Der Brandenburger AfD-Chef verteidigt seinen umstrittenen Parteifreund und positioniert sich gegen die Bundesvorsitzende Petry. Auch eine Zusammenarbeit mit Pegida schließt er nicht aus.
Von Thorsten Metzner und Laura Hofmann
Natürlich hält er zu Björn Höcke. „Er gehört zur AfD. Er hat nichts gesagt, wofür er sich schämen müsste!“, sagte Alexander Gauland, AfD-Bundesvize und Brandenburgs Landeschef am Sonnabend auf einem Landesparteitag in Rangsdorf. „Auch ich hätte mir manches in Ton und Inhalt anders gewünscht“, sagte Gauland über den Thüringer Fraktionschef, der mit seinen Aussagen zum Berliner Holocaust-Mahnmal und der Forderung nach einer erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad bundesweit Empörung ausgelöst hat. Deutschland sei das einzige Land, das sich ein "Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt" habe. „Aber, liebe Freunde“, sagte Gauland, „wenn die Granaten einschlagen, steht man zusammen“. Der Parteifreund könne nicht für Aussagen, die vor ihm schon Rudolf Augstein und Martin Walser getroffen hätten, verurteilt werden. Tosender Beifall.
Und
dann rügte Gauland, selbst Bundesvize, offen Bundeschefin Frauke Petry,
die sich in einem Rundbrief an die Mitglieder von Höcke distanziert
hat. Das sei allein Petrys „persönliche Meinung“, sagte Gauland, die
Partei brauche „keinen Weckruf als Beginn einer neuen Spaltung“. Erst
Recht nicht in diesem Jahr, wo die AfD mit einem starken Ergebnis in den
Bundestag einziehen wolle. Die AfD entschied am vergangenen Montag, Höcke nicht aus der Partei auszuschließen;
die Bundesvorsitzende Frauke Petry, die innerhalb der AfD zu Höckes
Gegnern zählt, schrieb jedoch in einer E-Mail an alle AfD-Mitglieder, es
gebe „ernste Fragen bezüglich seines Verhältnisses zur Partei und ihren
demokratischen Gremien“.
Auch zum Umgang seiner Partei mit Pegida äußerte sich Gauland am Sonnabend. Eine Zusammenarbeit mit der islam-und fremdenfeindlichen Organisation lehnte er nicht kategorisch ab. Jeder Landesverband müsse selbst entscheiden, wie und ob er mit der Gruppe zusammenarbeite; allerdings gebe es auch stark von der NPD dominierte Pegida-Demonstrationen, die für eine Zusammenarbeit nicht in Frage kämen.
Auszählung der Stimmen wurde abgebrochen
Nach Rangsdorf hatte Brandenburgs AfD die Basis geladen, um die Landesliste für den Bundestag im Herbst aufzustellen. Knapp jeder vierte der rund tausend Mitglieder erschien. Die AfD käme nach einer Umfrage zur Bundestagswahl im Land aktuell auf 20 Prozent, vor der SPD (19), hinter der CDU (30), womit etwa fünf, sechs Bundestagsmandate über die Landesliste in Aussicht wären, begehrte Mandate.
Die AfD versuchte, gleich eine Liste für 20 MdBs aufzustellen, so viele Abgeordnete hat Brandenburg, um die sich 36 Kandidaten bewarben – darunter eine einzige Frau. Das basisdemokratische Verfahren sorgte für Turbulenzen, so dass am späten Abend die Auszählung mehrfach wiederholt wurde bis in der Nacht der Parteitag unterbrochen wurde. Das Ergebnis soll am Sonntag verkündet werden.
Die Liste wurde in einem Rutsch gewählt, jeder hatte 20 Stimmen. Das Ergebnis bestimmt die Reihenfolge, was für die Kür des Spitzenkandidaten ein Risiko war. Nach dem Zwischenstand lag Gauland aber mit Abstand vorn, gefolgt von Roman Reusch, Leitender Oberstaatsanwalt bei der Generalstaatsanwaltschaft in Berlin. Gauland selbst hatte zudem klargestellt, dass er nach dem Einzug in den Bundestag sein Landtagsmandat niederlegen wird.Vorher hatte er für eine Übergangszeit ein Doppelmandat nicht ausgeschlossen.
In den Vorstellungsrunden gab es einige Seltsamkeiten: Ein Redner hielt Frauen für Führungspositionen nur geeignet, „wenn sie Kinder haben“. Ein anderer lobte die als rechtsextrem geltende Identitäre Bewegung.
Nur einer erhielt Beifall wie Gauland: Das war Dietmar Ertel, AfD-Stadtverordneter in Trebbin, Ortsvorsteher seiner Gemeinde, ehrenamtlicher Geistlicher der evangelischen Kirche, geübt in freier Rede. Er erzählte, wie er mit Parteifreunden in Trebbin den heruntergekommenen Bahnhof putze. Er wolle als „Volkstribun“ in den Bundestag, sagte Ertel. „Ich bin die neue Regine Hildebrandt der AfD.“
Sollte Gauland in den Bundestag gewählt werden, will er sein Brandenburger Landtagsmandat abgeben. Sein Nachfolger in Potsdam wäre der höchst umstrittene AfD-Politiker Jan-Ulrich-Weiß (41), gegen den Gauland selbst einen Parteiausschluss angestrebt hatte, weil er 2014 bei Facebook eine antisemitische Karikatur veröffentlicht hatte. Die Staatsanwaltschaft erhob damals Anklage wegen Volksverhetzung, das Amtsgericht sprach ihn jedoch frei.