Erfurt: Volksgemeinschaft e.V. - eine Personenübersicht

Nazis wegsnacken!

Seit dem 20. September 2015 ist in Erfurt der Verein „Volksgemeinschaft Erfurt e.V.“ am Amtsgericht Erfurt eingetragen. Dass es sich bei dem Verein, sowie bei den angemieteten Räumlichkeiten in der Stielerstraße 1,  um eine Lokalität der regionalen Neonaziszene handelt, war von Anfang an klar. Da es in der letzten Zeit um einige Akteure, sowie um das Projekt selbst, eher ruhig geworden ist und die antifaschistische Berichterstattung fehlt, soll im Folgenden ein kurzer Überblick gegeben werden.

 

Herrenberg, zwischen Kammwegklause und Volksgemeinschaft


Beim Rundgang durch das Plattenbauviertel im Erfurter Süden fallen nicht nur die graue Tristesse der Wohngegend sowie der Ausblick über Erfurt ins Auge, sondern auch die an vielen Ecken angebrachte Nazipropaganda. Von Stickern neonazistischer Kleinstparteien, über Propaganda der lokalen "Autonomen Nationalisten" bis hin zu größeren „Fuck Asyl“ Graffiti an den Wänden. Verwunderlich ist es nicht, besonders in der Gegend um die Tungerstraße und der Stielerstraße, in der sich in den vergangenen Jahren gleich zwei Lokalitäten herausbildet haben, die von der Erfurter Neonaziszene  ohne große Probleme genutzt und betrieben werden können. Immer wieder im Fokus der Öffentlichkeit und antifaschistischer Skandalisierungsversuche war dabei die Kammwegklause in der Tungerstraße. Sauf-, Liedermacher- und Konzertabende, sowie Parteiräumlichkeiten für die NPD waren fester Bestandteil der Kammwegklause. Mittlerweile ist es ruhiger geworden um die Kneipe im schwarz-weiß-roten Anstrich. Beim zuletzt angekündigten Konzert am 30.04.2016 waren lediglich ein Dutzend Nazis anwesend, die sich dort zum Grillen getroffen haben. Ein Grund für die Ruhe könnte eine kleinere Spaltung innerhalb der Erfurter Naziszene sein, die sich laut einigen Gerüchten vor allem zwischen der Betreiberin Gabriele Völker und dem Erfurter NPD Aktivisten Enrico Biczysko aufgrund interner Auseinandersetzung entwickelt haben soll. Die mittlerweile hauptsächlich als Kneipe genutzte Kammwegklause ist jedoch nicht mehr der einzige nutzbare Raum für Neonazis im Viertel. Nur 500m zu Fuß entfernt befindet sich in einer ehemalige Kaufhalle ein weiterer Raum in den sich der Verein „Volksgemeinschaft Erfurt e.V.“ eingemietet hat.

 

„Volksgemeinschaft Erfurt e.V.“ – kurze Personenübersicht

 

Phillipe Amor

 

Bei der Eintragung in das Vereinsregister beim Amtsgericht Erfurt wurde u.a. angegeben, dass der Vorstand des Vereins aus vier Personen besteht. Einer davon ist der Erfurter Neonazi Phillipe Amor. Amor kommt ursprünglich aus Sankt Andreasberg im Oberharz, wo er einige Zeit bei der dortigen Feuerwehr aktiv war, aber schon länger engere Kontakte nach Erfurt pflegte, regelmäßiger Gast im Erfurter Steigerwaldstadion war und in Erfurt die Walter-Gropius Schule besuchte. Mittlerweile ist er fester Bestandteil der Neonaziszene in Erfurt und gemeinsam mit seinem Kameraden Biczysko verteilt er für die NPD Flyer und nimmt regelmäßig an Demonstrationen der Partei teil, wie im vergangenen Jahr am 11. Dezember beim NPD Aufmarsch in Arnstadt (Quelle), an diversen ThüGIDA-Demos in Erfurt (26. Oktober 15), Sömmerda (2. November 15), oder auch Weimar und Jena, wie zu letzt am 12. Oktober 2015 oder am 3. Oktober 2015. (siehe Fotos) Nicht nur, dass Amor regelmäßig mit seinen Freunden in der Stielerstraße verkehrt und sich betrinkt; er ist auch aktuell eine der Verbindungsfiguren zwischen den alten organisierten Neonazis und der jüngeren Generation, die sich in Räumen wie der Kammwegklause oder in der Stielerstraße aufhalten. (siehe Fotos)

 

Steve Nellen

 

Der am 15. Mai 1985 geborene gebürtige Erfurter ist ebenfalls Teil des eingetragenen Vorstandes rund um den „Volkgemeinschaft Erfurt e.V.“, tritt aber weniger häufig öffentlich in Erscheinung. Dabei sind seine Verbindungen in der Naziszene in Erfurt recht weitläufig. Seinen Kontakt zu Aktivisten wie dem Nazikader Sascha Wühr oder auch dem recht umtriebigen Phillipp Miene belaufen sich neben seinen Saufbekanntschaften auch auf die Zusammenarbeit in der Stielerstraße. Nellen selbst wohnt weiterhin im Viertel, wo er bereits früher die Willi-Brandt Schule besuchte.

 

Max Abendroth

 

Besuchte, wie schon Steven Nellen, die Willi-Brandt-Schule auf dem Erfurter Herrenberg und war bei der Vereinseintragung des VG Erfurt e.V. Vorstandsmitglied des Vereins. Max Abenroth tritt ebenfalls weniger öffentlich in Erscheinung und, so der Eindruck, interessiert sich im Vergleich zu seinem guten Kameraden Phillipe Amor weniger für Politik als für Autos und verbringt seine Freizeit lieber besoffen im Musikpark Erfurt als auf politischen Veranstaltungen. Auf einem Bild, Ende November 2015 auf Facebook hochgeladen, posiert Max Abendroth gemeinsam mit Phillipe Amor und dem vor einigen Monaten verstorbenen Erfurter Neonazi und Hooligan Matze. (siehe Fotos) Seine auf Facebook geteilte Begeisterung für die Thüringer Polizei, speziell die Landespolizei, dürfte wohl nicht so gut bei seinen Kameraden ankommen. Auch wirft sein Bruder Nico Abendroth einige Fragen auf, der wie sein Vater Jens Abendroth im Polizeisportverband aktiv ist. Sein Vater Jens Abenroth ist dabei sogar Abteilungsleiter beim Polizeisportverbund in Erfurt. 

 

Hannjo Wegmann


Der 49-jährige Wegmann ist bereits seit mehreren Jahren aktiver Kader in der Neonaziszene in Erfurt. Erstmals in der Öffentlichkeit stand er 2007/08, als in Erfurt bekannt geworden ist, dass Wegmann ?in Bechstein Grundschule? NPD-Aktivisten in Kampfsport ausbildete. Wegmann selbst war bereits Mitte der 2000er verurteilter Straftäter und leistete gemeinnützige Arbeit in einem der von Neonazis gegründeten Tarnvereine, welche damals noch vom VS-Spitzel Trinkaus gegründet und geführt worden waren. Im Rahmen des Kampfsporttrainings sollte auch ein Angriff auf das Besetzte Haus in Erfurt geplant werden. (Quelle) Sein Wirken in Erfurt -Süd geht auch in diese Zeit zurück, in der die Gruppe Neonazis, die Wegmann ausbildete und mit denen er auch in Erscheinung trat, 2007 versuchte, den "Bürgerrat Wiesenhügel" zu unterwandern. (Quelle) Des Weiteren war Wegmann mit Trinkaus und anderen Neonazis 2007 an einem versuchten Angriff auf eine antifaschistische Kundgebung in Arnstadt beteiligt.(Quelle) Im selben Jahr war Wegmann als Nebenkläger in einem Erfurter Prozess gegen Antifaschisten aufgetreten. (Quelle) Im Landtagswahlkampf 2014 machte sich Wegmann als Bodyguard des damaligen Landesvorsitzenden Patrick Wieschke von der NPD auf dessen Wahlkampftour bemerkbar und reiste auf sämtlichen Kundgebungen und Demonstrationen der NPD im Rahmen der Wahlkampftour durch Thüringen. Anfang 2015 plante die NPD in Thüringen, zum damaligen Zeitpunkt unter der kurzen Führung des Greizer NPD Stadtrates David Köckert, eine Demonstration zum 1. Mai in Erfurt. Ein Treffen am 26. Februar zur Vorbereitung fand dabei zwischen Köckert, Bicysko und Wegmann statt. Neben den Planungen für die 1. Mai Demonstration heißt es bei Bicysko: „Auch gründet die NPD Thüringen einen eigenen Ordnerdienst für alle Demonstrationen in Thüringen und es soll eine feste Mannschaft entstehen, dessen Betreuung Hannjo übernehmen wird. Seine Erfahrung in diesem Bereich ist unumstritten. Auch suchen wir Jungs/Mädels, die sich einsetzen wollen für eine neue NPD mit Biss! Uns steht Einiges bevor und Hannjo Wegmann braucht ein verlässliches Team." (Screenshot, siehe Fotos) Die drei, Köckert, Bicysco und Wegmann nahmen auch gemeinsam an einem ThüGIDA-Koordinationstreffen im Juli 2015 bei Tommy Frenck in Kloster Veßra teil. (siehe Fotos) Im März 2015 stellte sich der NPD Kreisverband Erfurt-Sömmerda neu auf, wobei auch Hannjo Wegmann mit dabei war und den Posten des stellvertretenden Vorsitzenden übernahm. Mittlerweile ist Wegmann in der Kammwegklause bzw. in der Stielerstraße fester Bestandteil, über seinen neuen „Transportservice“ organisiert er Getränke für die Stielerstraße, besitzt Schlüssel für die Lokalität und hält vor Ort Barabende ab. (siehe Fotos) Neben diesen Tätigkeiten war Wegmann auch aktiv am Umbau und Ausgestaltung der Stielerstraße beteiligt. (siehe Fotos) Über Wegmanns „Transportservice“ und seine Versuche der Selbstständigkeit berichten wir in den kommenden Tagen.

 

Marcel Röder

 

Der aus Schwarza stammende Neonazi betreibt in Erfurt einen "Trödel- und Antikmarkt" und strukturiert u.a. die Organisation und den Verleih der Hüpfburg der ‚Volksgemeinschaft Erfurt e.V.‘. Als Kontakt für den Verleih wird Röders Antik und Trödelhalle in der Greifswalderstrasse 24 in Erfurt angegeben. (Screenshot siehe Fotos) Röder ist neben seinen Spenden für den Naziverein auch Thekenkraft in der Stielerstraße 1. (siehe Fotos) Ebenfalls hält  er enge Kontakte zu Neonazis wie u.a. Frank Schwerdt, dem ehemaligen Vorsitzenden der NPD Thüringen aus Erfurt, sowie zu lokalen Neonazis wie Sven und Nicole Krämer und Sven Hennebron aus Arnstadt. Wie auch schon zu Wegmanns Versuchen der Selbstständigkeit werden wir in den kommenden Tagen über Röders Schrotthandel in der Greifswalder Straße berichten.

 

Dirk Bachmann

 

Über Bachmann wusste thueringen-rechtsaussen.net zu berichten: "Der 1982 geborene Bachmann gründete 2010 mit anderen Neonazis den Verein 'Freie Kräfte Erfurt e.V.' und war ab 2012 als Beisitzer, Kassenprüfer und 'Organisationsleiter' bei dem Neonazi-Verein 'Pro Erfurt e.V.' aktiv. Spätestens seit August 2013 war er für die NPD aktiv und kandidierte 2014 auf Platz 3 der Erfurter NPD-Stadtratsliste. Zuletzt organisierte Bachmann Rechtsrock-Konzerte in der Erfurter Neonazikneipe 'Kammweg Klause'." (Quelle) Bachmann verstarb bei einem Verkehrsunfall am 28. Dezember 2015. Seiner Beerdigung am 29. Januar 2016 folgte bereits ein Solidaritätsliederabend für seine Familie. Auf einer Facebookseite mit dem Titel "Gedenkseite für Dirk Bachmann" wünschten ihm einige seiner Kameraden die letzte Ruhe. Ebenfalls wurde ein Spendenkonto errichtet, welches durch Stefanie Siegel, ebenfalls aus Erfurt, verwaltet wird.

 

(Unvollständiger) Veranstaltungsüberblick

 

Bisher sind folgende Veranstaltungen in der Stielerstraße bekannt geworden:

 

30.12.2016 - Silverster-Gala

05.02.2016 - "Dart-Tunier"

06.05.2016 - Kinderfasching (vielleicht eine Veranstaltung vom Jungsturm KEF?! ;-) )

22.04.2016 - "Dart-Tunier"

30.04.2016 - Liederabend mit „FreilichFrei“, „Freya“ und „Neubeginn“

 

Mögliche Veranstaltungen, die nicht nachgewiesen werden konnten:

 

17.10.2015 - angekündigt wurde ein Liederabend in Thüringen mit "Zeitnah" aus Gotha und Liedermacherin "Franzy"

04.06.2016 - Liederabend mit „Fylgien“, „Zeitnah“ und Axel Schlimper, Thüringen – wahrscheinlich Erfurt im Anschluss an den Neonaziaufmarsch von PEsN

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Haben Sie tatsächlich gemacht - das Deppenleerzeichen.

Mich stört viel mehr das Motiv - Farben und Stadtmotiv am Tresen stammen von gängigen Fanartikeln des FC Rot-Weiß Erfurt ab und der Fanszene von RWE auf verschiedenen Blockfahnen.

Es ist anscheinend auch nicht ganz von der Hand zu weisen, das es hier definitiv Verbindungen in die Fanszene von RWE geben muss. Am ehesten in Frage kommt da die seit einiger Zeit aktive Neuauflage des "Jungsturm " ( KEF hat sich erledigt, da geht nichts mehr). Der "Jungsturm"  - als wahrscheinlich Nachfolger der ehemaligen KEF - verwendet in seinem im Stadion gezeigten Banner auch das übliche Hooligansymbol.