CDU-Generalsekretär im Interview - Kretschmer: „Die EU braucht eine zentrale Einreisedatei“

Erstveröffentlicht: 
10.10.2016

Nach der Festnahme des syrischen Terrorverdächtigen in Leipzig fordert Sachsens CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer eine Einreisedatei in Europa. „Deutschland ist keine Insel der Glückseligen“, sagte er im LVZ-Interview.

 

Michael Kretschmer im Interview zur Sicherheitslage in Deutschland.

 

Welche Schlüsse ziehen Sie aus der Festnahme des Terrorverdächtigen Dschaber al-Bakr in Leipzig?


Zunächst mal: Wir dürfen jetzt nicht alle Syrer über einen Kamm scheren. Es ist ein gutes Signal des Schicksals gewesen, dass es zwei Syrer waren, die den Terrorverdächtigen festgesetzt und der Polizei übergeben haben. Der überwiegende Teil der Flüchtlinge flieht ja gerade vor diesem Terror aus seinem Heimatland. Aber man kann jetzt auch nicht so tun, als wäre nichts gewesen. Der Staat muss handlungsfähig sein. Deshalb müssen wir uns fragen: Sind wir genügend vorbereitet? Es gibt eine Menge von Vorschlägen seitens der Union, mit der wir aber immer wieder an Bundesjustizminister Heiko Maas scheitern.

 

Zum Beispiel?


Der Verfassungsschutz soll auf die Dateien von Migranten und Flüchtlingen schauen können, die sogenannten Kerndaten-Dateien. Damit kann man einen Abgleich führen und Personen finden, die möglicherweise woanders schon einmal aufgefallen sind und nun bei uns in Deutschland Asyl beantragen. Das wäre ein Mindestmaß an Sicherheit. Das muss jetzt kommen. Deutschland ist keine Insel der Glückseligen, auch hierher werden Terroristen kommen. Und die Frage ist: Haben Justiz und Polizei genügend Instrumente zur Hand, um dagegen vorgehen zu können?

 

Brauchen wir auch schärfere Grenzkontrollen?


Die Europäische Union braucht – ähnlich wie die Vereinigten Staaten – eine zentrale Einreise- und Ausreisedatei. Wer die EU-Grenze übertritt, muss sich ausweisen und seinen Fingerabdruck abgeben, der dann auch gespeichert wird. Das ist derzeit mit Grünen und Linken nicht zu machen, aber darum müssen wir werben.

 

Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit anderen Ländern in dieser Frage – speziell mit den Geheimdiensten?


Die deutschen Behörden bekommen immer wieder Hinweise – vom amerikanischen, vom britischen, vom französischen Geheimdienst.

 

Welche Rolle spielt das Internet?


Vieles findet im Internet statt: die Verabredung zu Straftaten, die Beschaffung von Material wie Grundsubstanzen von Sprengstoff. Deshalb ist eine wirkungsvolle Ermittlung im Internet das A und O. Das beginnt bei der Vorratsdatenspeicherung und geht weiter über öffentliche WLAN-Netze. Es kann in diesen Zeiten nicht sein, dass der Zugang zu einem Hotspot ohne Registrierung erfolgt. Eine Registrierung stört redliche Bürger nicht, hilft aber erheblich bei der Ermittlung von Straftaten.

 

Muss die Polizei weiter aufgestockt werden?


Es war richtig, in dieser Frage in Sachsen eine Kurskorrektur vorzunehmen. In Sachsen stellen wir über 1000 Polizisten neu ein, im Bund über 3000. Es geht aber nicht nur um mehr Personal, sondern auch um mehr Befugnisse für Polizisten bei Ermittlungen im Inland, um den Abgleich von Daten. Wir müssen wissen: Wo hält sich ein bestimmter Asylbewerber auf? Wer kommt in unser Land und wer verlässt es? Das gilt für Deutschland, aber auch für die Europäische Union.

 

Wie beurteilen Sie den Chemnitzer Einsatz?


In einer sehr kurzen Zeit wurde mit sehr vielen Polizisten sehr umsichtig gehandelt – die Evakuierung der Anwohner, der Versuch eines Zugriffs, bei dem zumindest der Sprengstoff beschlagnahmt werden konnte. Ich würde darüber gern eine Diskussion führen ohne ideologische Scheuklappen. Was brauchen wir, um ein wehrhafter Staat zu sein und die Bürger zu schützen?

 

Von Roland Herold