NSU-Akte vom Hochwasser in Sachsen weggespült?

Erstveröffentlicht: 
09.05.2016

Erneut sind Akten des rechtsextremen Terrornetzwerkes NSU offenbar "verschwunden". Wie die Grünen-Bundestagsabgeordnete Irene Mihalic am Montag mitteilte, ist eine vom NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages angeforderte Akte über den Neonazi und ehemaligen V-Mann Ralf Marschner nicht mehr auffindbar. Die Staatsanwaltschaft Chemnitz habe mitgeteilt, die Akte sei 2010 dem Hochwasser in Sachsen zum Opfer gefallen. "Dieser Vorgang reiht sich irgendwie ein in den mysteriösen Schwund von Akten im Zusammenhang mit dem NSU-Netzwerk", sagte die Grünen-Obfrau im Ausschuss.

 

Es ist schon seltsam, dass sich die reißenden Wasser gerade dieses Schriftstück ausgesucht haben.

Irene Mihalic, Grünen-Obfrau im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages

 

V-Mann des Verfassungsschutzes


In der verlorenen Akte geht es um mutmaßliche Straftaten von Marschner, wie das Veruntreuen von Arbeitsentgelt und Insolvenzverschleppung in 2001/2002. Die beiden mutmaßlichen NSU-Rechtsterroristen Uwe Mundlos und Beate Zschäpe sollen während ihrer Zeit im Untergrund in Firmen Marschners gearbeitet haben. Der Neonazi war unter dem Tarnnamen "Primus" jahrelang als Informant für das Bundesamt für Verfassungsschutz tätig. Während die Mitarbeit von Uwe Mundlos durch Dokumente belegt ist, gibt es diese Belege für Zschäpes Mitarbeit (bislang) nicht.

Recherchen zufolge sollen Marschners Firma und damit auch Mundlos zu einer Zeit auf Baustellen im Raum Nürnberg und München aktiv gewesen sein, als dort die ersten Morde verübt wurden, die dem NSU zugerechnet werden. Durch die Firma des Spitzels wurden den Recherchen zufolge mehrere Mietautos über längere Zeiträume gebucht - einige davon an den Tagen, an denen in Nürnberg ein türkischer Schneider (Juni 2001) und in München ein türkischer Obsthändler (August 2001) erschossen wurden. 

 

Akten zu Überfall zu früh vernichtet?


Es ist nicht das erste Mal, dass Akten zum Themenkomplex NSU verschwunden oder plötzlich wieder aufgetaucht sind. So hatte bereits im Dezember 2013 die "Thüringer Allgemeine" über eine mögliche Aktenpanne in Sachsen berichtet. Die Chemnitzer Staatsanwaltschaft stand damals im Verdacht der Strafvereitelung im Amt. Hintergrund war eine Anzeige eines Anwalts, der Nebenkläger im NSU-Prozess vertritt. Er warf der Chemnitzer Staatsanwaltschaft vor, Akten zu einem Überfall auf einen Chemnitzer Supermarkt im Jahr 1998 zu früh vernichtet zu haben.