Folter - niemals!

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Den spanischen Sicherheitskräften geht die im Baskenland losgtretene öffentliche Diskussion über Folter ziemlich auf den Geist, oder auch „auf die Eier“ wie gestandene spanische Machos sagen würden. Deshalb werden wieder einmal die Zügel angezogen. Einmal wegen eines Graffitis, das Folter beklagt; zum anderen gegen einen (spanischen) Richter, der öffentlich bestätigt hat, dass in spanischen Kommissariaten gefoltert wird.

Der Richter Ricardo de Prada, immerhin beim Gerichtshof Audiencia Nacional angestellt, der für möglichst harte Urteile wegen „Terrorismus“ zuständig ist. Bei einer Podiumsdiskussion im baskischen Tolosa hatte er er gesagt, im spanischen Staat „gab es Folter, das ist klar. In meiner beruflichen Karriere hatte ich mehrfach den starken Verdacht, doch die zuständigen Gerichte sind den Vorwürfen nicht nachgegangen wie es sich in einem Rechtsstaat gehört“. 

 

Solche Worte kommen gar nicht gut an, die Repressions-Koalition aus Ministern, Guardia Zivil und Polizeigewerkschaften reagierte überaus empfindlich. „Das werde Konsequenzen haben, sagte der amtierende Innenminister, der nur noch deshalb Minister ist, weil jegliche Regierungbildung im Staate bislang gescheitert ist. Die Worte des Richters seien unwürdig – Folter ist es offenbar nicht. Ein Sprecher der Polizei-Gewerkschaft räumte immerhin ein, dass es Fälle von Folter gegeben habe, aber an der Zahl der rechtskräftigen Verurteilungen könne man allein schon ablesen, dass es keine systematische Folter sei.


Genau das hat jedoch ein von der baskischen Regierung in Auftrag gegebenes Gutachten festgestellt: dass systematische gefoltert wurde und wird (Baskinfo berichtete). Es wird geschätzt, dass in den vergangenen 50 Jahren mehr als 10.000 Menschen gefoltert wurden. Die wenigsten davon wurden danach vor Gericht gestellt. Die Zahl der Folter-Verurteilungen zum Maßstab ihrer Anwendung zu machen ist die alte Geschichte mit dem Bock und dem Gärtner. Denn das Foltersystem ist nahezu perfekt, was die Nicht-Nachweisbarkeit anbelangt. Erst sind die Verhafteten fünf oder 10 Tage in Kontaktsperre, ohne jeglichen Kontakt zur Außenwelt. Dann werden sie einem Arzt vorgeführt, der das Protokoll bereits geschrieben hat, im besten Fall von Selbstverletzungen wird da gesprochen. Entsprechende Anzeigen der Gefolterten werden dann vom nächsten Richter verworfen, weil sie von „der Propaganda von ETA gesteuert“ seien. Die Folterer tauchen dann vor Gericht als Sachverständige und Gutachter auf, mehrfach wurden sie von den Beschuldigten wieder erkannt, nichts geschah jemals. Kein Wunder dass es nur selten zu Verurteilungen kommt!


Doch gab es Rückschläge. Mitunter waren Folterungen so vernichtend, dass sie nicht mehr versteckt werden konnten. Das Europäische Menschenrechts Tribunal hat den spanischen Staat mehrfach verurteilt, weil Anzeigen nicht ernst genommen wurden, ETA-Gefangenen wurden hohe Entschädigungen zugesprochen. Amnesty International und das UN –Kommissariat gegen Folter vertreten dieselbe Ansicht: systematische Folter.

Im navarrischen Burlata wurde kürzlich ein von der Stadtverwaltung genehmigtes Graffiti gegen die Folter an einer Hauswand angebracht. Bereits in jenem Moment waren die Personalien der Beteiligten festgestellt worden, von der spanischen National-Polizei, denn in Navarra gibt es keine Regional-Polizei wie im Baskenland oder Katalonien. Drei Wochen später wurden dieselben Personen nun verhaftet unter dem Vorwurf „Beleidigung und Verleumdung der Sicherheitskräfte“ – ohne richterliche Anweisung im Übrigen.


Ganz am Rande stellt dieser Vorwurf eine interessante Interpretation des Graffitis dar. Denn dies besteht schlicht aus dem Wort „Tortura“ (Folter), und dem baskischen Wort „Laguntza“ (Hilfe), rückwärts geschrieben: „aztnugaL“. Also keine Rede von der Polizei, aber getroffene Hunde bellen bekanntlich. Das rückwärts geschriebene Hilferuf hat einen realen Hintergrund. Ein 2011 Festgenommener unterschrieb das unter Folter erzwungene Geständnis mit diesem Wort, um der Außenwelt eine Botschaft zukommen zu lassen. Damit hatte er Erfolg, denn die Folterer erkannten die List nicht, sein baskisch-sprachiger Anwalt hingegen schon, als er die Unterschrift sah.


In Anbetracht der Gründlichkeit der Polizei in Sachen Repression versteht es sich von selbst, dass auch gegen den Bürgermeister von Burlata Anzeige erstattet wurde wegen „Genehmigung einer mutmaßlichen Straftat“. Anders als in Spanien wird in Navarra und im Baskenland das Phänomen Folter aufgearbeitet, auch von offiziellen Stellen. Die spanische Seite lebt in einer anderen Welt, weit entfernt davon, ihre Verbrechen einzugestehen – in gleichem Maße wie keine der bisherigen „demokratischen“ Regierungen des Staates je die Kriegsverbrechen aus der Francozeit eingestanden hat. Alle Unrechtsurteile des Regimes haben noch Bestand, vielerorts werden die faschistischen Schergen noch geehrt.


Ergebnis der Graffiti-Verfolgung ist, dass in verschiedenen Orten des Baskenlands und Navarras identische Graffitis aufgetaucht sind, die sozialen Netze sind voller Fotos – unfreiwillig wurde das Thema von den Falschen in die richtige Richtung gepuscht. (Red.Baskinfo)


http://baskinfo.blogspot.com/2016/04/folter-niemals.html