NPD contra Meinungsfreiheit - Maulkorb für Dresdner Wissenschaftler

Erstveröffentlicht: 
19.05.2016

Die NPD steht derzeit in Karlsruhe als Partei auf dem Prüfstand. Dem Dresdner Politikwissenschaftler Steffen Kailitz, der dort als Gutachter auftrat, verbietet sie das Wort - mithilfe eines Richters, der Mitglied der AfD ist. Kailitz hatte für ein NPD-Verbot plädiert und in einem Pressebeitrag geschrieben, die Partei plane "rassistisch motivierte Staatsverbrechen". Über den Widerspruch des Politologen gegen das Verbot soll am 10. Juni verhandelt werden.

 

Die NPD versucht, den Politologen des Dresdner Hannah-Arendt-Instituts, Steffen Kailitz, mundtot zu machen. Kailitz war im März im NPD-Verbotsverfahren in Karlsruhe als Sachverständiger aufgetreten und hatte für ein Verbot der Partei plädiert. Ende April schrieb der Wissenschaftler einen Meinungsbeitrag für "ZEIT-ONLINE" unter der Überschrift "NPD-Verbot - Ausgrenzen, bitte". Darin schreibt er unter anderem, die NPD plane rassistisch motivierte Staatsverbrechen und wolle acht bis elf Millionen Menschen aus Deutschland vertreiben, darunter mehrere Millionen deutscher Staatsbürger mit Migrationshintergrund.

 

Nach Erscheinen des Meinungsbeitrags ging die NPD gegen die Redaktion vor und verlangte per einstweiliger Verfügung, dass die Äußerungen nicht wiederholt werden dürfen. Die Klage gelangte zum Dresdner Landgericht und die zuständige Zivilkammer entschied, dass ein Einzelrichter darüber entscheiden solle. Jens Maier, Richter am Landgericht, verbot Kailitz daraufhin unter Strafandrohung die Wiederholung seiner Behauptung. Der Beitrag darf weiter online bleiben. 

 

Vorsitzender Richter im Urlaub


Für Kritik sorgte nicht nur, dass Maier Mitglied der rechtspopulistischen AfD ist, sondern auch der Umstand, dass der Richter die einstweilige Verfügung ohne Anhörung des Beklagten erließ. Sein Anwalt Jörg Nabert, der auch die "ZEIT" vertritt, sagte MDR SACHSEN, es sei völlig unüblich, dass in einem solchen Presserechtsfall ein Einzelrichter entscheide. Der Vorsitzende Richter der zuständigen Zivilkammer befand sich Naberts Angaben zufolge im Urlaub, seine Vertreter hätten sich für den Einzelrichter entschieden - offenbar ohne die Bedeutung des Falls zu erkennen. 

 

Ein Justizskandal?

 

Warum der Fall dann bei einem Richter mit AfD-Parteibuch landete, erklärt der Sprecher des Landgerichts, Ralf Höger, mit der Geschäftsverteilung. Jens Maier sei an der Reihe gewesen, eine Einzelrichterentscheidung in einem solchen Fall "mehr oder weniger üblich", sagte Höger MDR SACHSEN. Bei besonderer Bedeutung des Rechtsstreits könne Maier den Fall aber an die Kammer zurückgeben. Das hat er bislang aber nicht getan. Gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" gestand er immerhin ein, der Wissenschaftler Kailitz sei ihm kein Begriff gewesen. Auch über seine Tätigkeit als Sachverständiger im laufenden NPD-Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe habe er nichts gewusst.

 

So wird Richter Maier voraussichtlich auch über den Widerspruch des Dresdner Wissenschaftlers verhandeln. Der Termin am Landgericht Dresden sei für den 10. Juni angesetzt worden, erklärte Gerichtssprecher Höger. Bleibt Maier dann bei seiner Rechtsauffassung, dürfte der Streit vor dem Oberlandesgericht in der Berufung verhandelt werden. Den Anwalt von Kailitz, Jörg Nabert, ärgert es aber, dass sich der Richter jetzt vier Wochen Zeit lässt, um über den Widerspruch zu verhandeln. Nach Eingang der Sache habe er innerhalb eines Tages gegen den Dresdner Politologen entschieden.