[MV] Antifas sind aktiv!

FCK NZS

Die erlebnisorientierte Neonaziszene in MV marschiert wieder. In Stralsund und Waren stellten sich ihnen jüngst zahlreiche Antifas und Jugendliche in den Weg. Die Polizei reagierte mit Schikanen. Ein Neonazi versuchte junge Gegner_innen mit einem Baseballschläger zu attackieren.

 

Nach der Flaute rechter Aufmärsche im Sommer, ausgelöst durch die Inaktivität rassistischer Gruppen wie MVGIDA und MV wehrt sich! und dem massiven aber erfolglosen NPD-Wahlkampf, bringen sich nun die freien Kameradschaften wieder in eine offensive Position. Scheinbar unabhängig vom Führungsanspruch der NPD, organisieren sie Aktionen und versuchen in die entstandenen Lücke auf der Straße zu springen. Bisher ohne großen Erfolg, wie sich nun an ihren Aufmärschen in Stralsund und Waren zeigte.

 

Über ein halbes Jahr mobilisierte die Gruppe Nationale Sozialisten Stralsund für ihren Aufmarsch am 24. September in der Hansestadt. An dem Marsch mit dem Motto „Freiheit erkämpfen!“ beteiligten sich nur rund 130 Personen. Unter ihnen vor allem junge Kameradschafter_innen, jedoch nur wenige NPD-Aktivist_innen. Von der gewohnten Marschdisziplin, auf die die Partei stets größten Wert legt, war dementsprechend wenig zu erkennen. Statt eigener Transparente überließen die Veranstalter_innen einer Neonazigruppe aus Rostock die Gestaltung der Demonstrationsspitze. Während der Zwischenkundgebung fiel der Lautsprecherwagen wegen eines technischen Defekts aus und eine Demonstrationsteilnehmerin in Ohnmacht, schlussendlich verkürzten die Neonazis ihre Route sogar.

Zusätzlich vermiesten ihnen rund 200 Antifaschist_innen den Tag. Während auf einer zentralen Kundgebung einige Bürger_innen Protest zeigten, versuchten Jugendliche direkt an die Route zu gelangen. Mit permanenten Störungen, einer Sitzblockade, Eier- und Gemüsewürfen trieben sie die Neonazis zur Weißglut.

 

Am gestrigen Samstag führten Neonazis in Waren an der Müritz einen Marsch unter dem Motto „Heimat und Tradition“ durch. Nur etwa 70 Teilnehmer_innen fanden sich am Treffpunkt ein. Ihnen gegenüber versammelten sich, von Polizist_innen weitgehend unbehelligt, rund 30 antifaschistisch gesonnene Jugendliche aus Waren, die lautstark gegen den rechten Haufen protestierten. Eine weitere Gruppe Antifaschist_innen musste sich zunächst gegen Polizist_innen, die ihnen den Zugang zu einer angemeldeten Kundgebung auf dem Warener Markt verwehren wollten, durchsetzen. Nach konsequentem Auftreten gelangten die Antifas zur angemeldeten Gegenveranstaltung. Auf ihrem Weg dorthin verteilten sie zahlreiche Broschüren der Initiative „Unsere Antwort: Solidarität!“.

Den aggressiven Rechten, die auf ihrer Marschroute auch einer Sitzblockade ausweichen mussten, wurde der Zugang zum Markt verwehrt. Die Polizei sah es als nicht realisierbar an, Antifaschist_innen und aufgeputschte Neonazis nah beieinander zu lassen. So mussten die Faschist_innen ihre Zwischenkundgebung in einer Zugangsstraße abhalten, was ihren Zorn noch steigerte. Die überforderte Anmelderin löste die Veranstaltung in der Folge auf. Die Neonazis gingen geschlossen und von starken Polizeikräften begleitet zum Bahnhof zurück.

Diese Lücke nutzten wiederum Antifas, um eine spontane Demonstration durch das belebte Waren hin zum Bahnhof durchzuführen, die auch an dem Neonaziobjekt „Zutts Patriotentreff“ entlang lief. Dort protestierten etwa 30 Warener Jugendliche gegen den Patriotentreff und eine dort versammelte Gruppe Neonazis. Aus dieser Gruppe heraus versuchte der Warener Faschist Chris Henry Knaack die Jugendlichen mit einem Baseballschläger anzugreifen, wurde dabei aber von einem Polizisten nieder gestreckt.

Anstatt sich den bewaffneten Rechten zu widmen, trieb die Polizei die Jugendlichen und die antifaschistische Spontandemonstration zusammen und kesselte sie ein. Angereisten Antifas wurde die Abfahrt mit der Bahn, örtlichen Antifaschist_innen der Weg nach Hause verwehrt. Zudem führte die Polizei vier Identitätsfeststellungen mit Durchsuchung und Videografie durch. Den Betroffenen wird Beleidigung, Erregung öffentlichen Ärgernis (ACAB-Aufnäher), Passivbewaffnung (Schwimmbrille) und eine Vermummung vom 8. Mai 2016 in Demmin vorgeworfen. Das der gewaltsuchende Neonazi Knaack von der Polizei im Nachgang behelligt wurde, konnte dagegen nicht beobachtet werden.

Auch unzählige Neonazis konnten vom Bahnhof aus wieder unbegleitet durch die Stadt ziehen.

 

Und dennoch waren die antifaschistischen Aktionen in Stralsund und Waren erfolgreich. Lokale und angereiste Antifas konnten gemeinsam agieren und sich vernetzen. Antifaschistische Reisegruppen haben deutlich gemacht: Wir lassen die Genoss_innen in den Kleinstädten nicht allein. Dabei war der Mut und die Entschlossenheit der zumeist jungen lokalen Mitstreiter_innen unerwartet und vorbildlich. Mit Konsequenz und Ideenreichtum konnten allerhand Lücken zur politischen Aktion genutzt werden. Mit mehr Antifaschist_innen hätte noch effektiver vorgegangen werden können. Denn es hat sich gezeigt, es sind nicht immer die großen Events in den Hochburgen der linken Szene, sondern oft die kleinen und unterschätzten Termine, bei denen was geht.

 

Weitere Berichte und Bilder:

NB Nazifrei

AST

Nils Borgwardt