Gewalt: Polizei ermittelt in eigenen Reihen

Erstveröffentlicht: 
24.09.2016

Nach einer Schlägerei und einem doppelten Beinbruch kommt die Aufklärungsarbeit zu dem Fall nur mühsam voran. Die Anwältin des Opfers erhebt schwere Vorwürfe.

 

Nachdem bei einem Polizeieinsatz am Wall am 5. April ein Tunesier schwer verletzt worden war, ermitteln die Beamten gegen unbekannt. An diesem Tag war es abends zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen Deutschen und Ausländern gekommen. Die Polizei nahm unter anderem Hatem Khemiri in Gewahrsam, der anschließend Vorwürfe gegen die Polizisten erhob. Sie hätten ihm zweifach sein linkes Bein gebrochen, so der Mann. Dabei habe er in dem Streit nur schlichten wollen. Seine Frau Simona Khemiri erstattete im Anschluss Anzeige wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt.

 

Die Ermittlungen zum Tathergang dauern an, sagt Oberstaatsanwältin Ingrid Burghart. "Insbesondere ist noch nicht geklärt, wann und bei welcher Gelegenheit sich der Anzeigenerstatter die Fraktur zugezogen hatte", so Burghart. Deshalb sei auch noch gegen keine bestimmte Person ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Die Untersuchung des Einsatzes im April haben "spezielle Beamte", so Burghart, übernommen, die in Verfahren gegen andere Polizeibeamte ermittelten. Warum die Ermittlungen inzwischen fast ein halbes Jahr andauern, könne sie nicht sagen.

 

Die Anwältin von Hatem Khemiri schätzt es zwar nicht als ungewöhnlich ein, dass Ermittlungen gerade bei Verfahren wegen Körperverletzung im Amt sehr lang gegen unbekannt geführt werden. Es komme auch nicht selten vor, dass derlei Untersuchungen mit der Begründung, eine Täterschaft sei nicht zu ermitteln, eingestellt werden, so Kristin Pietrzyk. Dies beruhe in vielen Fällen darauf, dass Kollegen nicht gegen Polizeibeamte aussagen, denen ein Fehlverhalten zur Last gelegt werden könnte. "Offensichtlich gibt es in den Sicherheitsbehörden einen Korps-Geist, der eine rechtsstaatliche Fehlerkultur behindert", wird die Rechtsanwältin deutlich. Dabei gäbe es im aktuellen Fall eine Lösung.

 

Die Staatsanwaltschaft könne die Situation klären, indem sie ein rechtsmedizinisches Gutachten zum Bruch des Beins einholt, sagt die Anwältin. "Sodann könnte auch festgestellt werden, welche Krafteinwirkung notwendig ist, um einen solchen Bruch hervorzurufen." Das würde wiederum Aufschluss geben, wie es zu den Verletzungen gekommen ist. Laut Hatem Khemiri sei er zu Boden geworfen worden, ihm seien dann Handfesseln angelegt worden. Indem er ihm die Füße ins Gesäß drückte, habe ein Polizist ihm den linken Unterschenkel gebrochen, so Khemiri. Den zweiten Bruch habe er erlitten, als der selbe Beamte ihm im Polizeiauto auf den Unterschenkel getreten habe. Ingrid Burghart wollte sich auf die Frage, ob ein solches Gutachten in Auftrag gegeben wird, nicht äußern.

 

Für Kristin Pietrzyk und ihren Mandanten bedeutet das, weiter zu warten. In einem Strafverfahren könne keine Untätigkeitsklage erhoben werden, so die Anwältin. Der Geschädigte habe "keine Rechtsmittel, um die Ermittlungen zu beschleunigen". Sie gehe aber davon aus, dass ermittelt wird. (mit mib)