Obwohl sie selbst mit unglaublicher Brutalität und Rücksichtslosigkeit gegen andere Menschen vorgegangen waren, fühlten sie sich durch das Urteil des Leipziger Amtsgerichts vom 27. Mai 2010 ungerecht behandelt und waren in Berufung gegangen. Deshalb saßen die sieben jungen Männer aus dem Neonazi- und Hooligan-Milieu am Mittwoch erneut vor den Schranken, nun des Leipziger Landgerichtes.
Echte Zweifel an der erstinstanzlichen Verurteilung wollte zur Eröffnung des Verfahrens nicht aufkommen. Die sieben Herren waren in dem vorangegangenen Urteil zu Haftstrafen bis zu zwei Jahren und acht Monaten verurteilt worden, weil sie nach Einschätzung des Gerichtes am 8. Mai 2008 einen Nightliner der LVB an einer Haltestelle in der Essener Straße überfallen hatten. Der Bus war vom Konzert "Leipzig zeigt Courage" am Völkerschlachtdenkmal gekommen. In ihm vermuteten die Schläger unter den Passagieren auch "Linke", denen sie eine Abreibung verpassen und sie zusammenschlagen wollten. Nachdem der Bus gehalten hatte, verwickelte der an der Haltestelle wartende Christian K. den Busfahrer in ein Gespräch, wobei er die Tür blockierte. Das nutzten seine Komplizen, die sich zuvor in einem nahe gelegenen Garagenhof versteckt hatten, um den Überfall zu starten, bei dem sie mit einem Kantholz und einem Teleskopschlagstock um sich schlugen und auf die Opfer eintraten.
Dabei wurde mindestens eine Person schwer verletzt. An dem Bus wurden Scheiben und Türen eingeschlagen. Oberstaatsanwalt Ricardo Schulz wirft ihnen außerdem vor, am 11. April 2008 vor dem Clubhaus Anker einen weiteren Überfall begangen zu haben. Dabei ließen sie wieder äußerste Brutalität walten und gingen sogar mit Leuchtspurmunition vor, mit der sie versuchten in das Clubhaus zu schießen, was ihnen aber misslang. Zwei Musiker, die sich auf dem Weg zum Club befanden, um an einem Vorausscheid zum "Courage zeigen"-Konzert teilzunehmen, wurden jedoch von der Bande durch Schläge und Tritte teilweise schwer verletzt.
Nachdem nun alle Angeklagten Berufung beziehungsweise Rechtsmittel eingelegt hatten, legte wiederum Oberstaatsanwalt Ricardo Schulz seinerseits Berufung ein. Auf sehr geduldiges Befragen des milde wirkenden vorsitzenden Richters Norbert Göbel verweigerten alle acht Angeklagten die Aussage. Lediglich Enrico W. Ließ durch seinen Verteidiger schriftliche Angaben zu seinen persönlichen Verhältnissen überreichen. Der Angeklagte Thomas K. kündigte zumindest an, eine Aussage zu machen. Dies nahm der Vorsitzende auch zum Anlass, um den Angeklagten ins Gewissen zu reden. Zumal es besonders im Falle von Thomas K. und Enrico W. auf der Kippe stünde.
Norbert Göbel: "Sie wandeln da auf einem schmalen Grat. Hier geht es um Bewährung oder Haftstrafe. Sie können Ihren Teil dazu beitragen. Überlegen Sie gut, wie Sie das anstellen." Zuvor hatten sich die Kammer und die Verteidiger der Angeklagten in einer über einstündigen Sitzung beraten. Dieses Gespräch bezeichnete Richter Norbert Göbel in feinstem "Diplomatensprech" als "konstruktiv und vielversprechend". Allerdings legte er allen Angeklagten noch einmal ans Herz, nachzudenken: "Sie haben bis zum 4. Mai, also bis zum nächsten Verhandlungstag, Zeit, in sich zu gehen. Und ich rate Ihnen allen, das zu tun. Ich bin sicher, dass sie das auch tun werden. Bis dahin kann jeder von Ihnen an sich arbeiten und ich möchte dann nur Positives von Ihnen hören. Wenn das so ist, dann sehe ich durchaus Chancen, dass die Sache für Sie noch gut ausgeht."
Ein bisschen wirkte der Vorsitzende Richter dabei wie ein geduldiger Vater, der seinen Bengeln, die was ausgefressen haben, ins Gewissen redet. Wie Bengel sahen die Angeklagten allerdings nicht aus. Und man kann auch kaum behaupten, dass sie lediglich etwas "ausgefressen" hätten. Sicher haben die Opfer der rechten Schläger dazu eine ganz andere Meinung. Mit einem Urteil wird Mitte Juni gerechnet. Mal schauen, inwieweit die Herren Angeklagten dann in sich gegangen sind. Wobei die Frage erlaubt sein darf, wie dann echte Reue von Heuchelei zu unterscheiden sein wird.
Denn zerknirscht wirkten die Angeklagten nur im Gerichtssaal in Anwesenheit von Richter und Oberstaatsanwalt. Während der Sitzungspause waren sie hingegen durchaus zu Scherzen aufgelegt.