[HRO] Lautstarke Demonstration gegen Abschiebung und Fluchtursachen

Demonstration am Neuen Markt

Etwa 400 Menschen demonstrierten am Samstag in Rostock gegen Abschiebungen und Fluchtursachen. Die Demonstration zog entlang des Weihnachtsmarktes. Während des Aufzuges blieb es ruhig. Der Demo vorausgegangen war eine mehrwöchige Kampagne zur Thematisierung der massiven Abschiebungen aus M-V und der Ursachen von Flucht.

 

Mit geringer Verspätung begann die Demonstration am Rostocker Hauptbahnhof gegen 13.30 Uhr mit einer Auftaktkundgebung. Redner*innen von Let´s meet, einem selbstorganisierten Geflüchtetencafé, und Rostock hilft!, einer lokalen Refugee-Unterstützerstruktur, stellten ihre Projekte vor und gingen auf die aktuelle Situation des rassistischen Rollbacks ein.

Im Anschluss setzten sich die Menschen in Richtung der Rostocker Innenstadt in Bewegung. Nach einem zunächst zögerlichen Start, kamen schnell lautstarke Parolen unter den Demonstrierenden auf. Neben der organisierten linksradikalen Szene der Stadt, konnten die Veranstalter*innen auch viele Refugees und antirassistisch eingestellte Menschen mobilisieren.

Am Neuen Markt, einem zentralen Punkt des Weihnachtsmarktes, hielt die Demonstration zu einer ersten Zwischenkundgebung. Der Anmelder und Vertreter des Geflüchtetenrates ging in einer kurzen Stellungnahme auf die schäbigen Deals Europas mit Staaten wie der Türkei und Afghanistan ein. Trotz absolut unsicheren Zuständen oder fatalen politischen Entwicklungen schlossen die westlichen Staaten immer wieder Abkommen mit Krisenregionen, um Refugees abschieben zu können. Ein weiterer Redner ging darauf ein und stellte die Frage: „Wenn Afghanistan angeblich so sicher ist, warum traut sich Innenminister de Maizière denn nur in schusssicherer Weste auf einen abgeschirmten Bundeswehrstützpunkt? Wenn das da so sicher ist, dann sollen die Herrschenden doch da mal ganz zivil Urlaub machen!“.

Im Anschluss an die Wortbeiträge zog die Demonstration rund 500 Meter weiter, um erneut eine Rede zu halten. Diesmal kamen die Demo-Organisator*innen der Gruppe Offemsiv zu Wort. In ihrem Beitrag machten sie deutlich, dass die wesentliche Ursache für Flucht, neben Herrschaftsverhältnissen und regressiven Ideologien, der Kapitalismus mit seinen vielfältigen Auswirkungen darstellt.

Auf einer weiteren Kundgebung, nur wenige hundert Meter entfernt, sprach dann ein Vertreter der antifaschistischen Jugendgruppe Rostock. In seinem Beitrag stellte er klar, dass Abschiebungen und Fluchtursachen und damit auch der Kapitalismus nur gemeinsam angegangen werden können. Antifaschistische, antirassistische und antikapitalistische Kämpfe müssen zusammengeführt werden und die Protagonist*innen gemeinsam und solidarisch für eine bessere Welt kämpfen.

Neben diesem Beitrag wurde ein Text der Leipziger Gruppe ineumanity verlesen, der sich mit den Unmenschlichkeiten der Dublin IV Verordnung befasst und auf die neue Leipziger Kampagne hinweist.

Ihren Abschluss fand die Demonstration auf dem Doberaner Platz, einem Knotenpunkt am Rande des alternativ geprägten Viertels KTV. In einer kurzen Ansprache ging ein Redner darauf ein, dass Menschen gemeinsam und solidarisch kämpfen müssen gegen eine Welt voller Ablehnung und Ausgrenzung. Und dass die Alternative zu diesen Ideen nur eine bessere Gesellschaft auf Basis der Solidarität sein kann.

Entlang der Demonstration verteilten Aktivist*innen hunderte Flyer, die auf das Anliegen der Demonstration aufmerksam machten. Erfuhren viel Zuspruch aber auch Unverständnis und Ablehnung. Einige Passant*innen legten eine erschreckende Gleichgültigkeit und Menschenverachtung an den Tag. Hauptsache der Glühwein schmeckt.

Während der gesamten Demonstration kam es zu keinen nennenswerten Störungen. Die Polizei hielt sich stark zurück und begleitete den Aufzug nur rudimentär.

Auch faschistische Gruppen behelligten die Demo nicht direkt. Allerdings konnten Neonazis der Gruppen Rostocker Patrioten und Rostocker Division gesichtet werden.

Eine rechte Gruppe namens Rostocker Widerstand stellte zudem ein Video der Demonstration ins Netz und kommentierte es mit den Worten: „Heute am frühen Nachmittag ist der Linke Kindergarten durch die Rostocker Innenstadt mehrmals lang gelaufen.“. Besonders peinlich: Gefilmt wurde das Video von zwei 8-jährigen Kindern. Offensichtlich trauten sich die deutschen Recken nicht selbst an die Demonstration und schickten stattdessen den „Volkssturm“ vor.

Aufgrund der prekären rechtlichen Lage der Refugees wurde von einer Intervention gegen Neonazis abgesehen.

 

Mit 400 Teilnehmenden hat die Demonstration die zahlenmäßigen Erwartungen erfüllt. Die Menschen kamen aus verschiedenen politisch linken Spektren. Besonders erfreulich ist die Teilnahme zahlreicher Refugees, denen so ein Rahmen geschaffen wurde ihre Stimme zu erheben. Zudem konnten unzählige Menschen am Rande des Weihnachtsmarktes erreicht werden. Störungen blieben aus und hilfesuchenden Geflüchtete konnten Kontakte zu Unterstützer*innen vermittelt werden. Die Veranstaltung kann allerdings nur ein Anfang im Kampf gegen die permanenten Abschiebungen aus dem Bundesland, die europäische Abschottungspolitik, Kriegstreiberei und Kapitalismus sein. Abschiebungen kann sie nicht verhindern. Aber sie kann ein Anstoß sein für Menschen, sich konsequent und mit direktem Widerstand gegen Abschiebungen zu stellen. Die Blockade einer Sammelabschiebung im Mai diesen Jahres ist ein erstes Beispiel für diesen Widerstand.

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"Zuerst möchten wir uns bei allen politisch aktiven Menschen bedanken die grade hier mit uns auf der Straße sind, denn wir finden, dass es in einer Zeit, in der jeder von uns den politischen Rechtsruck immer deutlicher zu spüren bekommt, umso wichtiger ist auf die Straße zu gehen und auch bei schlechtem Wetter zu zeigen, dass Abschiebungen scheiße, und in keiner Hinsicht irgendeine Methode sind, um derartige Probleme zu lösen und zu zeigen, dass wir uns solidarisieren mit allen Menschen die aufgrund ihrer Herkunft in Europa keine Chancen auf ein Leben in Sicherheit haben. 

Doch leider zeigen uns die aktuellen Ereignisse wieder, dass der Protest in den letzten Monaten gegen Abschiebungen und für einen solidarischen und menschenwürdigen Umgang mit Geflüchteten nicht ausreichend war. Mit der AfD und einer immer noch starken CDU im Landtag wird sich das in den nächsten Monaten auch nicht einfach so ändern.

Doch wir finden es hat sich auch schon in letzter Zeit gezeigt, dass politisch linke Arbeit grade in Regionen wie Mecklenburg-Vorpommern wichtiger werden muss um linksradikaler Politik Perspektiven zu geben. 

Dabei ist linksradikale Politik für uns mehr als nur das Fahren auf Demonstrationen, die Teilnahme an Kundgebungen oder das Feiern von linker Musik.

Linksradikale Politik bedeutet auch in allen Bereichen des alltäglichen Lebens seine politische Meinung eine Rolle spielen zu lassen. 

Ob in der Schule, in der Uni oder im Büro, Politik ist überall wichtiger denn je.

Wir alle dürfen dabei aber nicht vergessen, dass es bei linksradikaler Politik nicht nur darum geht Abschiebungen scheiße zu finden und Geflüchtete willkommen zu heißen, sondern das es auch darum geht sich als Teil eines beharrlichen gesellschaftlichen Gegenpol zu begreifen. Um linksradikaler Politik Perspektiven zu schaffen müssen wir auch Voraussetzungen herstellen, die uns einen gemeinsamen Kampf für eine bessere Welt ermöglichen. In unseren Augen ist ein großer Teil dieser Voraussetzungen sich mit gleichgesinnten zusammen zutun, vielleicht weg zusehen von persönlichen Differenzen, sich zu organisieren, sich auf der Strasse zu vereinen und gemeinsam für ein schöneres Leben für alle zu kämpfen. Dabei müssen wir auch alle eine unentwegte Gewissheit behalten und zwar dass eine bessere Welt möglich ist. Das es sich jedes mal lohnt den Banknachbarn abschreiben zu lassen, vor dem Kontrolleur länger nach dem Ticket zu suchen oder im Regen in irgendeine Kleinstadt zu fahren weil dort wieder ein Naziaufmarsch ist. Doch uns allen muss  jeden Tag wieder Bewusst werden, dass sich gerade heute niemand von uns mehr leisten kann unpolitisch zu sein. Dass wir kämpfen müssen, damit sich etwas ändert. Dass wir nicht abstumpfen dürfen bei dem vielen Leid welches wir jeden Tag sehen oder erleben. Denn jeder Mensch der Leid erfährt ist einer zu viel. Was wir brauchen ist Solidarität. Eine Solidarität die über jede Staatsgrenze, über jeden Ozean und über jede Religion hinaus geht. Lasst uns zusammen finden und zusammen kämpfen und Solidarität gemeinsam wieder eine Waffe werden lassen! "