Vortrag über die „Himmler-Bibel“ mitten in Dresden

Erstveröffentlicht: 
10.10.2016

Als das rechtsaußen-Magazin COMPACT vergangenes Jahr eine Veranstaltung mit Götz Kubitschek in Dresden durchführen wollte, kündigte kurz vorher das Feldschlösschen-Stammhaus den Mietvertrag. Unter anderem antifaschistischer Protest hatte wohl letztlich dazu geführt. Die Veranstaltung, mit dem Titel „Asyl. Die Flut – Wo soll das enden?“, wurde von Elsässer aber doch noch als „Sieg für die Meinungsfreiheit“ gefeiert. Die Gaststätte „Zum Schießhaus“ neben dem Schützenplatz, hatte kurzfristig angeboten, die Räumlichkeiten zu stellen. Auch die AfD Dresden nutzte das Schießhaus mehrfach als Veranstaltungsort, mit gewohnt plumper Themensetzung, wie zum Beispiel „Political Correctness“ oder „Finanzen, Steuer und Wirtschaft“.   

 

Von Till Sorge


Für Ende Oktober ist jetzt eine Veranstaltung im Schießhaus angekündigt, die noch weiter geht. Ein sogenannter „Freundeskreis der Ludendorff-Bewegung“ kündigt einen Kapitän a.D. Harm Merkens an, der über die sogenannte „Himmler-Bibel“ sprechen soll. Genauer heißt es in der Einladung zur „Herbstveranstaltung“: „Entdeckungen in Verbindung mit den Oera-Linda Handschriften und Entstehung der ersten Buchstabenschrift und der Gesetze entsprechend den Oera Linda Handschriften“.

 

Diese „Handschriften“ sind auch als „Ura-Linda Chronik“ bekannt, und schon kurz nach ihrer Veröffentlichung am Ende des 19. Jahrhundert als Fälschung eingestuft wurden. Nichtsdestotrotz ist das Buch eine beliebte „Quelle“ für sogenannte „Atlantisforscher“. Herman Wirth, der 1933 eine deutsche Übersetzung des Buches herausbrachte, wurde, zusammen mit Heinrich Himmler, Mitbegründer der Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe. Ein Verein, der vor allem Himmlers starkes Interesse an okkulten Pseudowissenschaften befriedigen sollte. Wikipedia dazu:

 

Heinrich Himmler baute sich mit der Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe ein Instrument auf, das ihm einen unangreifbaren Platz im NS-Machtapparat sichern sollte. Das auf den ersten Blick verwirrende und abstruse Spektrum an Untersuchungsbereichen der Institute der Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe diente in seiner Gesamtheit dem Zweck, die NS-Rassenideologie des Arischen Herrenmenschen wissenschaftlich zu untermauern und daraus abgeleitete Verbrechen wie ethnische und kulturelle Verfolgung pseudowissenschaftlich zu legitimieren.

 

Der Referent im Schießhaus hat mit dem Lühe-Verlag einen eigenen kleinen Verlag, in dem v.a. antisemitische Faksimile ab dem ausgehenden 19. Jahrhundert erscheinen und gleichfalls aktuelle revisionistische und einschlägige Literatur, die im Verlagsprogramm mit Sätzen wie folgt angepriesen werden: „Dieser Verrat von Juden, denen es in Deutschland gut ging, an ihrem Wirtsvolk jährt sich zum 100. Male.“ Merkens ist auch öfter im Umfeld der rechtsextremen Zeitschrift „Recht und Wahrheit“ und dessen Herausgeber Meinolf Schönborn zu sehen, der am gleichen Wochenende ein „Lesertreffen“ im Harz durchführt.

 

Harm Merkens trat auch zusammen mit Ursula Haverbeck auf, einer mehrfach verurteilten Holocaust-Leugnerin. Der einladende Freundeskreis bezieht sich wiederum auf den „Bund für Deutsche Gotterkenntnis“, einem Bund, der von Erich und Mathilde Ludendorff nach dem ersten Weltkrieg gegründet wurde. Dieser Bund hat heute die Rechtsform eines eingetragenen Vereins und wird vom Verfassungsschutz als antisemitisch und rechtsextrem bewertet. Im Prinzip handelt es sich um eine Art völkisch-rassistische Sekte, eine der wenigen religiösen Vereinigungen, die als Neugründung im dritten Reich „gebilligt“ wurden.

 

Da die Veranstaltung im Schießhaus als geschlossene Veranstaltung beworben wird, findet sich in der Einladung eine Kontaktperson mit Telefonnummer zur Anmeldung. Dabei handelt es sich um einen ehemaligen Stadtratskandidaten der NPD in Dresden, der es nicht ins Rathaus schaffte. Dieser bewirbt unter der Einladung noch einen sogenannten „Bundesstaat Sachsen“, eine weitere „kommissarische Reichsregierung“ aus Dresden, deren Hochglanzbroschüre der Einladung beiliegt. Da er die Adressaten als „Bewohner des vereinten Wirtschaftsgebietes (Art. 133 GG)“ anspricht, ist zu vermuten, dass er besagtem „Bundesstaat Sachsen“ mindestens nahe steht.

 

Bemerkenswert ist, dass solcherlei offen antisemitische und rassistische Referenten und Vereine inmitten der Dresdner Altstadt einen Ort gefunden zu haben scheinen, in dem sie ungestört ihre Veranstaltungen durchführen können. Die Botschaft ist dabei so klar wie fatal: Nazistische Denkweisen und die Propagierung derer stellen kein Problem mehr dar, im Gegenteil. Eine schriftliche Anfrage des Störungsmelders zu der Veranstaltung an den Betreiber des Schießhauses blieb unbeantwortet.