Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Urteile gegen vier mutmaßliche Rädelsführer der verbotenen Autonomen Nationalisten Göppingen aufgehoben.
Es war der bislang aufwendigste Prozess gegen Rechtsextremisten in Baden-Württemberg. Nach 45 Verhandlungstagen verurteilte die Staatsschutzkammer des Landgerichts Stuttgart im August vergangenen Jahres vier Mitglieder der Autonomen Nationalisten Göppingen (ANGP) wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung zu Freiheitsstrafen. Diese wurden bei zwei Angeklagten zur Bewährung ausgesetzt. Nun hat der Bundesgerichtshof (BGH) der Revision zweier Verurteilter stattgegeben. Damit wurden alle vier Urteile aufgehoben.
Das Verfahren muss deshalb neu aufgerollt werden. Es werde an die 8. Große Strafkammer des Landgerichts verwiesen, bestätigte am Montag die Pressesprecherin des Landgerichts, Elena Gihr. Die Entscheidung der Karlsruher Richter war dem Gericht und den Prozessbeteiligten am Wochenende zugestellt worden. Unter Berufung auf Zustellfristen gab es vom BGH keine Bestätigung des Beschlusses.
Dagegen fanden sich Einzelheiten bereits am Sonntag auf der Facebookseite der rechtsextremen Partei „Der III. Weg“, die verstärkt im Landkreis Göppingen auftritt. An deren Informationsständen tummeln sich auch jene beiden Verurteilten, die die Staatsschutzkammer für die ideologischen Köpfe der seit Ende 2014 verbotenen ANGP hielt.
Die Aktionen der rechtsextremen Gruppierung hatten Göppingen seit 2010 bis zu ihrem Verbot in Atem gehalten. Unter anderem organisierten die Mitglieder Neonazi-Aufmärsche. In dem Prozess vor dem Landgericht ging es um eine Vielzahl von Straftaten – von Sachbeschädigungen über Körperverletzung bis zur Volksverhetzung. Die Ermittler hatten bei den Angeklagten neben Propagandamaterial und NS-Devotionalien auch Waffen sichergestellt.
Die Staatsschutzkammer, die während des 45 Tage dauernden Prozesses jede noch so kleine Sachbeschädigung seziert hatte, kam zu dem Schluss, dass es sich bei den Autonomen Nationalisten Göppingen um eine kriminelle Vereinigung im Sinne des Paragraphen 129 StGB handelte. Dazu bedarf es mindestens dreier Mitglieder und eines übergeordneten, strafbaren Ziels. Das Landgericht war in seinem Urteil zu der Auffassung gelangt, dass dieses vorhanden war, nämlich: die Vorherrschaft über Göppingen zu gewinnen, „das Filstal zu nazifizieren und braun zu halten“, hatte die Vorsitzende Richterin Manuela Haußmann in ihrer Urteilsbegründung aus einer Veröffentlichung der ANGP zitiert. Die rechtsextreme Gruppe habe durch ihre Aktionen den Rechtsfrieden in Göppingen erheblich gestört.
Das sehen die Karlsruher Richter offenbar anders. Der BGH habe Zweifel geäußert, ob es sich der den ANGP um eine kriminelle Vereinigung handle, erklärte am Montag der Stuttgarter Rechtsanwalt Alexander Heinig auf Nachfrage. Der BGH sei mit seinem Beschluss voll und ganz seinen bereits vor Gericht und dann im Revisionsantrag vorgetragenen Begründungen gefolgt, erklärt der Verteidiger des Uhingers Manuel M., gegen den die Staatsschutzkammer als einer der führenden Köpfe eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten verhängt hatte. Die Stuttgarter Richter hätten nicht nachweisen können, dass die begangenen Straftaten gemeinsam geplant gewesen seien, sagt Heinig.
„Der Senat war der Auffassung, dass die dem Urteil zugrunde liegenden Straftaten nicht ausreichend geprüft wurden“, sagte der Verteidiger des zu einer Bewährungsstrafe Verurteilten Daniel R.. Er war bereits vor dem Prozess aus der rechtsextremen Szene ausgestiegen und zu einer Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Er akzeptierte das Urteil.
Aufmärsche organisiertNeonazis: Die Autonomen Nationalisten Göppingen haben jahrelang die Stadt in Atem gehalten. Sie organisierten Neonazi-Aufmärsche und sollen eine Vielzahl von Straftaten begangen haben. Der damalige Innenminister Reinhold Gall hat die Vereinigung, die „eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus“ aufweise, Ende 2014 verboten. Vier mutmaßliche Rädelsführer wurden im August 2015 zu Haftstrafen verurteilt. Der BGH hat die Urteile jetzt aufgehoben.
Kommentar der Nazis dazu
Der "Dritte Weg" schreibt auf seiner Facebookseite dazu: