Rechtsextreme in Sachsen vereinnahmen Tierschutz

Erstveröffentlicht: 
14.08.2016

Gesundes, tier- und umweltfreundliches Verhalten: Für immer mehr Menschen ist das im Alltag wichtig. Die Forderung nach artgerechter Tierhaltung und eine vegetarische Ernährungsweise liegen im Trend. Ein Trend, der sich längst aus dem linken Spektrum gelöst hat. So weit, dass auch immer mehr Rechtsextreme das Thema für sich beanspruchen.

 

von Raja Kraus, MDR AKTUELL

 

Tom möchte seinen vollen Namen lieber nicht öffentlich sagen. Er ist Student und Veganer, setzt sich seit Langem für die Rechte von Tieren ein. Vor einigen Jahren wurde ihm bewusst, dass auch Rechtsextreme in diesem Bereich unterwegs sind: "Wir hatten eine Antizirkus-Kundgebung und komischerweise hat die Polizei an dem Tag zu uns gesagt: 'Wenn hier rechte Extremisten auftauchen sollten, meldet euch bitte bei uns.' Mich überraschte das, diese Ansage zu hören." Das war vor etwa sechs Jahren. Seitdem rückt das Phänomen immer mehr in den Vordergrund. 

 

Rechtsextremisten nutzen Facebook aus


Nach Recherchen von MDR AKTUELL beobachtet der Verfassungsschutz in Sachsen seit 2013 verstärkt, wie das Thema Tierschutz von Rechtsextremen aufgenommen wird. Pressesprecher Martin Döring sagt, dass vor allem die Sozialen Medien eine wichtige Rolle spielen: "Rechtsextremisten agierten hierbei offen, unter anderem auf Facebook-Profilen der Jungen Nationaldemokraten. So wurden immer wieder Beiträge zum Thema Tierschutz eingestellt, die die Finanzierung von Tiergehegen und Tierheimen, Proteste gegen die Wildtierhaltung beim Zirkus oder die Unterstützung von Anti-Giftköder-Aktionen unterstützen."

 

Einschlägiges, rechtes Gedankengut vermischt sich hier mit einem gesellschaftlichen Trend. Oft bleibt es nicht beim bloßen Sammeln von Spenden. Der Tierschutz wird ideologisiert. In rechten Versand-Shops finden sich zum Beispiel Tierrechts-Buttons, auf denen Slogans wie "Döner ist scheiße" und "Schächten ist Tierquälerei" stehen. 

 

Expertin: Argumentation erinnert an Drittes Reich


Der Student Tom tourt dieses Jahr zusammen mit anderen Tierschützern aus seinem Heimatort Döbeln durch Deutschland. In einer Vortragsreihe sensibilisieren sie dafür, wie vielschichtig die Argumentation der Rechten sein kann. Tom erklärt das am Beispiel von rechtem Engagement gegen das Schächten: "Wenn man im Hinterkopf hat, dass der ach so nette Germane auch nett mit Tieren umgeht. Da sind angeblich JüdInnen die böse Gegenfolie. Feind der Tiere sozusagen, weil sie 'grausam' mit ihnen umgehen. Auf der anderen Seite, stehen die Deutschen, weil sie 'so gut mit den Tieren umgehen'. Da müssen sie ja quasi deren Feindbild sein."

 

Die Sozialwissenschaftlerin Mieke Roscher forscht an der Uni Kassel zum historischen Tierrecht. Sie sagt, die Art der Argumentation sei seit dem Dritten Reich dieselbe: Bestimmte Gruppen sollten durch die Höherstellung von Tieren ausgegrenzt werden. Bernd Wagner ist Leiter der Aussteigerhilfe "Exit Deutschland". Er kennt viele Aussteiger, die in der rechtsextremen Szene mit Tierschutz in Berührung gekommen sind. Für einige sei das der Punkt, an dem sie aufwachen würden:

 

Oft ist es so, dass sie sagen 'Tierschutz ja, aber nicht mehr in dem Zusammenhang'. Also mit dem sogenannten Tier- und Artenschutz verbunden und das auf die menschliche Gesellschaft übertragen. Sie trennen dann Tierschutz von diesen sozialdarwinistischen Theorien, die sie vorher geglaubt haben.

Bernd Wagner, Leiter der Aussteigerhilfe "Exit Deutschland"
Verfassungsschutz: Rechtsextreme als "Kümmerer"

 

Bei der Verknüpfung von Tierschutz und Rechtsextremismus gehe es vor allem darum, möglichst viele Menschen anzusprechen, erklärt Martin Döring vom sächsischen Verfassungsschutz. "Nach Einschätzung des Landesfeuerwehrverbands Sachsen handelt es sich um eine Aufmerksamkeits- und Propagandastrategie, die darauf abzielt, sich in einer Kümmerer-Rolle zu präsentieren. Damit sollen die Bürger für die politische, extremistische Zielrichtung gewonnen werden."

 

Gefährlicher als andere rechte Propaganda-Strategien sei die Vereinnahmung des Tierschutzes allerdings nicht. Trotzdem beobachtet der Verfassungsschutz die Entwicklung genau.

 


 

Schächten nennt man das rituelle Schlachten von Nutztieren wie Schafen, insbesondere in der jüdischen und muslimischen Tradition. Die Tiere werden mit einem Schnitt quer durch die Halsunterseite getötet. Durch das Durchtrennen von Blutgefäßen, Luft- und Speiseröhre soll ein rückstandsloses Ausbluten des Tieres gewährleistet werden.