Totenkopf, Beil und Runen - Prozess gegen rechte Terrorgruppe aus Sachsen

Erstveröffentlicht: 
24.04.2016

Vor einem knappen Jahr nahm die Polizei vier Mitglieder der rechtsextremen Terrorgruppe „Oldschool Society“ (OSS) fest. Sie sollen einen Anschlag in Borna geplant haben. Am Mittwoch startet in München der Gerichtsprozess.

 

München. Nägel sollten die Zerstörungskraft steigern. Der Sprengsatz aus illegalen Feuerwerkskörpern hätte womöglich zwischen dem 8. und 10. Mai vergangenen Jahres in eine Flüchtlingsunterkunft bei Borna (Landkreis Leipzig) fliegen sollen. Zwei Tage vorher, am 6. Mai, greift die Polizei zu. In einer bundesweiten Razzia nehmen Spezialeinheiten vier Mitglieder der rechtsextremen Terrorgruppe „Oldschool Society“ (OSS) fest. Von Mittwoch an müssen sie sich vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts München wegen der Anschlagspläne und Gründung einer terroristischen Vereinigung verantworten.

 

Der Großeinsatz der Polizei vor einem Jahr hat vielleicht einen Anschlag verhindert. Die Anklage wirft der Gruppe vor, sie habe auch Tote billigend in Kauf genommen. Die jahrelang unentdeckte Mordserie des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) hat Deutschland erschüttert. Ermittler können sich keine Pannen leisten.

 

Die „Oldschool Society“ hatte sich im August 2014 zunächst „virtuell“ gegründet. Die Anhänger tauschten ihre Hassbotschaften über Messaging-Dienste wie WhatsApp aus, posteten auf Facebook ihre Parolen und warben um Gleichgesinnte für ihre rassistischen Ideen.

 

Führungsebene mit Rockerszene vergleichbar


Totenkopf, blutige Beile und Runen zieren die Facebookseite. „Entfache das Feuer der Wahrheit“, heißt es dort. Den Ermittlungen zufolge dachte die Truppe um ihren 57 Jahre alten mutmaßlichen Anführer Andreas H. aus Augsburg jedenfalls über Brandsätze auf Asylbewerberheime nach. Und sprach über Anschläge auf Salafisten.

 

Laut Verfassungsschutz gab es eine der Rockerszene vergleichbare Führungsebene aus „Präsident“ Andreas H. und „Vize“ Markus W. (40). Olaf O. (47) veröffentlichte als „Pressesprecher“ Texte in sozialen Netzwerken. Denise Vanessa G. (23) stammte ursprünglich aus Freital (Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge), der Stadt, nach dem sich die Neonazis der „Gruppe Freital“ benannten.

 

Im November 2014 trifft sich die Gruppe erstmals. Sie erörtert die Möglichkeit von Anschlägen; vor dem nächsten geplanten Treffen besorgen sie in Tschechien Pyrotechnik. Die Böller wollten sie auch mit Nägeln oder Brennstoff bestücken. Jedenfalls sprechen zwei Männer darüber am Telefon. Die Ermittler schlagen zu. Durchsuchungen in fünf Bundesländern, GSG 9. Sie stellen Gas- und Schreckschusswaffen sowie „pyrotechnische Gegenstände mit großer Sprengkraft“ sicher.

 

Der Anwalt von Andreas H., Michael Rosenthal, sieht aber keinerlei Beweise, dass die Gruppe in diesen Tagen den Anschlag verüben wollte. „Sie hatten sich ja alle erst einmal gesehen. Und bei dem ersten Treffen ist nicht viel passiert. Sie waren alle knülle und haben dann weitergetrunken.“ Er halte nicht für ausgeschlossen, dass die Truppe bei weiterer Radikalisierung irgendwann einen Anschlag hätte verüben können. Zur Festnahmezeit habe es aber keine konkreten Pläne gegeben.

 

Gruppe war „unprofessionell“


Wie bedrohlich war diese „Oldschool Society“ nun wirklich? Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte nach der Festnahme, möglicherweise sei die Bildung einer Organisation nach dem Vorbild des NSU verhindert worden. Medien schrieben aber auch von der „dümmsten Terrorgruppe Deutschlands“. Weil die Mitglieder über Facebook und Chatgruppen kommunizierten. Und wenig konspirativ am Telefon über ihre Pläne sprachen.

 

Die „Oldschool Society“ habe sich „unprofessionell“ angestellt, sagt auch der Rechtsextremismus-Experte Timo Reinfrank von der Amadeu Antonio Stiftung. Sie habe sich regelrecht inszeniert und es den Ermittlungsbehörden damit vergleichsweise leicht gemacht. Rechter Terror insgesamt habe sich allerdings gefährlich entwickelt. „Die rechte Szene hat sich in den letzten Jahren gewaltig professionalisiert, was die Gewalt angeht und die Konspirativität.“

Andere rechtsterroristische Gruppe verboten

 

Gerade hat die Polizei die mutmaßliche Terrorzelle „Gruppe Freital“ ausgehoben, die Anschläge auf Flüchtlinge verübt haben soll. Kürzlich hat Innenminister de Maizière die „Weisse Wölfe Terrorcrew“ verboten, die mit politischen Aktionen, Propaganda und gewalttätigen Übergriffen in Erscheinung getreten war. Die „Terrorcrew“ schätzt Reinfrank als hochgradig gewaltbereit und fest verankert in der rechten Szene ein - und verortet sie im weitesten Sinne in der Unterstützer-Szene des NSU. Im Verhältnis dazu sei die OSS „eher ein Kindergarten“.

 

Die Zahl der Gewalttaten gegen Flüchtlingsheime ist 2015 sprunghaft auf 170 gestiegen. Viele blieben unaufgeklärt. Rechte verteilten teils per Flugblatt Anweisungen zum Bau von Molotowcocktails. Wann beginnt organisierter Terror - wann bleiben Taten bei der örtlichen Polizei? „Der Ermittlungsdruck müsste deutlich größer sein und die Bundesanwaltschaft müsste in vielen Fällen die Ermittlungen übernehmen“, sagt Reinfrank. Und: „Wir haben Glück, dass bisher bei den Anschlägen niemand getötet worden ist.“