[Berlin-Weißensee] Neonazi-Aktivist Martin Muckwar kämpfte beim MMA-Turnier »Sprawl & Brawl« Nr. 2

Martin Muckwar vs. Chu Tuan Anh, »Sprawl & Brawl«-FightCard für den 05. Mai 2015

In Nordost-Berliner Bezirk Weißensee hat sich seit Frühjahr 2015 die Kampfsportturnier-Reihe »Sprawl & Brawl« etabliert. MMA (Mixed Martial Arts) bildet den sportlicher Schwerpunkt der Turniere. Am 23. April 2016 sollten Kämpfer des »Athletik Klub Ultra« (AKU) aus Neumünster antreten. Nach Kritik an den Neonazi-Verstrickungen des AKU wurde das Team Mitte April ausgeladen.

 

Der Auseinandersetzung mit dem AKU und dem »Sprawl & Brawl« folgten weitere Recherchen. Hierbei fiel auf, dass der Südbrandenburger Neonazi-Aktivist Martin Muckwar bei den »Sprawl & Brawl«-Turnieren am 05. Mai und 31.Oktober 2015 mit von der Partie war. Der Fall Martin Muckwar zeigt, wie es Neonazis immer wieder gelingt, Kampfsport-Events zu unterwandern. Denn anders als beim »Athletik Klub« aus Neumünster ist Muckwar nicht bundesweit als Neonazi bekannt. Erst die Anfang April 2016 erschienene Veröffentlichung »Hinter den Kulissen von Zukunft Heimat« (1) legte die rechten Aktivitäten Muckwars offen. »Sprawl & Brawl« holte somit vermutlich sogar unwissend einen langjährigen Brandenburger Nazikader auf die Bühne.

Der im Dorf Schlepzig aufgewachsene und heute in Bestensee lebende Martin Muckwar kann auf eine längere Vergangenheit als Aktivist in neonazistischen Netzwerken zurückblicken. Während er aktuell versucht, sich bei Sportturnieren und im Umfeld seines Vereins »San Da Kempo Bestensee« e.V. als Sportler zu geben, fungiert er außerhalb des Rings für die Anti-Asyl-Initiative »Pro Zützen«, wo er im letzten Jahr hauptsächlich als Fotograf und Kameramensch aktiv war. Am 30. Juni 2015 war er bei einem Aufmarsch in Golßen präsent, ebenso wie am 05. Dezember des vergangenen Jahres in Lübben. Als Videoverantwortlicher produzierte er zeitnah nach den Aufmärschen Videoclips und veröffentlichte diese auf YouTube. »Pro Zützen« ist die Vorläuferorganisation von »Zukunft Heimat«. Diese Organisation ist ein rechtes Netzwerk aus der Brandenburgischen AfD und lokalen PEGIDA-Aktivist*innen. In der Initiative, in der sich auch Muckwar engagiert, bestehen keine Abgrenzungen zu Neonazis, welche in der Vergangenheit an den Demonstrationen teilgenommen haben (2). Die neonazistischen Aktivitäten Muckwars reichen jedoch weit länger zurück.

Bereits in der Schulzeit gehörte er zu den Besuchern des Neonazi-Treffpunktes »Bunker 88« in Lübben. Nach dessen Schließung organisierten lokalen Neonazis einen Aufmarsch, bei dem Muckwar am 12. April 2008 als Ordner eingesetzt wurde. Auf eben jener Demonstration waren führende rechte Kader anwesend, welche zum Teil ein Jahr später um die Neonazi-Gruppierung »Spreelichter« wieder in die Öffentlichkeit treten sollten. Die mittlerweile verbotene Gruppe gehörte zur Organisation »Widerstandsbewegung in Südbrandenburg« (3).

 

Am 23. Februar 2009 führten die sogenannten »Spreelichter« in Muckwars Heimatdorf Schlepzig ihre erste Aktion durch. Unter die Teilnehmenden eines Karnevalsumzugs gemischt, trugen sie ein Banner mit dem Slogan »Die Demokraten bringen uns den Volkstod«. Die Optik war auch bei folgenden Aktionen immer die Gleiche: Weiße Masken, wahlweise auch Totenkopfmasken und schwarze Umhänge. Das Gerede vom »Volkstod« meint die Angst vor dem Aussterben des »Deutschen Volkes«, denn dieses sei durch Zuwanderung und »Vermischung der Rassen« angeblich vom Aussterben bedroht. Unter dem Slogan »Werde unsterblich« wurde vor allem die »deutsche Jugend« in Brandenburg und Sachsen zum »Überlebenskampf« gegen Migrant*innen aufgerufen. »Wenn eine Regierung ihr Volk austauschen will, muss das Volk seine Regierung austauschen!« (Das Motto des Vereins »Zukunft Heimat«) suggeriert vordergründig Kritik an einer ignoranten Regierung, meint aber das »Volkstod«-Geschwafel der »Spreelichter«.

 

Von 2009 bis zu ihrem Verbot 2012 tauchten die »Spreelichter« immer wieder weißmaskiert mit rassistischen »Flash-Mobs« in der Lausitz auf und inszenierten sich dabei vor allem über Videoclips und Blogbeiträge. Diese erlangten vor allem unter dem Label »Die Unsterblichen« einen hohen Bekanntheitsgrad Internet. In einer Begründung zum Organisationsverbot durch den brandenburgischen Innenminister heißt es: »Die Vereinigung weist eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus auf« (4).

Während der aktiven Phase der »Spreelichter« wurden zudem mehrere MMA-Turniere unter dem Label »Leben heißt Kampf« als »nationale Kampfsportturniere« durchgeführt.

 

»Wir alle hier verkörpern das Gesunde, das Starke, das Wehrhafte! Wir verkörpern den Widerstand! (…) Der Widerstand, wie er sich hier heute zusammengefunden hat, ist die letzte Anhäufung gesunden deutschen Lebens. Wir verachten das Schwache, wir verabscheuen alles Kranke da draußen, denn wir sind die Zukunft. Leben heißt Kampf!«


So heißt es in einer Eröffnungsrede des »2. Nationalen Kampfsporttages«, der am 27.Oktober 2010 in Laußnitz im Raum Dresden stattgefunden hat. Die sogenannten »nationalen Kampfsporttage« wurden seit 2009 durch das neonazistische Netzwerk »Widerstand Südbrandenburg« organisiert. An der Veranstaltung, zu der überregional per SMS mobilisiert worden war, nahmen 20 Kämpfer und rund 200 Gäste teil, die überwiegend der Neonazi-Szene zuzurechnen sind. Anschließend wurden Bilder und Audio-Mitschnitte der Kämpfe ebenfalls über das »Spreelichter«-Infoportal veröffentlicht. Auch hier zeigt sich das Profil der Gruppierung: Propagierung einer kämpfenden Elite-Truppe, klassische NS-Ideologie und deren Aufarbeitung über professionelle Medienarbeit. Muckwar besuchte die Turniere regelmäßig: als verpflichtende Sportseminare für »Spreelichter«-Mitglieder.

Trotz des erfolgten Verbotes muss festgestellt werden, dass Muckwars Kontakte zu den Kadern in der Lausitz weiterhin bestehen. Ein Verbot sorgt primär dafür, rechte Präsenz kurzzeitig zu kaschieren, jedoch werden Ersatz- und Ausweichstrukturen gegründet, unter deren Namen viele Neonazis weiterhin aktiv bleiben. Die aktuelle rassistische Hetze gegen Geflüchtete durch »Bürgerinitiativen« in der Lausitz verdeutlicht dies erneut.

Hierbei muss betont werden, dass Muckwar nach außen hin vor allem versucht, seine sportlichen und technischen Fähigkeiten hervorzuheben.

Derzeit trainiert er im Königs-Wusterhausener K4-Zentrum und zeichnet sich zudem verantwortlich für dessen Internetpräsenz. Trotz des vermeintlich »unpolitischen« Selbstverständnisses vieler Sportler*innen und Sportvereine muss daher dringend darauf geachtet werden, dass diese Strukturen nicht zu angeblichen »Ausstiegsorten« von Neonazis werden. Die sportlichen Aktivitäten können häufig Ausgangsbasis sein, unterschwellig rechte Symbolik und Gedankengut »hoffähiger« zu machen und sich gleichzeitig nach außen hin einen »bürgerlichen Anstrich« geben zu können.


Gerade in vielen Bereichen des Kampfsportes entwickelt sich seit geraumer Zeit eine Mischszene, in der sich Neonazis als »Sportler*innen« generieren können und zugleich durch rechte Symbolik und rechtes (unterstützendes) Publikum eine gefährliche Schnittmenge zwischen Sport und rechtem Aktivismus schaffen. In den vergangenen Jahren musste Muckwar zu seiner Vergangenheit und seinem aktuellen Wirken nie Stellung beziehen. Zu Gute kommt dabei Neonazis wie Muckwar und anderen vermeintlichen »Aussteiger*innen« die Tatsache, dass viele Vereinssport-Strukturen von einer nahezu panischen Ideologie des Unpolitischen getragen werden. Sport-Event-Veranstalter*innen sowie Vereins-Verantwortliche versuchen dieser Logik zufolge, »die Politik« aus dem Sport herauszuhalten – und verkaufen ihre Position zudem oftmals als fortschrittliche Möglichkeit, Vorurteile durch das gemeinsame verbindende Sport-Erlebnis abzubauen. Auch wenn im Sport mit Sicherheit Menschen aufeinander treffen, die sich unter anderen Umständen wahrscheinlich nie begegnet wären, so ist daran dennoch nichts unpolitisch! Abgesehen davon, dass die Domäne des Sports wie jeder andere soziale Raum per se politische Fragen, Strukturen, Ein- und Ausschlüsse in sich trägt, sind zudem viele Elemente des sportlichen Wettkampfs äußerst gut integrierbar in eine allgemeine gesellschaftliche Leistungslogik. Das Prinzip von Sieg und Niederlage als Fokus – und gerade im Kampfsport darüber hinaus auch die positive Besetzung (männlicher!) Stärke, Überlegenheit und Wehrhaftigkeit – schaffen zudem nicht zu unterschätzende Anknüpfungspunkte für rassistische und chauvinistische Ideologien, die durch das gemeinsame Erleben emotional aufgeladen werden. Geschützt durch die vermeintliche Entpolitisierung des Sports können Neonazis hier nicht nur relativ einfach Anschluss finden, indem sie sich als »geläutert« präsentieren. Ebenso bekommen sie in ihrem sportlichen Umfeld eine Plattform zur Weiterverbreitung ihrer Hass-Ideologie – wenn auch weniger offen – und nicht zuletzt eine Basis, von der aus sie weiterhin in ihren alten Strukturen aktiv bleiben können, ohne Verdacht zu erregen.

 

Es bleibt darum wichtig, Neonazis wie Muckwar von Turnieren zu schmeißen, sofern Kampfsport-Events nicht noch weiter zu neonazistischen »Social Events« abgleiten sollen. Nur so kann dem Einsickern von Nazi-Aktivist*innen der Riegel vorgeschoben werden!

 

Weitere Artikel zum »Sprawl & Brawl«:

Kein MMA-Turnier mit Nazis in Berlin-Weißensee!

Weißensee: Rechter »Athletik Klub Ultra« bei MMA-Turnier ausgeladen

 

North East Antifa (NEA), 18. April 2016


Quellen:

1 | »Hinter den Kulissen von Zukunft Heimat«, Antifas aus Südbrandenburg, inforiot.de, 04. April 2016

2 | Zwischen Bürgerzorn und Rechtsextremismus, 05. Januar 2016, Lausitzer Rundschau

3 | Widerstandsbewegung in Südbrandenburg, Wikipedia, 10. September 2014

Der moderne Rechtsextremismus der “Spreelichter” – EXIT stellt Lageanalyse vor, Dierk Borstel, 10. Mai 2011

4 | Das Ende der Nazi-Masken-Show, Johannes Radke, Zeit.de (Störungsmelder), 19. Juni 2012