Freitaler "Bürgerwehr" offenbar mit Thüringer Neonazi-Szene vernetzt

Erstveröffentlicht: 
22.04.2016

Die Bundesanwaltschaft hat nicht lange gefackelt: Kaum hatte sie die Ermittlungen gegen die sogenannte "Bürgerwehr" im sächsischen Freital aufgenommen, da klickten bereits die Handschellen. Am Dienstag hatte die GSG 9 in Freital fünf mutmaßliche Rechtsterroristen festgenommen. Die Verhafteten sind offenbar in der rechtsextremen Szene Mitteldeutschlands bestens verdrahtet - weit über die sächsischen Landesgrenzen hinaus.

von Sebastian Hesse-Kastein, MDR INFO

 

Es waren zwar am Ende nur 200 Neonazis, die am Mittwochabend in Jena an dem provokanten Fackelzug teilnahmen. Aber die Initiatoren des Aufmarsches am symbolträchtigen 20. April, dem Geburtstag Adolf Hitlers, sind keine Unbekannten. Einer der Anmelder, der Thüringer Neonazi Robert K., unterhält enge Verbindungen zur rechten Szene in Freital.

 

Katharina König, Landtagsabgeordnete der Linkspartei und Obfrau im thüringer NSU-Untersuchungsausschuss, beobachtet schon länger die Verflechtungen in der rechten Szene: "Die Verbindungen zwischen Freital, Bürgerwehr, und Thüringer Neonazis sind sehr eng. Der Anmelder des Fackelmarsches in Jena gehört zum Umfeld dieser mutmaßlich rechtsterroristischen Gruppe in Freital. Und insofern frage ich mich schon: Inwieweit finden da Strukturermittlungsverfahren statt, die auch in Absprache mit Thüringen getroffen werden? Weil eben der Robert K. und auch andere Neonazis aus Thüringen in Freital selber mit dabei waren, mit dieser Bürgerwehr unterwegs waren. Und das nicht bei offiziell angemeldeten Demonstrationen, sondern bei intern beworbenen Veranstaltungen." Sprich: Sie waren über interne Kanäle der Szene eingeladen worden. 

 

Verbunden, ja, aber auch organisiert?


Dem Verfassungsschutz in Erfurt sind diese Verbindungen wohlbekannt. Doch dessen Präsident Stephan Kramer sieht keine organisatorischen Verflechtungen zwischen der Freitaler Bürgerwehr, gegen die Karlsruhe wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung ermittelt, und der thüringer Szene: "Wir haben derzeit noch keine Hinweise, dass es sozusagen schon eine Gruppen-Gemeinsamkeit gibt. Also ob er (Robert K., Anm. de. Red.) dort tatsächlich in der besagten Gruppe, die jetzt von den Bundesbehörden ausgehoben wurde, persönlich dort verbunden ist. Allerdings ist er dort auf Veranstaltungen aufgetreten. Und das ist auch keine große Überraschung." 

 

Die Szene wird unübersichtlich


Denn: Was Politik und Sicherheitsbehörden zunehmend Sorgen bereitet, ist die Ausdifferenzierung der rechten Szene. Sie ist unübersichtlicher geworden, und gleichzeitig vernetzter denn je, beobachtet König: "Wenn man sich Freital anschaut: Das Eine ist die Bürgerwehr, die dort war. Das Andere sind NPD-Mitglieder, die dort waren. Das Dritte sind Mitglieder des Freien Netzes hier aus Thüringen, die dort waren. (…) Das Fünfte: In Freital mit dabei waren diejenigen, die am ersten Mai vergangenen Jahres in Saalfeld die Leute schwer zusammen geschlagen haben. Das heißt: Diese klassische Vorstellung davon, es gibt eine Partei und wir schauen uns jetzt mal die Partei an, wer ist Mitglied und wer macht was, das funktioniert nicht." 

 

Ost-Thüringen und Sachsen in engem Kontakt


Verfassungsschutz-Präsident Kramer ist da längst weiter und versucht, das Zusammenspiel der verschiedenen Akteure zu entwirren: "Dieses Netzwerk versuchen wir natürlich aufzuklären. Wir versuchen, Verbindungen herzustellen. Das sind auch länderübergreifende Verbindungen. Wir wissen zum Beispiel, dass die ost-thüringer Szene sehr intensiv mit der sächsischen Szene zusammen arbeitet. Dass man sich gegenseitig bei den Veranstaltungen besucht. Dass man sich gegenseitig mit Rednerinnen und Rednern aushilft. Dass man sich gegenseitig unterstützt, zum Teil auch mit Lautsprecherwagen und dergleichen mehr. Also: Da funktioniert die Zusammenarbeit hervorragen, aber ich kann nur sagen: Auch wir, auf der staatlichen Sicherheitsbehördenseite, arbeiten gut zusammen." 

 

CDU will wieder mehr V-Leute


Die Opposition im Thüringer Landtag findet jedoch, dass das nicht reicht. CDU-Fraktionschef Mike Mohring macht ein altes Fass wieder auf: "Definitiv muss man in der rechten Szene viel stärker aufpassen: Was passiert da? Und diese Strukturen zerstören. Das spricht aber auch dafür, - da teile ich die Auffassung unseres Verfassungsschutz-Präsidenten - dass es dazu eben auch V-Leute braucht. Es braucht Erkenntnisgewinne in diesem Raum und ich kann ohne diese Erkenntnisse diese Strukturen nicht aufdecken."

 

Doch im Koalitionsvertrag von rot-rot-grün steht, dass in begründeten Ausnahmefällen, genehmigt vom Innenminister und vom Ministerpräsidenten, auch weiterhin V-Leute zum Einsatz kommen können.