Das Häuschen von X. und seiner Mama sollte zwangsgeräumt werden. Aus Verzweiflung jagte er im Juni 2015 das Haus in die Luft. Nun muss sich X. wegen versuchten Mordes vor Gericht verantworten.
Das kleine Holzhäuschen war ihr Zuhause. X. (34) „Mama und ich lebten bescheiden darin. Aber wir waren glücklich.“ Bis die Zwangsräumung drohte. Als am 18. Juni 2015 in der Laubenkolonie am Elchdamm (Heiligensee) der Gerichtsvollzieher vorm Gartentor stand, jagte der Lagerarbeiter es in die Luft. Ein Wunder, dass es keine Toten gab. (BILD berichtete).
Seit Montag steht X. wegen versuchten Mordes vor dem Landgericht und behauptet, nie im Leben hätte er seine „Mama“ umbringen wollen. „Wir wollten in unserer Verzweiflung ein Zeichen setzen.“
X. kümmerte sich um Mutter und Oma
Von Jahr zu Jahr verwahrloste das Grundstück immer mehr: Mutter Y. (66) saß ohne Beine im Rollstuhl und konnte nichts dagegen tun. Ihr Sohn war überfordert. Er betreute sie, kümmerte sich außerdem auch noch um seine Oma (86). „Mama war meine wichtigste Bezugsperson. Der Gedanke, sie könnte ins Obdachlosenheim abgeschoben werden, belastete mich sehr.“
Hat niemand ihnen helfen wollten? Oder wollten sie keine Hilfe und verschlossen stattdessen vor dem bitteren Ende die Augen?
Er drohte mit einer Propangasflasche
Der Räumungstermin rückte immer näher. Der Angeklagte: „Mama sagte, ich sollte mir was einfallen lassen, damit wir nicht runtermüssen.“ Er habe deshalb im Baumarkt eine dicke Eisenkette fürs Gartentor gekauft. Dort kam ihm auch die Idee mit der Propangasflasche. Der Angeklagte: „Ich dachte, damit drohen reicht.“ Mama habe gesagt: „Das Häuschen kriegen die nicht.“ Und als er ihr die Flasche gezeigt habe: „Das wird unser letzter Ausweg.“
Am Tag der Zwangsräumung seien Mama und er sehr aufgewühlt gewesen. Der Angeklagte: „Um 11 Uhr guckte ein Mann durchs Fenster herein. Vermutlich der Gerichtsvollzieher.“ Er habe ihm das Abflammgerät gezeigt. Der Mann sei deshalb wieder Richtung Gartentor gegangen.
X. wollte nicht, dass jemand verletzt wird
Mama habe gesagt: „Bringen wir es jetzt zu Ende.“ X. schleppte die Gasflasche in sein Zimmer. Der Angeklagte: „Ich wollte nicht, dass Mama oder irgend einer anderen Person was passiert. Ich wollte nur hier eine Explosion.“ Er drehte das Ventil auf. Im selben Moment gab es einen ohrenbetäubenden Knall. Er sei mit dem Kopf an die Decke geknallt.
Der Angeklagte: „Dann war es düster. Als ich wieder aufwachte, hörte ich Mama rufen. Ich torkelte mit ihr durch die nun offene Wand ins Freie, setzte sie unter eine Tanne.“ Mutter und Sohn kamen mit schweren Verbrennungen ins Krankenhaus.
Der Angeklagte erhält Haftverschonung vom Gericht
Der Angeklagte: „Mama lebt jetzt im Heim. Sie hat nach einem Schlaganfall die Sprache verloren. So ein Leben haben wir uns nicht vorgestellt.“ Er bedankt sich beim Gericht für die Haftverschonung: „Da kann ich mich um Mama und Oma kümmern.“ Er habe für die Zukunft nur einen Wunsch: „Eine gemeinsame Wohnung mit Mama.“ Fortsetzung: 20. April.