Der Thüringer AfD-Landeschef ist am Holocaustgedenktag in der Gedenkstätte unerwünscht. Parteichefin Petry beklagt wegen Höcke den Verlust von Mitgliedern und Spendern.
Die Stiftung der KZ-Gedenkstätten in Thüringen hat den AfD-Landes- und Fraktionschef Björn Höcke vom Holocaustgedenktag ausgeladen. An dem bundesweiten Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus am Freitag in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald sei er nicht willkommen, teilte die Stiftungsleitung ihm mit.
"Nach seiner Rede in Dresden ist eine Teilnahme von Herrn Höcke an der Kranzniederlegung im ehemaligen KZ Buchenwald nicht akzeptabel", sagte der stellvertretende Direktor der Stiftung Rikola-Gunnar Lüttgenau. Höcke habe das öffentliche Erinnern an die Vernichtung der Juden diffamiert. Der Ehrenpräsident des Internationalen Komitees Buchenwald-Dora und Kommandos, Bertrand Herz, ergänzte: "Wir wehren uns gegen das Erscheinen von Verharmlosern beim Gedenken an der Stätte unseres Martyriums."
Hintergrund ist eine Rede, die Höcke vor einer Woche in Dresden gehalten hatte. Darin verlangte er im Hinblick auf die Aufarbeitung deutscher Geschichte eine "erinnerungspolitische Wende um 180 Grad". Über das Holocaustmahnmal in Berlin sagte er den Satz: "Wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat." Das hatte heftige Kritik in und außerhalb der Partei ausgelöst. Der AfD-Bundesvorstand beschloss daraufhin noch nicht näher bestimmte Ordnungsmaßnahmen gegen Höcke. Vor eingeleiteten Ermittlungen der Dresdner Staatsanwaltschaft schützt ihn nur noch seine Immunität als Abgeordneter.
Am Montag könnte das 13 Mitglieder große Gremium entscheiden, ob es einen Parteiausschluss Höckes beantragt, ihn seiner Parteiämter enthebt, ein Ämterverbot ausspricht oder ihn einfach nur abmahnt. Für alle diese satzungsmäßigen Ordnungsmaßnahmen ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Ermahnen oder rügen kann ihn der Bundesvorstand auch mit einfacher Mehrheit. Höcke hat in der Parteispitze jedoch auch eine Fraktion von mindestens drei Unterstützern, die Ordnungsmaßnahmen nicht offensiv mittragen wollen, darunter den Co-Bundesvorsitzender Jörg Meuthen.
Petry sieht parteischädigendes Verhalten
Kritik an seinem Auftreten erhält Höcke vor allem von Parteichefin Frauke Petry. Sie sprach nach der Rede von einem parteischädigenden Verhalten. Petry hatte schon Anfang 2015 versucht, Höcke zu maßregeln, was im Bundesvorstand jedoch scheiterte. Ob Höcke aus der Partei ausgeschlossen werden kann, hängt auch davon ab, wie konkret ein von ihm durch seine nationalistischen Reden verursachter Schaden nachweisbar ist.
Laut Petry zeichnet sich dieser mittlerweile konkret ab. In einer am Mittwochabend verschickten E-Mail an die Mitglieder schrieb sie: "Als Partei haben wir nach all diesen Auftritten Dutzende Veranstaltungsorte, Unterstützer und Spender verloren, auch der AfD wohlgesonnene Verbände ziehen sich zurück und die Verankerung in der Gesellschaft wird dadurch immer schwieriger."
Bisher hatte die AfD zwar keine erkennbaren Geldsorgen, neben der staatlichen Wahlkampfkostenerstattung erhält sie auch reichlich Spenden und Beiträge der mehr als 20.000 Mitglieder. Sie hat aber zuweilen Probleme, Veranstaltungsorte zu finden.
Von #Meuthen geführte #AfD-Fraktion fordert Streichung der Gelder für NS-Gedenkstätte #Gurs. Das zum Thema Erinnerungskultur +#Höcke. pic.twitter.com/jpxqBam7MN
— Matthias Meisner (@MatthiasMeisner) 20. Januar 2017
Höckes Umgang mit dem Nationalsozialismus ist nicht der erste Vorfall, der Kritik nach sich zieht. Die von Meuthen geführte Landtagsfraktion in Baden-Württemberg hat beantragt, die Fördergelder von 120.000 Euro für die NS-Gedenkstätte Gurs am Fuß der Pyrenäen im Landeshaushalt zu streichen. In das Lager hatten die Nazis Juden aus dem badischen Landesteil deportiert. Der neugeschaffene Posten sei in Zeiten der Haushaltskonsolidierung nicht zu erklären, begründeten die Abgeordneten ihren Antrag, "die Landesregierung vernachlässigt ihre Kernaufgaben", hieß es. Die anderen Fraktionen – Grüne, CDU, SPD und FDP – lehnen die AfD-Initiative ab.
Der Vizechef der Thüringer Gedenkstätten, Lüttgenau, äußerte Interesse daran, Wissenslücken bei Höcke zu schließen. Er könne "gern privat die Gedenkstätte und ihre Ausstellungen besuchen, um sich über die verheerenden Folgen nationalistischer und völkischer Gesellschaftspolitik zu informieren". Von einer Gedenkveranstaltung im Thüringer Landtag will Parlamentspräsident Christian Carius (CDU) die AfD-Fraktion aber nicht ausschließen. Zu Gedenktagen im Landtag seien grundsätzlich alle gewählten Abgeordneten des Parlaments eingeladen, sagte er.