An dem Wochenende um den 3. September finden viele Veranstaltungen in Berlin statt. Die bundesweite Kampagne „Nationalismus ist keine Alternative“ ruft zu einem Aktionswochenende auf gegen Austerität, Rassismus und das Grenzregime auf. Außerdem mobilisiert Blockupy am Vortag zu einer Blockade des Ministeriums für Arbeit. Dagegen hört sich ein Neonaziaufmarsch in der Grenzstadt Frankfurt (Oder), knapp eine Stunde von Berlin entfernt, recht unspektakulär an. Ist er auch – doch die Notwendigkeit der Unterstützung des Backyards bleibt.
Grenzübergreifende Mobilisierung
 
Am 03.09.2016 wollen Frankfurter Neonazis den Schulterschluss mit 
Ultranationalisten aus Polen üben. Die Facebook-Gruppe »Frankfurt (Oder)
 wehrt sich« ruft unter dem Motto „Grenzen Schließen / Asylflut 
stoppen!“ zu einer Demonstration auf. Dabei hofft die Initiative um den 
Neonazi Peer Koss (III. Weg) auf Unterstützung
 aus Polen. Die Angst davor, etwas vom großen Kuchen abzugeben, eint 
NationalistInnen östlich und westlich der Oder-Grenze. Ihr gemeinsamer 
Nenner heißt Rassismus und die Ablehnung des Islam. Bereits in der 
Vergangenheit marschierten vor allem junge Neonazis und RassistInnen 
der Initiative „Narodowe Słubice“ („Nationales Słubice“) auf deutscher 
Seite mit, wie zuletzt beim Aufmarsch am 20. Februar 2016 in Frankfurt 
(Oder).
Brandenburgweit werden Flyer für die Veranstaltung am kommenden Sonnabend an Haushalte verteilt, auf denen eine grenzübergreifende Demonstration beworben wird. Bis jetzt sieht es jedoch nicht nach Unterstützung zur Demonstration von der östlichen der Oderseite aus. Die polnischen Neonazis haben noch keinen Aufruf zur Demonstration am kommenden Sonnabend veröffentlicht. Das könnte vor allem daran liegen, dass Frankfurter Neonazis statt ihre polnische KameradInnen am 7. Mai bei ihrem Aufmarsch in Słubice zu unterstützen, mit Abwesenheit glänzten. Eine Delegation von mindestens sieben Personen aus Frankfurt (Oder) und Umgebung konnte jedoch zeitgleich bei der großen „Merkel muss Weg“-Demonstration in Berlin beobachtet werden.
Nach der Hetze folgt der Angriff
 
Allein für das Jahr 2016 berichtet der Verein Opferperspektive e.V. von 
bisher zehn rassistischen Angriffen in Frankfurt (Oder). Fünf davon 
geschahen aus Gruppen heraus oder die Betroffenen wurden schwer 
verletzt. Die Bilanz ist alarmierend: Seit dem Beginn der Aufmärsche 
steigt die Zahl der Angriffe und es  ist sichtbar, dass 
Neonazistrukturen in der Region wachsen und Zulauf erhalten. Nach 
Einschätzung der Opferperspektive wird die Entwicklung rechter Gewalt in
 Frankfurt (Oder) kaum wahrgenommen bzw. werden angemessene Reaktionen 
nicht genügend diskutiert. Allein im Zusammenhang mit dem bundesweit 
bekannt geworden Angriff am  23.  Juni 2016, als mehrere Geflüchtete und
 ein ausländischer Student zunächst geschlagen und dann durch die Stadt 
gejagt wurden, klagt die Opferpespektive in einem offenen Brief an, dass
 es wenig nennenswerte öffentliche Reaktionen gab. Die, die es gab, 
beschränkten sich darauf, das Ansehen der Stadt zu verteidigen und auf 
Polizei und Justiz zu verweisen. Fehlende Reaktionen und Solidarität 
führt zu einem Klima der Angst, was in Frankfurt (Oder) zu beobachten 
ist.
Antifa-Streetparade gegen den faden Mainstream
 
Nachdem die märkische NPD erfolgreich gegen 
eine Blockade in Potsdam geklagt hat, fährt die Brandenburger Polizei 
eine Null-Toleranz-Politik bei jeglichen Störversuchen. Mit Ausnahmen 
der Blockaden des Pogida-Aufmarsch im Februar 2016 in Potsdam und dem 
TddZ im Juni 2015, schaffte es die Brandenburger BFE
 jegliche Blockadeversuche von Naziaufmärschen im Keim zu ersticken. 
Gerade in Frankfurt (Oder) ist diese Entwicklung deutlich spürbar. Die 
Spielräume wurden geringer, die Massen blieben aus.
Nun findet zum ersten Mal in der Oderstadt eine antifaschistische Streetparade als bunte Aktion gegen den Neonaziaufmarsch statt. Wie bei Blockaden zeigt sich hier, dass die Antifaschist_innen in FFO eine Aktionsform gewählt haben, die durchaus Anschlussfähigkeit für die Zivilgesellschaft besitzt, sowie eigene Inhalte vermitteln kann. Aus linksradikaler Sicht mag das den eigenen Ansprüchen nicht genügen – in der Provinz ist es eine der wenigen Möglichkeiten, eine Politik zu betreiben, die auf Interesse stößt bei Menschen, die den alternativen Milieu nahe stehen, ohne sich komplett in Isolation zu manövrieren. Umso wichtiger ist es, solche Bestrebungen zu unterstützen und Solidarität zu zeigen mit den_derjenigen, die – wie es in einer Kampagne von Feine Sahne Fischfilet aus Mecklenburg-Vorpommern passend heißt – noch nicht komplett im Arsch sind.
Für einen solidarischen Umgang
 
Es ist nicht zu leugnen, dass der Aufmarsch in Frankfurt (Oder) im 
Gegensatz zu den Aktionen in Berlin am 3. September eher öde und weniger
 erfolgversprechend erscheint. Wir möchten an dieser Stelle nochmals 
darauf hinweisen, dass es auch ein Politikfeld außerhalb des Berliner 
A-Bereiches gibt. Die Möglichkeit der politischen Intervention endet 
nicht am S-Bahn-Ring oder der Stadtgrenze. Gerade in den Provinzen droht immer wieder die Stimmung zu kippen. Dann 
folgen pogromartige Übergriffe und Anschläge. Wehret den Anfängen heißt 
auch, dass man die wenigen Aktiven unterstützt und gleichzeitig Neonazis
 ihren Handlungsspielraum nimmt und ihnen zeigt: hier nicht.
Wir schreiben niemanden vor, welche Aktion mehr Sinn ergibt und unterstützenswerter ist. Unser Anliegen ist es Antifaschist_innen in Berlin den Blick über den Tellerrand zu ermöglichen. So auch am 3. September wollen wir eine Möglichkeit von vielen aufzeigen.
Gemeinsame Anreise:
03.09.2016 | 11:45 | Alexanderplatz | Gleis 1 | Abfahrt 11:58
Proteste:
13:00 | Hauptbahnhof Frankfurt (Oder) | Antifaschistische Streetparade
Aufruf: http://www.inforiot.de/raus-auf-die-strasse-antifaschistische-streetparade-in-frankfurt-oder/
14:00 | Slubicer Straße | Kundgebung „Kein Ort für Nazis“
Aufruf: http://web621.mis06.de/kofn/2016/08/03/aufruf-03-09-2016/
Alle Infos: http://kein-ort-fuer-nazis.org/
September 2016,

