Seit Wochen sorgt die geplante Umbenennung der Greifswalder Ernst Moritz Arndt Universität für heftigen Streit. Kritik kommt vor allem aus den Reihen von AfD und CDU. Mit einer "Aktionswoche" rufen Arndt-Befürworter zu verschiedenen Veranstaltungen auf. Der Protest gegen die Umbenennung offenbart auch, dass die Grenze zwischen der AfD und der vom Verfassungsschutz beobachteten, rechtsextremen "Identitären Bewegung" (IB) immer weiter verschwimmt. Und das, obwohl der AfD-Bundesvorstand im vergangenen Sommer eigentlich offiziell eine Zusammenarbeit mit den "Identitären" ausgeschlossen hatte.
Auf einer Mahnwache am 6. Februar in Greifswald arbeiteten AfD-Angehörige und Rechtsextremisten der "Identitären" offen zusammen. Die Arndt-Fans versammelten sich dabei vor dem Uni-Hauptgebäude. Organisiert wurde der Protest von Delphine Thiermann, stellvertretende Vorsitzende der AfD-Jugendorganisation "Junge Alternative in Hamburg" und ehemalige Studentin der Hochschule. Als Redner traten unter anderem die AfD-Abgeordneten Holger Arppe, Stephan Reuken und Nikolaus Kramer auf.
AfD unterstützt Mahnwache
Organisatorin Thiermann ist der IB offensichtlich mehr als freundlich gesonnen: Im Frühjahr 2016 bemühte sie sich um eine anonyme Fördermitgliedschaft bei der Hamburger IB-Gruppe, wie Screenshots belegen, die dem NDR vorliegen. Auf eine Anfrage des NDR hat Thiermann bisher nicht reagiert. Bei der Durchführung ihrer Mahnwache in Greifswald wurde Thiermann von Stephan Schmidt, Mitarbeiter des AfD-Abgeordneten Arppe, und Albert Glas unterstützt. Glas studiert an der Uni Rostock und ist Aktivist der "Identitären". Er beteiligte sich in der Vergangenheit mehrfach an IB-Aktionen, darunter an der Sitzblockade vor der Berliner CDU-Parteizentrale im Dezember.
Glas' Parteinähe ist nicht neu, bereits im September war er auf der Wahlparty der AfD in Schwerin zu Gast. Die Dokumentation der Mahnwache übernahm zeitweise Eike Liefke. Auch sie hat in der Vergangenheit an Aktionen der IB teilgenommen, Demos besucht und Flyer verteilt. Heute zeigt sie sich im Internet als Partnerin des AfD-Landtagsabgeordneten Stephan Reuken. Eine Anfrage des NDR ließ Reuken unbeantwortet. Auch Arppe reagierte bisher nicht auf eine Anfrage zu seinem Mitarbeiter Schmidt.
Kripo ermittelt nach Findlingsaktion
Bei ihrer jüngsten Aktion am vergangenen Samstag hatten die Identitären einen mehr als 600 Kilogramm schweren Findling mit Gedenkplakette für den umstrittenen Namenspatron vor der Universität abgelegt. Danach posierten sie für ein Foto. Darauf zu sehen: Aktivist Glas.
Die Aktion sei aus einer 20- bis 30-köpfigen Gruppe heraus erfolgt, unter denen auch Träger der bei Rechtsextremen beliebten Modemarke Thor Steinar gewesen seien, sagte ein Polizeisprecher. Die Kriminalpolizei habe die Ermittlungen übernommen.
Auf dem Foto sind neben Aktivist Glas weitere Köpfe der IB aus Mecklenburg-Vorpommern zu erkennen, darunter Regionalleiter Hannes Krünägel, Daniel Funke und Daniel Sebbin. Alle vier sind Gründungsmitglieder des im Oktober in Rostock gegründeten Vereins "Heimwärts", dessen Zweck laut Satzung unter anderem die "Einflussnahme auf die öffentliche Meinungs- und Willensbildung" sein soll.
"Hass abladen"
Als die Vereinsgründung im Dezember bekannt wurde, hatte Innenminister Lorenz Caffier gewarnt, Ziel der IB sei es, über "alles und jedem Hass abzuladen". IB-Sprecher bestritten damals einen Zusammenhang zwischen dem Verein und der IB.
Die Kooperation zwischen AfD-Angehörigen aus Mecklenburg-Vorpommern und Identitären ist aber keine Einbahnstraße. An der Sitzblockade vor der CDU-Parteizentrale in Berlin hatten sich Krünägel, Sebbin und Glas beteiligt. Alleine waren sie jedoch nicht: Zwischen den Polizisten, die die Blockierer schließlich wegtrugen, begleiteten Stephan Schmidt und Robert Schnell, Vorsitzender der Jugendorganisation der AfD "Junge Alternative M-V", die Polizeimaßnahmen. Die Spitzen des AfD-Landesverbands, Leif-Erik Holm und Bernhard Wildt, waren am Donnerstag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen, teilte Sprecher Lars Löwe mit.
Neuer Protest am Wochenende
Am Wochenende stehen Greifswald weitere Proteste ins Haus. Für Sonnabend ist eine Menschenkette unter dem Motto "Greifswalder für Arndt" angemeldet. Am Sonntag ruft eine "Bürgerinitiative" zur Kundgebung auf dem Marktplatz auf. Anmelder ist ein Organisator der selbst ernannten "Bürgerbewegung Frieden, Freiheit, Demokratie, Gerechtigkeit" (FFDG) der Kritiker antisemitische und rassistische Äußerungen vorwerfen.