Aktivisten der Roten Flora bereiten ihre Protest-Planungen für den G20-Gipfel in Deutschland vor. Sie sagen: „Das Strafgesetzbuch ist für uns kein Kriterium.“ Die Polizei beobachtet die Szene genau.
„Wir brauchen noch mehr Stühle“, ruft ein bärtiger Mittzwanziger im Kapuzenpulli durch die Rote Flora, in der am Donnerstag mehr als 200 Menschen zu einer Vollversammlung zusammengekommen sind – Anwohner, alteingesessene Aktivisten, gepiercte Jugendliche. Am Eingang des seit 27 Jahren besetzten Gebäudes prangt ein Zettel: „Bullen, Verfassungsschutz und Spitzel, verpisst euch“ – und auch Journalisten sind an diesem Abend unerwünscht. An der Tür ist an diesem Abend für Reporter kein Durchkommen.
Anlass der Vollversammlung ist der G20-Gipfel, der im Juli 2017 in Hamburg stattfindet. Die Staatschefs der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer werden dann erwartet, zusätzlich 6500 Delegierte. Seit Monaten tüftelt die Polizei an einem entsprechenden Sicherheitskonzept, seit Monaten plant die linke Szene Protestaktionen, trifft sich zu Infoveranstaltungen, tauscht sich aus. Am Donnerstag haben Aktivisten in der Roten Flora am Schulterblatt getagt und geplant.
Veranstaltungsort des Gipfels sind die Messehallen, 1500 Meter von der Roten Flora entfernt – auch das OSZE-Treffen wird im Dezember hier stattfinden. Für Sylvie, eine Aktivistin Anfang 20, die ihren Nachnamen nicht in der Zeitung lesen will, ein Affront: „Der G20 steht für alles, was wir ablehnen: Armut, Ausbeutung und Rassismus“. Was man stattdessen wolle? „Eine basisdemokratische Gesellschaft, in der alle haben, was sie wollen und brauchen. Und nicht nur der Profit zählt wie im Kapitalismus.“
„Das Strafgesetzbuch ist für uns kein Kriterium“
Am zweiten Dezemberwochenende organisiert Sylvie eine Aktionskonferenz, um die Proteste gegen den Gipfel vorzubereiten. „Das Strafgesetzbuch ist für uns kein Kriterium: Was legitim ist, muss nicht unbedingt legal sein.“ Den Aufruf zur Aktionskonferenz verbreiten die Aktivisten unter anderem auf Englisch und Kurdisch, bald soll er auch noch auf Griechisch, Italienisch und Spanisch übersetzt werden – Sylvie und ihre Mitstreiter hoffen auf Tausende Protestler aus ganz Europa, die nächsten Sommer extra dafür nach Hamburg kommen werden. „Gerade wegen des aktuellen Rechtsrucks ist es wichtig, ein Zeichen zu setzen, dass eine solidarische Zukunft möglich ist“, sagt sie.
Die Behörden haben bereits umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen für den Gipfel angekündigt. „Ich wohne in der Nähe der Messehallen, während des G20 wird dort ein Polizeistaat etabliert“, sagt Sylvie. Sie fühle sich an das Gefahrengebiet erinnert, das die Polizei in Hamburger Szenevierteln wie St.Pauli vor drei Jahren ausgerufen hatte, nachdem es monatelang zu großen und teilweise gewaltsamen Demonstrationen der linken Szene gekommen war.
Bei der Polizei heißt es, dass man die Aktivitäten der linken Szene beobachte – besonders die sozialen Netzwerke würden dabei als Informationsquelle dienen. Für Fragen zu den politischen Großveranstaltungen wurde ein Bürgertelefon eingerichtet, im Schnitt würden derzeit täglich etwa ein Dutzend Anrufe eingehen, so ein Polizeisprecher. Besonderes häufig seien Fragen zu möglichen Verkehrsbehinderungen.