

Die hessische Verfassung soll modernisiert werden. Insgesamt 280 Änderungsvorschläge seien mittlerweile beim Verfassungskonvent des Landtags eingegangen, berichtete der Vorsitzende Jürgen Banzer (CDU) am Mittwoch in Wiesbaden.

 

Dort hörten die Abgeordnete am Mittwoch Experten zu möglichen Änderungen an. In akademischer Sprache wurde dabei auch über einen der heftigst umstrittenen Punkte beraten: Soll ein Gottesbezug in die Landesverfassung aufgenommen werden?

 

Die CDU-Fraktion hat einen entsprechenden Vorschlag vorgelegt, der von den christlichen Kirchen unterstützt wird. Darin übernimmt sie eine Formulierung des Grundgesetzes, wonach sich das Volk seine Verfassung „im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen“ gegeben habe. Hinzusetzen wollen die Christdemokraten den nicht weniger umstrittenen Hinweis auf Hessens „christlich-humanistische Tradition“.

 

Der CDU-Obmann Christian Heinz wies darauf hin, dass seine Fraktion den Gottesbezug nicht als „Verpflichtung auf das Christentum oder auf einen persönlichen Gott“ verstehe. Hessen solle auch nicht als „christlicher Staat“ definiert werden.

 

Vielmehr sei die Berufung auf Gott als „Absage an alle totalitären Staatsmodelle“ zu verstehen. „Alle staatliche Politik muss den Menschen in seiner Würde achten und in Rechnung stellen, dass er weder als Individuum noch als Kollektiv in Bezug auf die Bedingungen seiner Existenz souverän ist“, formulierte CDU-Politiker Heinz.

 

Der Göttinger Verfassungsrechtler Christian Starck, der als Experte geladen war, trug diese Position in identischen Worten vor. Der Grünen-Obmann Frank Kaufmann begegnete dem Vorstoß des Koalitionspartners skeptisch. Er fühlte sich an einen „Gottesstaat“ erinnert – und der sei nun gerade keine Absage an totalitäre Staatsmodelle, sondern selbst totalitär. 

 

Wagner: Nichtgläubige diskriminiert


Jura-Professor Starck wies den Vergleich zurück. „Heute wird niemand daran denken, dass in Hessen ein Gottesstaat errichtet werden soll, weil in der Präambel die Verantwortung vor Gott und den Menschen verankert werden soll“, entgegnete er.

 

Keine Fraktion unterstützte die Forderung der CDU, einen Gottesbezug in der Verfassung festzuschreiben. Der Grüne Kaufmann betonte, eine Präambel solle das enthalten, „was alle einigt“. Ähnlich formulierte Norbert Schmitt (SPD). Eine Präambel solle den „größtmöglichen gesellschaftlichen Konsens“ ausdrücken, stellte er fest. Ziel müsse es doch sein, „dass alle Hessen sagen können: Das ist unsere Verfassung.“ Daher solle man niemandem Anlass geben zu sagen, das sei nicht seine Verfassung.

 

Der Linken-Politiker Ulrich Wilken stellte in Frage, warum man ausgerechnet heute von der Entscheidung der Verfassungsväter und -mütter abrücken solle, die bewusst auf einen Gottesbezug verzichtet hätten. Ihm leuchte auch nicht ein, warum Bezug auf die „christlich-humanistische Tradition“ genommen werden solle, ohne etwa die jüdischen Wurzeln Hessens zu erwähnen.

 

Besonders vehement wandte sich Martin Wagner vom Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten gegen die vorgeschlagenen Formulierungen. „Wir Nichtgläubige fühlen uns durch eine solche Formulierung diskriminiert“, stellte er fest. Gegen die Aufnahme des Gottesbezugs hatten sich bereits Gruppierungen gewandt, die nicht zum hessischen Verfassungskonvent eingeladen sind, so der Humanistische Verband Deutschlands und die Piratenpartei.

 

Der als Experte geladene Bochumer Rechtsprofessor Wolfram Cremer appellierte an die hessischen Abgeordneten, die knappe Präambel der Verfassung unverändert zu belassen. Es sei zwar möglich, zentrale Themen in einem solchen Text zu verankern, doch werde es viele derartige Forderungen von unterschiedlichen Gruppen geben. „Es werden nicht alle ihre Interessen in der Präambel unterbringen können“, stellte Cremer fest.

 

Der Professor sprach sich daher für die Originalfassung aus dem Jahr 1946 aus. „Die schlichte Schönheit der derzeitigen Verfassung gefällt mir außerordentlich gut“, sagte Cremer.

 

Im Wortlaut


 

Die Präambel der hessischen Verfassung ist bisher kurz und bündig gefasst. Sie lautet: „In der Überzeugung, dass Deutschland nur als demokratisches Gemeinwesen eine Gegenwart und Zukunft haben kann, hat sich Hessen als Gliedstaat der Deutschen Republik diese Verfassung gegeben.“

 

Die CDU schlägt eine Ausweitung vor: „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, in dem Willen, Würde, Leben und Freiheit des Einzelnen zu achten, den Wohlstand der Menschen zu fördern, das Gemeinschaftsleben in sozialer Gerechtigkeit zu ordnen, die natürlichen Lebensgrundlagen nachhaltig zu schützen, den Frieden zu sichern, den Rechtsstaat zu erhalten und als lebendiges Glied der Bundesrepublik Deutschland einem vereinten Europa und der Welt zu dienen, hat sich Hessen, eingedenk seiner Geschichte und christlich-humanistischen Tradition, ausgehend von den leidvollen Erfahrungen totalitärer Gewaltherrschaft und in der Überzeugung, dass Deutschland nur als demokratisches Gemeinwesen eine Gegenwart und Zukunft haben kann, diese Verfassung gegeben.“