„Kurskorrektur dringend geboten“

Erstveröffentlicht: 
29.08.2016

Der Abgeordnete Klaus Brähmig (CDU) kritisiert die „Politik der offenen Türen“ – und stellt sich offen gegen die Kanzlerin.

 

Pirna. Klaus Brähmig (CDU) glaubt nicht an das „Wir schaffen das“ der Kanzlerin. Er macht auch keinen Hehl daraus, dass er mit der Asylpolitik der Großen Koalition nicht zufrieden ist. Mitte August veröffentlichte er seine Bedenken bei Facebook und erklärte, dass er die Politik der offenen Türen gerne beenden würde. Zusammen mit anderen CDU-/CSU-Abgeordneten des Bundestages und der Länderparlamente wie Erika Steinbach oder Wolfgang Bosbach setzt sich Brähmig im sogenannten Berliner Kreis für die „Stärkung der wertkonservativen Wurzel in der Union“ ein. Die Berliner Runde kritisiert die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung scharf. Die SZ sprach mit dem Abgeordneten aus der Sächsischen Schweiz.

 

Herr Brähmig, warum stellen Sie die Entscheidungen ihrer eigenen Partei in der Flüchtlingspolitik öffentlich an den Pranger?


Ich stelle nichts an den Pranger. Wahrheit, Klarheit und Glaubwürdigkeit sollten in der Politik Grundsätze sein und dafür will ich mich einsetzen. Die Mitglieder des Bundestages sind in ihrer Gesamtheit zur Kontrolle der Regierung verpflichtet. Ich halte eine deutliche Kurskorrektur für dringend geboten. Wer das Recht auf Asyl für wirklich Verfolgte hochhält und auch in Zukunft bei Bürgerkriegsflüchtlingen helfen will, darf illegaler Migration nicht das Wort reden.

 

Stehen Ihre Äußerungen stellvertretend für die des Berliner Kreises?


Ich spreche für mich selbst. Ich bin der Überzeugung, dass die illegale Migration bekämpft werden muss. Wir brauchen eine Rückkehr zu Dublin und Schengen und wir brauchen eine Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit.

 

Halten Ihre CDU-Kollegen im Kreisverband Sächsische Schweiz-Osterzgebirge eine Politik der offenen Türen auch für verfehlt?


Auch hier kann ich nur für mich sprechen. Meine Wahrnehmung von unzähligen Gesprächen mit Bürgern und Parteimitgliedern ist, dass eine deutliche Mehrheit die Politik der offenen Türen nicht mitträgt. Selbst bei den vielen ehrenamtlichen Flüchtlingshelfern, denen es der Staat verdankt, dass wir nicht im Chaos gelandet sind, wird das Thema illegale und unkontrollierte Migration kritisch gesehen.

 

Sehen Sie im Islam eine Gefahr für Deutschland?


Es gibt nicht den Islam. Aber es ist festzustellen, dass die gleichen Politiker, Medien und Kirchen, die seit Jahrzehnten objektiv über große Probleme wie mangelnde Frauenrechte, Antisemitismus, Homophobie, Christenverfolgung, einen mittelalterlichen Strafkatalog, Zwangsehen, Kinderheirat, Genitalverstümmelung et cetera in der islamisch geprägten Welt berichten, hier in Deutschland die Hoffnung haben, dass diese religiöse und kulturelle Prägung beim Grenzübertritt erlischt. Dies sehe ich grundlegend anders. Die göttliche Botschaft ist in den Weltreligionen doch nicht das Problem. Aber wenn das „Bodenpersonal Gottes“ anfängt, das gesamte Leben der Menschen regeln zu wollen, ist es immer gefährlich geworden – für das Wort Gottes und für die Menschen. Der Islam ist also per se keine Gefahr, aber seine Fehlinterpretationen, beispielsweise sein rigider Absolutheitsanspruch sowie seine Neigung, in alle Lebensbereiche des Menschen hineinzuregieren, stellen aus meiner Sicht schon eine Gefahr für unser Zusammenleben, die Demokratie und den Rechtsstaat christlich-jüdischer Prägung dar. Deshalb gehört der Islam für mich auch nicht zu Deutschland, aber fromme und gesetzestreue Muslime gehören selbstverständlich zu Deutschland.

 

Wie könnte ein Signal, das die Politik der offenen Türen beendet, aussehen?


Neben scharfen und umfassenden Grenzkontrollen mit Zurückschiebungen in sichere Drittstaaten müssen wir jeden Anreiz für die Abwanderung nach Europa und Deutschland bekämpfen. Das sind neben Bürgerkrieg und Verfolgung eben auch Hunger, Armut und beispielsweise mangelnde Bildungschancen. Die Genfer Flüchtlingskonvention der UNO zielte immer auf eine krisennahe Unterbringung ab. Sowohl für den Flüchtling als auch für die Bürger des Gastlandes sollte der kulturelle Umbruch so klein wie möglich gehalten werden. Eine krisennahe Unterbringung beziehungsweise Bekämpfung der Fluchtgründe wäre aber auch im Sinne des Steuerzahlers. Nach Berechnungen der Weltbank und der Welthungerhilfe kann man vor Ort etwa acht Menschen mit Schule, Gesundheit, Wohnung versorgen mit dem gleichen Aufwand, den wir hier für eine Person betreiben.

 

Hat sich die Bundesregierung Ihrer Meinung nach zu abhängig gemacht von der Türkei?


Meines Erachtens sind wir in eine Abhängigkeit geraten, die sehr bedrohlich ist. Wir paktieren mit einem Land, das sich unter dem Präsidenten Erdogan, laut Papieren des Bundesinnenministeriums, „schrittweise zur zentralen Aktionsplattform für islamistische Gruppierungen der Region des Nahen und Mittleren Ostens entwickelt“. Weitgehende Visaliberalisierungen und Visabefreiungen darf es deshalb nicht geben. Abgesehen von diesen Sicherheitsbedenken befürchte ich, dass sich Erdogan sonst ganzer Volksgruppen, der restlichen Opposition und missliebiger Medienvertreter entledigt. Wenn die Visafreiheit käme, könnte der türkische Präsident allein durch die weitere Verschärfung des Konflikts mit den Kurden einen Massenexodus Richtung Europa initiieren. Zur Volksgruppe der Kurden gehören je nach Schätzung etwa 14 bis 20 Millionen türkische Bürger.

 

Was schlagen Sie vor, zu tun, wenn sich das Bündnis mit der Türkei zerschlägt?


Eigentlich hätte schon mit den Verträgen von Schengen und Dublin eine solide Grenzsicherung an den EU-Außengrenzen stattfinden müssen. Die Defizite an den Außengrenzen müssen jetzt mit vereinten Kräften von Zoll, Polizei und notfalls Militär aus allen Ländern der EU angegangen werden. Dann sind wir ein Stück weit frei von den Geschehnissen in der Türkei. Sollte die Türkei weiterhin an einer Destabilisierung der EU-Staaten und ihrer NATO-Partner interessiert sein, muss in meinen Augen auch über die NATOMitgliedschaft der Türkei neu gedacht werden.

 

 

Das Interview führte Marie-Therese Greiner-Adam.