Rechtsextreme Mutter klagt wegen übler Nachrede: Verfahren eingestellt

Erstveröffentlicht: 
13.06.2016

Ein erbittert geführter Streit zwischen zwei Müttern endete jetzt vor dem Landgericht in Ellwangen mit einer Einstellung des Strafverfahrens.

 

In der Waldorfschule in Crailsheim schlug im Dezember 2014 ein HT-Bericht haushohe Wellen: In der Bildungsstätte drückten zwei Kinder aus Wolpertshausen die Schulbank, deren 36 Jahre alte Mutter nicht nur mehrfach bei Wahlen für die NPD kandidiert hatte, sondern auch im Zusammenhang mit der NSU-Mordserie von der Polizei vernommen wurde  – unvereinbar mit dem Weltbild einer Waldorfschule, befanden die Gremien der Privatschule, kündigten den Vertrag mit den Eltern und schlossen die beiden Kinder vom Unterricht aus.

 

Kind mit „Backpfeifen“ drangsaliert

 

Mit Vehemenz hatte auch eine 49 Jahre alte Frau aus Crailsheim auf diese Entscheidung der Waldorfschule gedrängt. Nach der Lektüre des Artikels stand für sie fest, warum ihre dunkelhäutige Tochter in der 3. Klasse immer wieder von der Tochter der rechtsextremen Frau drangsaliert wurde: Ihr Kind sei als „Affe“ geschmäht, bespuckt und mit „Backpfeifen“ drangsaliert worden.

 

Die Mutter mit dem rechtsextremen Weltbild konterte mit einer Anzeige wegen übler Nachrede: Die Kontrahentin habe nämlich auch die Behauptung in die Welt gesetzt, dass ihr farbiger Ex-Mann vier Jahre zuvor in Crailsheim von „Nazis“ verprügelt worden sei – und zwar im Auftrag des Ehepaares aus Wolpertshausen, das mittlerweile wieder aus der NPD ausgetreten ist.

 

Berufung gegen Urteil

 

Ein erster Strafprozess vor dem Amtsgericht in Crailsheim endete im November 2015 mit einer Geldstrafe in Höhe von 1000 Euro. Die Strafe für eine „infame Lüge“ aber wollte die 49-Jährige, die ihre Tochter ebenfalls von der Waldorfschule abgemeldet hat, nicht auf sich sitzen lassen und legte beim Landgericht in Ellwangen Berufung gegen das Urteil ein.

 

Über weite Strecken hinweg verlief der Prozess vor der 4. Berufungskammer unter dem Vorsitz von Richter Jochen Fleischer auf denselben Bahnen wie in Crailsheim: Eine Nachbarin versicherte erneut, dass ihr die Angeklagte zweimal berichtet habe, dass das rechtsextreme Ehepaar hinter dem Angriff auf ihren Ex-Mann stecke – ein Vorwurf, den die Frau mit derselben Entschiedenheit wie in der ersten Instanz zurückwies.

 

Weitere Belege für die umstrittene Behauptung gab es indes nicht: Auch die frühere NPD-Anhängerin blieb wiederum vage, als sie vom Verteidiger Christos Psaltiras hartnäckig nach weiteren Zeugen gefragt wurde.

 

Und je intensiver das Gericht und Oberstaatsanwalt Peter Staudenmaier Licht in die aufgeregten Zeiten im Umfeld der Waldorfschule bringen wollten, desto mehr verschwanden die Fakten im Nebel: Wer was wann zu wem bei welcher Gelegenheit gesagt hat –  dieses Dickicht an völlig widersprüchlichen Aussagen auch im Vergleich zu den polizeilichen Protokollen blieb für das Gericht völlig undurchdringbar.

 

Verfahren in zweiter Instanz eingestellt

 

Richter Jochen Fleischer sah letztlich keine Anhaltspunkte für eine „Verschwörung“ gegen die Angeklagte, hielt es aber für sehr wahrscheinlich, dass „in einer hoch emotional geführten Diskussion die eine oder andere Sache vielleicht überinterpretiert wurde“. Seine  Lösung des juristischen Problems: Das Verfahren wird eingestellt, die Angeklagte übernimmt das Honorar ihres Anwalts und ansonsten trägt die Staatskasse die Verfahrenskosten.