1. Das Kapitel „Thomas Thomsen“
2. Der Landesparteitag
3. „Causa Gallandt : ein überführter Pöstchenjäger“
4. Der heiße Sommer
1. Das Kapitel „Thomas Thomsen“
Im August 2015 zum Landesvorsitzenden der AfD Schleswig-Holsteins gewählt und parallel den Posten des Stadtverbandsprechers Lübecks innehabend hat es der in Lübeck wohnhafte Thomas Thomsen geschafft, die AfD Schleswig-Holstein bundesweit in schlechtem Licht dastehen zu lassen. Geprägt von massiven innerparteilichen Auseinandersetzungen, zerlegte sich der Landesvorstand dank Thomsen schon im Herbst 2015 quasi selbst. Thomsen wurde politisch nicht nur kalt gestellt – nicht mal mehr die Sitzungsleitung des Landesvorstandes durfte er übernehmen – sondern darüber hinaus forderten sieben Mitglieder des Vorstandes seinen Rücktritt. "Herr Thomsen hat, statt inhaltlich, organisatorisch oder gar politisch zu wirken, seine ganze Energie darauf verwendet, sich als Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2017 zu positionieren", heißt es in dem Schreiben zur Rücktrittsforderung. Er sei „untragbar“, handle „eigensüchtig“ und sein „skandalöses Verhalten“ sei deutlich unerwünscht, sagen einige Mitgliedern der AfD. Kurz vor dem Landesparteitag im April diesen Jahres äußerte Thomsen der Presse gegenüber, der Landesverband der AfD Schleswig-Holstein sei „ein Sammelbecken von Psychopaten, Chaoten, Unzufriedenen und Abgehängten“. Den Höhepunkt seines Wirkens fand am von ihm organisierten „Landesstammtisch“ am 04. März 2016 statt. Per E-Mail lud er die Mitglieder der Partei zu um 18 Uhr in das Hotel „Quellenhof“ in Mölln ein. Am besagten Tag erschienen dort neben Kreisverbandsmitgliedern auch die Mitglieder des Landesvorstandes Jörg Nobis, bekannt als ein Kritiker Thomsens und wohnhaft in Kaltenkirchen, Bernhard Noack und Katja Jung-Buhl aus Elmshorn, Ralph Sicker, wohnhaft in Gammelby, Dr. Frank Brodehl, wohnhaft in Eutin sowie Arnulf Fröhlich aus Köthel. Nachdem Thomas Thomsen nach deren Erscheinen auf einmal proklamierte, diese Veranstaltung sei, trotz Einladung an den Landesvorstand, eine Privatveranstaltung, rief er die Polizei und ließ die sechs Personen des Saales verweisen. Die Veranstaltungskosten in Höhe von 25,20€ stelle er trotzdem der Landesparteikasse in Rechnung, wie aus internen Papieren hervorgeht. Auch zwei vorab mit dem in Kiel ansässigen Achille Demagbo geführte Gespräche am 29.02.2016 und 02.03.2016 wurden mit jeweils 50,40€ mit dem Landesetat der Partei abgerechnet. Achille Demagbo hingegen versichert, dass in diesen Gesprächen nicht über Parteiangelegenheiten gesprochen wurde. Neben versuchtem Betrug übt man sich in der Führungsebene auch in der Urkundenfälschung: Sowohl am 11. Februar als auch am 01. März diesen Jahres schickte Thomsen dem Bundesvorstand der Alternative für Deutschland eine E-Mail – mit Unterzeichnung von Achille Demagbo, der aber nach eigenen Angaben gar nicht unterzeichnet hatte.
2. Der Landesparteitag
Schon im Vorfeld des Landesparteitages, der am 16.04.2016 im Bürgerhaus
in Henstedt-Ulzburg stattfand, spielten sich innerparteiliche
Machtkämpfe ab: Nachdem einige Mitglieder der Partei, darunter auch
Thomas Thomsen und Nico Gallandt, wohnhaft in Güster, nicht bzw. nicht
fristgerecht zum Landesparteitag eingeladen wurden, wurde das
Landesschiedsgericht der AfD Schleswig-Holstein hinzugezogen, über den
Fall zu entscheiden. Aber am 06. April, also zehn Tage vor dem
Parteitag, wird dieses Schiedsgericht durch den Amtsrücktritt eines der Richter,
Matthias Piskatschek-Wahl, handlungs- und beschlussunfähig. Diese politische
Entscheidung führte dazu, politische Organe auszuschalten, um den
Landesparteitag nicht anfechtbar zu machen. Piskatschek-Wahl begründet
das in seiner E-Mail an einige Mitglieder der AfD folgendermaßen:
„Der letzte Eilantrag, mit dem sich das LSG befassen musste, hat jedoch
das Fass bei mir zum Überlaufen gebracht. Mit diesem Antrag des
Landesvorsitzenden wurde versucht, den LPT am 16.04. zu kippen und zu
verlegen. Dieser Antrag war für mich nicht nachvollziehbar, da ein
einstimmiger Vorstandbeschluss bezüglich Ort, Zeit und vorläufiger
Tagesordnung vorliegt, die Einladungen fristgerecht und ordnungsgemäß
ergangen sind und die Organisation stand. Wer einmal einen Parteitag
organisiert hat – ich hatte das Vergnügen zwei LPT nahezu allein zu
organisieren- weiß, was dahintersteckt. Ferner haben Sie sich als
Parteimitglieder darauf eingestellt und opfern Ihre Freizeit; für mich
persönlich stellt das einen eklatanten Affront gegen Sie dar.“
Auch während des Parteitages geht die „Schlammschlacht“ innerhalb des
Landesverbandes Schleswig-Holstein weiter: Auf wüste Beschimpfungen a
lá „Lügner“, „Ungeziefer“ sowie „aufhören“-Rufen folgte die Behauptung, der
Parteitag sei nur dafür da, „schmutzige Wäsche [zu] waschen“. Eine
40-minütige Sitzungsunterbrechung aufgrund der Anfechtung des
Landesparteitages wurde mit Thomas Thomsens Worten „Wenn wir schon mal
hier sind, dann ist es besser, das hier durchzuführen, statt Sie nach
Hause zu schicken.“ beendet. Dieser konnte nicht einmal einen positiven
Tätigkeitsbericht des letzten Landesvorstandes ablegen, da sie es
innerhalb der acht Monate zu nichts gebracht hatten, außer sich
gegenseitig mit Landesschiedsgerichtsverfahren zu beschäftigen. In einem
Brief der Bundesparteisprecherin Frauke Petry wird Thomsen für die negative
Außenwahrnehmung der AfD Schleswig-Holstein zur Verantwortung gezogen.
Sie geht sogar so weit, dass sie ihm vor allen Landesmitgliedern die
„Vertraulichkeit“ abspricht.
Thomsen, Gallandt und weitere Parteifreunde aus Lübeck und Lauenburg
verlassen noch vor der Wahl des neuen Vorstandes unter Buh-Rufen den
Parteitag.
Außer der Festlegung einer „Sperrliste“ unerwünschter Journalist_innen und Autor_innen
(u.a. taz, tagesschau, FAZ), die das Verständnis der Partei zum Thema
Pressefreiheit widerspiegelt, kommt es an dem Tag zu keiner inhaltlichen
Auseinandersetzung.
„Dieser Parteitag ist eine Schande für Deutschland, keine Alternative
für Deutschland.“, äußert sich Nico Gallandt. Auf Funktionärsebene wären
jetzt nur noch „Tagelöhner und Tagesdiebe“ (so Gallandt) am Werk. Auch eine
Bewertung des neuen Landesvorstandes fällt dem ehemaligen
Landesvorsitzenden Thomsen in einer E-Mail an den in Hoisdorf wohnenden
neuen Vorsitzenden Dr. Bruno Hollnagel nicht schwer: Der
Landesvorstand agiere wie der alte: „Spaltend, beleidigend, verleumdend
und ausgrenzend“. Zudem droht er: „Eine Veröffentlichung der
„Machenschaften“ einiger Landesvorstandsmitglieder und deren Zuarbeitern
(z.b. EDV – Koordination) würde einen Schaden weit über
Schleswig-Holstein hinaus begründen, der die gesamte Partei immens
beschädigt.“
3. „Gallandt : ein überführter Pöstchenjäger“
Nicht einmal 24 Stunden nach dem Ende des Landesparteitages bekommen Hasso Füsslein, wohnhaft in Schwarzenbek, und Dr. Bruno Hollnagel eine E-Mail mit dem Betreff „Galandt, ein überführter Pöstchenjäger“ [sic!] von Heinz Heckendorf. Dieser bestätigt, was auch schon einen Tag zuvor auf dem Landesparteitag ans Licht getreten ist: Nico Gallandt war Mitglied bei der AfD-Splitterpartei „Allianz für Fortschritt und Aufbruch“ (ALFA). Dies hätte er laut der Wahlordnung der AfD bei der Wahl zum Kreisvorsitzenden des Kreisverbandes Herzogtum-Lauenburg erklären müssen. Harald Redemann, dem es wichtig ist, dass seine Informationen unter dem „Siegel der Verschwiegenheit“ bleiben, ergänzt in einer E-Mail an Hollnagel: „Herr Gallandt war auf dem Landesparteitag (Gründung) der ALFA am 10. Oktober [2015] in Mühbrook anwesend und hat damals für den ALFA Landesvorstand kandidiert. Er wurde jedoch nicht gewählt und hat viele Wochen später seinen Austritt aus der ALFA erklärt.“ Füsslein reagiert mit dem Setzen eines Ultimatums gegen den Kreisverband Herzogtum-Lauenburg. Die Mitglieder im Kreis sollen „per Rundschreiben über diese Tatsache informiert werden“, sonst gäbe er eigenständig nach Ablauf des Ultimatums eine Pressemitteilung heraus. Er stellt im gleichen Zug die Basisdemokratie der Partei in Frage, wenn die Kreismitglieder darüber nicht informiert werden würden. Hollnagel interveniert im darauffolgenden E-Mailverlauf erfolgreich und beschwichtigt: „Eine Pressemitteilung in der derzeitigen (ungeklärten) Situation kann nach meiner Meinung parteischädigend sein.“ Nur wenige Tage später verschickt Jörg Nobis, Landesvorstandsvorsitzender, die Bewerbung Nico Gallandts auf das Amt zum Kreisvorsitzenden per E-Mail an alle Mitglieder des Landesvorstandes. Das in Elmshorn wohnende AfD-Mitglied Martin Wood, der in den folgenden Monaten noch öfter für Gallandt in die Bresche springen wird, ist für folgende Lösung: „Nico Gallandt soll zu einer Mitgliederversammlung einladen, den Mitgliedern offen den Sachverhalt erklären und den Mitgliedern die Vertrauensfrage stellen. Das wäre eine dankbare „Heilung“.“
4. Der heiße Sommer
Die Geschehnisse der vergangenen Monate leiten einen heißen Sommer ein, in dem sich ein Ereignis an das nächste reihen wird. Am 06. Juni 2016 ging beim Landesschiedsgericht der AfD ein von Jörg Nobis und Ralph Sicker unterschriebener Antrag zum Ausschluss Thomas Thomsens aus der Partei ein. Dr. Klaus Peter Krause, einer der Richter des Schiedsgerichts und wohnhaft in Lübeck, meldete sich am 14.06.2016 per E-Mail bei Dr. Bruno Hollnagel, da dieser ebenfalls – unwissenderweise – als Antragsteller aufgeführt war und erkundigte sich nach dessen Richtigkeit. Da das Landesschiedsgericht aber seit dem Austritt Piskatschek-Wahls immer noch handlungs- und beschlussunfähig war, konnte auf dieser Ebene noch keine Entscheidung getroffen werden. Nur wenige Tage später, am 11. Juni, traf sich die Landeswahlkampfkommission in der Landesgeschäftsstelle in Kiel. Hier geschah das wohl aufsehenerregendste der letzten Monate innerhalb der AfD Schleswig-Holstein: Eine Auseinandersetzung zwischen Volker Schnurrbusch, Mitglied des Landesvorstandes und wohnhaft in Hamburg, und Nico Gallandt eskalierte derart, dass Schnurrbusch zu einem Stuhl griff und mit Hilfe dessen Rückenlehne den Kontrahenten Gallandt an die Wand drückte. Den Vorfall nahm Hr. Evermann, einer der Anwesenden, auf Video auf. Dieses kursierte auch kurze Zeit später im Landesvorstand. Gallandt stellte daraufhin Anzeige bei der Polizei wegen gefährlicher Körperverletzung und informierte den Bundesvorstand der AfD. Einblicke in den E-Mail-Verkehr innerhalb der AfD lassen tief blicken: „Ferner nehme ich zur Kenntnis, dass es im LV [Landesvorstand] weiterhin Kräfte gibt, die persönliche Anfeindungen als Mittel der Politik nach innen weiter einsetzen wollen“, äußert sich Gallandt gegenüber Hollnagel. Martin Wood fordert den Rücktritt Schnurrbuschs von seinen Ämtern und Klaus Peter Krause hält auch einen Ausschluss aus der Partei nicht für unmöglich. Er fasst in einer E-Mail an Hollnagel wie folgt zusammen: „Ein Teil der Teilnehmer des Treffens am 11. Juni ist offensichtlich geradezu durchgedreht.“ Gallandt postet auf seiner Facebook-Seite: „Gewalt ist ein No Go nicht nur aber besonders in der Politik. Kritikfähigkeit im eigenen Lager ein Muss für Demokraten!“ Die Reaktion darauf folgt im internen E-Mail-Verkehr sofort: Daniel Markus Schwarz meint: „Dieser Gallandt ist echt widerlich.“ In einem Schreiben an die Kreismitglieder des Verbands Herzogtum-Lauenburg kreidet Gallandt an: „Parteischädigendes Verhalten“. Das ist noch nicht einmal strittig, nur wer trägt die Verantwortung ? Täter und Helfer bei der Vertuschung oder das sich zur Wehr setzende Opfer?“ Fünf Tage später – der nächste Hammer: Die Klage gegen den Landesparteitag in Henstedt-Ulzburg mit den Kläger_innen Thomas Thomsen und Edelgard Kastner geht bei der Landesgeschäftsstelle der AfD in Kiel ein. Das Ziel ist, sämtliche Wahlen während des Landesparteitages als ungültig erklären zu lassen. Insbesondere die Wahlen zum Landesvorstand stehen dabei im Vordergrund. Die Begründung lautet: Elf Personen (darunter auch Gallandt und Thomsen) wurden nicht bzw. nicht fristgerecht nach Henstedt-Ulzburg eingeladen und auch die Bekanntmachung der Wahlergebnisse des Landesparteitages liegen nicht fristgerecht vor. Thomas Thomsen, nun entgültig vom Mobbing des letzten Jahres geprägt, kündigt am 18. Juni seinen Rücktritt aus dem Stadtverband Lübeck an. Genau zwei Monate später am 18. August tritt Nico Gallandt vom Amt des Kreisvorsitzenden der AfD Herzogtum-Lauenburg zurück und zeitgleich legt auch der Beisitzer Frank Hasse sein Amt nieder. Somit wird der Kreisverband führungslos. Kurz zuvor wurde dem Lauenburgischen Kreisverband vom Landesverband mitgeteilt, dass kein vertrauensvolles Verhältnis zu Gallandt bestehe und somit eine Entsendung ins AfD-Wahlkampfteam, welches Gallandt angestrebt hatte, abgelehnt werde. Am 24. August, also nicht einmal eine Woche später tritt auch Peemöller mit Wirkung zum 31.08.2016 zurück. Mitte September lässt Gallandt noch einmal kurz von sich hören: „Ich sehe keine Möglichkeit, mit der AfD eine konservative Partei in Deutschland zu realisieren.“ Und somit ist sein Rücktritt aus der AfD perfekt…
Anhang:
- Klage gegen Landesparteitag
- Bewerbungsunterlagen Gallandt
- Antrag Ausschluss Thomas Thomsen aus der Partei